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Stadtgeschichte
Zutphen ist eine der zahlreichen niederländischen Städte, deren Geschichte in vielen Straßen anhand der historischen Architektur ablesbar ist. Ihre Bedeutung als wichtige Handelsstadt ist ähnlich wie bei Deventer, Zwolle oder Kampen auf die günstige Lage an der IJssel zurückzuführen, die eine direkte Verbindung zur Nordsee bildet. Eine Siedlung existierte an der Stelle des Zuflusses der Berkel in die IJssel bereits in spätrömischer Zeit. Im 9. Jahrhundert ist ein Hof des Grafen von Hamaland, einer nur unzureichend lokalisierbaren Gaugrafschaft auf dem Gebiet der heutigen niederländischen Provinzen Overijssel und Gelderland, bezeugt. Ende des Jahrhunderts wurde eine Ringmauer mit Wassergraben errichtet.
Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts ist Zutphen erheblich ausgebaut worden. Im Auftrag Kaiser Heinrichs III. wurde eine Pfalz errichtet. Der Bischof von Utrecht, der seit 1046 Herrschaftsrechte in der Stadt ausübte, gründete ein Kanonikerstift. Die Stiftskirche wurde 1105 geweiht und ist der Vorgänger der heutigen Walburgiskirche. Zutphen wurde zur Residenz der gleichnamigen Grafschaft. Bereits 1190 verlieh ihr Graf Otto von Geldern und Zutphen das Stadtrecht. Viele Städte in Gelderland führten ihr Stadtrecht auf die Privilegien in Zutphen zurück. Es folgte die Ummauerung der Stadt und eine Erweiterung durch die Gründung einer Neustadt. Seit dem 13. Jahrhundert war die Stadt an der IJssel zudem Mitglied der Hanse und ein bedeutender Handelsstützpunkt mit einer Blütezeit im 14. Jahrhundert.
Zutphen hatte wie viele andere niederländische Städte im Achtzigjährigen Krieg, dem Unabhängigkeitskrieg der Niederländer gegen die spanischen Besatzer, zu leiden. Immer wieder wechselte die Herrschaft vom katholischen Spanien zu den Protestanten und zurück. 1591 konnte Moritz von Oranien die Stadt endgültig für die Niederlande erobern. Ihre Bedeutung besaß sie nunmehr als Garnison- und Festungsstadt. Noch einmal, im Jahre 1672, ist Zutphen eingenommen worden – von französischen Truppen, die für kurze Zeit den katholischen Glauben zurückbrachten. Ihren Charme verdankt die Stadt an der IJssel vielleicht der Tatsache, dass sie nach den Wirren des Achtzigjährigen Krieges in den Rang einer Provinzstadt zurückfiel und ihr historisches Gepräge dadurch weitgehend bewahren konnte.
Stadtrundgang
Rund um den ’s-Gravenhof mit der Walburgiskirche
Wir starten unseren Stadtrundgang an einem der zentralen Plätze der Altstadt von Zutphen, dem ’s-Gravenhof ganz im Süden. Sein Name verweist auf den gräflichen Hof, der einst hier angesiedelt war. Die Bedeutung als älteste Platzanlage der Stadt wird durch die Bebauung schnell deutlich. Hier steht mit der Walburgiskirche eine der Keimzellen von Zutphen. Ihr steil aufragender Westturm ist eines der Wahrzeichen der Hansestadt. Die heutige Gestalt der Hallenkirche entstand in mehreren Etappen beim spätmittelalterlichen Ausbau einer Basilika des 13. Jahrhunderts. Einen gestalterischen Höhepunkt der Kirche bilden die Sterngewölbe der Credo-Kapelle mit ihren Deckenmalereien des 15. Jahrhunderts. Virtuos sind die vielfältigen Darstellungen von Aposteln und Propheten.
Nördlich der Kirche befindet sich das Rathaus von Zutphen. Der ursprünglich spätmittelalterliche Bau aus der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde im frühen 18. Jahrhundert mit einer repräsentativen barocken Fassade zum Platz hin umgebaut und erweitert. Auf diese Weise ergibt sich mit dem nordseitigen Anbau (Buergerzaal) aus dem 15. Jahrhundert, der als Gerichtsgebäude diente, ein reizvolles Ensemble aus mehreren Stilepochen. Von der historischen Bebauung des ’s-Gravenhofes gibt vor allem das Huize van de Kasteele der mit Kopfstein gepflasterten Platzanlage sein besonderes Gepräge. Es handelt sich dabei um ein 1733 als herrschaftliche Stadtresidenz umgebautes Gebäude, das im 16. Jahrhundert als Waisenhaus der Stadt diente.
Unser Weg führt uns anschließend vorbei am Rathaus durch die Lange Hofstraat gen Norden. Die Straße ist gesäumt von einer Reihe stattlicher Bürgerhäuser. Daraus stechen die Giebelfassaden des Buergerzaals und der Langen Hofstraat 3 hervor. Der gotische Giebel des Erstgenannten ist im 19. Jahrhundert stark überformt worden. Letztere Renaissancefassade ist per Jahreszahl auf 1631 datiert.
Der Groenmarkt mit dem Wijnhuistoren
Am Ende der Straße stoßen wir auf eine langgestreckte Platzanlage, die letztlich aus einem verbreiteten Straßenzug gebildet wird, wie sie in den niederländischen Städten häufig vorzufinden ist. In Zutphen geht der Verlauf der Märkte Groenmarkt, Houtmarkt und Zaadmarkt auf eine frühmittelalterliche Ringmauer mit Wassergraben zurück, die die Stadt schützte. Heute ist es die gute Stube Zutphens. Auf den drei ineinandergreifenden Märkten steht eine große Anzahl stattlicher Gebäude, die im Besitz wohlhabender Bürger und Kaufleute waren. Die Fassaden stammen überwiegend aus der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Viele Häuser haben einen mittelalterlichen Kern.
Blickfang am Groenmarkt ist der hoch aufragende Wijnhuistoren, der zwischen 1616 und 1642 erbaut wurde und Teil eines im Kern mittelalterlichen und möglicherweise der gräflichen Verteidigungsanlagen am Ringwall zuzurechnenden Bauwerks ist. Das Gebäude diente spätestens seit dem 14. Jahrhundert als Gasthaus sowie Stadtwaage und ist somit Ausdruck der wirtschaftlichen Potenz von Zutphen. An dem Backsteingebäude kam an den frühbarocken Portalen Sandstein zum Einsatz.
Vom Houtmarkt zum Zaadmarkt
Vom Turm führt uns der Weg über den Houtmarkt zum Zaadmarkt, dem wohl schönsten Abschnitt des Straßenmarktes. Es sind vornehmlich die als geschlossenes Ensemble wirkenden traufenständigen barocken und klassizistischen Backsteinfassaden der Ostseite, die dem Platz einen geradezu mondänen Charakter geben. Den würdevollen Abschluss der Platzanlage bilden zwei bemerkenswerte Giebelfassaden (Dat Bolwerck) aus dem 16. und dem 17. Jahrhundert. Sie rahmen einen schmalen Durchgang, der zu dem dahinter aufragenden Drogenapstoren, einem Teil der Stadtbefestigung, leitet. Eine Entsprechung zu der älteren der beiden Hausfassaden findet sich in der Beukerstraat 44.
Bevor wir aber diesen spannenden Weg einschlagen, wagen wir einen Blick durch das 1723 errichtete pittoreske barocke Tor, das uns vom großzügigen Zaadmarkt in den Oude Bornhof führt. Wie in vielen niederländischen Städten entstanden auch in Zutphen Hofanlagen, die als Stiftung den Armen, Alten und Bedürftigen als Wohnstatt diente. Die ursprünglich bescheidene Bebauung des Bornhofes, der bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht, wurde allerdings Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen, um einen zweigeschossigen, mehrflügeligen Gebäudekomplex zu errichten. Die großzügige Hofanlage hinterlässt heute daher vielmehr einen herrschaftlichen Eindruck. Eine besondere Atmosphäre überwiegt an diesem Ort dennoch.
Die Stadtbefestigung
Der Drogenapstoren (benannt nach dem dort einst lebenden Stadtmusikanten Tonis Drogenap), den wir anschließend durchschreiten, ist ursprünglich im 15. Jahrhundert als Stadttor (als Salztor benannt) errichtet worden. Nur nach wenigen Jahrzehnten erfolgte die Zumauerung. Sogar als Wasserturm musste das Bauwerk im 19. Jahrhundert herhalten. Seine malerische Silhouette hat es aber bis heute nicht eingebüßt. Wendet man sich von hier nach Westen, dann kann man wohl einige der reizvollsten Ansichten der Stadt mit Stadtmauer und der dahinter hoch aufragenden Walburgiskirche erhaschen.
Wir folgen allerdings dem Straßenzug innerhalb des Mauerrings nach Norden. Im Rücken des Bornhofes gehen wir durch die gemütliche Bornhovestraat, die schließlich in die Oudewand übergeht. An einer Biegung zweigt die Armenhage ab – eine kleine Gasse mit wirklich pittoreskem Charme, die den Blick unmittelbar auf die turmbesetzte Stadtmauer von innen freigibt.
Kurz darauf erreichen wir ein weiteres Wahrzeichen von Zutphen, das Berkelpoort. Das um 1325 entstandene Wassertor überspannt das gleichnamige Flüsschen, das im Münsterland entspringt und hier in Zutphen in die IJssel fließt. Es scheidet Alt- und Neustadt voneinander. Malerisch öffnen sich drei Durchlässe durch die massive, mit zinnenbekrönten Türmchen besetzte Backsteinmauer und geben den Blick frei auf den Lauf des Wassers.
Die Broederenkerk und die Neustadt
Der Lauf der Berkel führt uns an der nördlich anschließenden Neustadt vorbei, deren Bebauung im Gegensatz zur Altstadt deutlich zurückhaltender ausfällt. Auch die im Norden liegende Nieuwstadskerk ist eine vergleichsweise bescheidene Hallenkirche aus dem 14. und 15. Jahrhundert, deren Wurzeln in der Gründung der Neustadt im späten 13. Jahrhundert liegen.
Ein letzter Höhepunkt erwartet uns schließlich mit der Broederenkerk, einer schlichten, aber monumentalen Bettelordenskirche der Dominikaner, die sich wie üblich am Rande der Altstadt angesiedelt haben. Das Gelände, auf dem sich das Kloster befindet, ist im Jahr 1293 an die Ordensbrüder gegangen, die die dort bereits vorhandene ältere Bebauung in ihren Neubau einbezogen. Die Klosterkirche, die wie so häufig in den Niederlanden heute als Bibliothek genutzt wird, ist ein typischer, steil proportionierter Bau der Bettelorden ohne Westturm und mit einem einschiffigen, langgezogenen Chor. Sie ist im frühen 14. Jahrhundert aus Backstein errichtet worden. Vom Kloster selbst ist der Ostflügel erhalten. Nördlich schließt sich ein um 1450 errichteter, stattlicher Bau an, der das Refektorium beherbergte.
Kirche und Klosterflügel rahmen eine Grünfläche, auf der die Umrisse der ursprünglichen Gesamtanlage ablesbar sind. Es ist ein fabelhafter Ort, um unseren Rundgang durch das historische Zutphen ausklingen zu lassen. Die Stadt, die im Schatten des nahen und größeren Deventer steht, darf ihre Altstadt aber zu Recht als einen der sehenswertesten Orte entlang der IJssel bezeichnen. Die uneingeschränkte Empfehlung eines Besuches sprechen wir daher gerne aus.