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Mittelalter, Romantik und Moderne in der Hamburger Kunsthalle

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Hamburger Kunsthalle
Altbau der Hamburger Kunsthalle

Vielfalt der Kunst

Wie stellt man ein Museum vor, das die bedeutendsten Kunstsammlungen Deutschlands präsentiert und deren Ausstellungen eine solche Fülle umfassen, dass sie an einem einzigen Tag oder in einem Blogbeitrag gar nicht würdig erfasst werden kann? Ich mache aus der Not eine Tugend und stelle hier die Geschichte der Hamburger Kunsthalle in den Mittelpunkt meiner Betrachtung, um dann vielleicht doch ein oder zwei Schwerpunkte herauszugreifen und etwas näher zu betrachten. Die Besucher mögen angeregt sein, sich der Vielfalt der Einrichtung eigenständig zu widmen und ihre Prioritäten selbst zu wählen.

Geschichte der Kunsthalle

Vorgeschichte und Architektur

Die Geschichte der Hamburger Kunsthalle beginnt im Jahre 1817 mit der Gründung des Hamburger Kunstvereins. Er ist damit nach dem Nürnberger Pendant der zweitälteste seiner Art in Deutschland. Nach zahlreichen Ausstellungen und wechselnden Räumlichkeiten wurde der Wunsch nach einem Museumsgebäude Mitte des 19. Jahrhunderts lauter. Umfangreiche Spendensammlungen veranlassten auch die Stadt Hamburg, sich an dem Projekt finanziell zu beteiligen. Auf einem Grundstück nahe dem Hauptbahnhof und der Binnenalster entstand der erste Museumsbau in den Jahren 1863 bis 1868, der noch heute den Kernbau der Kunsthalle darstellt. Er präsentiert sich als repräsentativer Backsteinbau des Historismus im Stil der italienischen Renaissance. Am 30. August 1869 fand die feierliche Eröffnung statt.

Wie zu dieser Zeit üblich waren die Dächer des Museumsgebäudes – und sind es auch noch heute – gläsern. Aufgrund des kostbaren Inventars kam der Einsatz von Gaslampen in den Ausstellungsräumen nicht in Betracht. Man musste also so viel Tageslicht wie möglich einfließen lassen. Ein erster Erweiterungsbau mit seiner charakteristischen Kuppelarchitektur wurde im Stil des Neoklassizismus in den Jahren 1912 bis 1919 realisiert. Damit wuchs die zur Verfügung stehende Ausstellungsfläche erheblich. 1997 wurde schließlich die „Galerie der Gegenwart“ eröffnet. Sie fand Platz in einem mehrstöckigen, kubusförmigen, dritten Baukörper, der lediglich im Untergeschoss mit den Altbauten verbunden ist.

Hamburger Kunsthalle - Treppenhaus
Treppenhaus im Altbau der Hamburger Kunsthalle

Sammlungsgeschichte

Es waren Hamburger Kaufleute, die den Grundstock der Sammlungen in der Hamburger Kunsthalle zusammentrugen. 1850 eröffnete die erste öffentliche Gemäldegalerie der Stadt in der Neuen Börse. Der Kaufmann und Kunsthändler Georg Ernst Harzen stiftete der Stadt Hamburg 25000 Kunstwerke mit der Auflage, ein Kunstmuseum für eine dauerhafte Ausstellung zu errichten. Erst 1886 erhielt die Kunsthalle mit Alfred Lichtwark einen Direktor, der die Sammlungen systematisch ausbaute. Unter seiner Regie entstanden mit den mittelalterlichen Werken und der Kunst des 19. Jahrhunderts die bis heute prägenden Sammlungsbestände der Kunsthalle. Auch ein umfangreiches Kupferstichkabinett entstand.

Lichtwarks Nachfolger ab 1914, Gustav Pauli, baute vor allem die expressionistischen Sammlungsbestände aus, bis er 1933 abgesetzt wurde. Den Nationalsozialisten war sein Engagement für die Moderne – in ihren Augen „Entartete Kunst“ – ein Dorn im Auge. In der Folge verzeichnete die Kunsthalle bis 1945 rund 1000 Verluste in diesem Segment, teils durch Verkauf, teils durch gezielte Vernichtung. Seit 2000 wird – wie in vielen anderen Institutionen auch – im Rahmen der Provenienzforschung der Fokus auf die Herkunft der Werke gelegt, die zwischen 1933 und 1945 ins Museum gelangten.

Mit der Eröffnung der „Galerie der Gegenwart“ ist die zeitgenössische Kunst schlagartig zu einem zentralen Thema der Kunsthalle und somit auch in Hamburg geworden. Ziel ist eine dynamische Sammlungsentwicklung und die Einbeziehung der Künstlerszene in die Prozesse eines lebendigen Museums.

Die Ausstellungen

Übersicht

Das Faszinierende an großen Museen ist, dass die interessierten Kunstliebhaber häufig die Möglichkeit haben, sich auf einen Besuch digital vorzubereiten. Die Hamburger Kunsthalle bietet dafür eine Online-Sammlung mit über 70000 Werken. Damit erhält man auch einen Überblick über die Magazin-Bestände. Zusätzlich bietet das Haus einen digitalen 360°-Rundgang durch Teile der Ausstellungen.

Ein kurzer Überblick soll die wichtigsten Sammlungsbestände aufzeigen:

  • Alte Meister: Die Spannweite reicht hier vom späten 14. bis ins späte 18. Jahrhundert. Einen herausragenden Schwerpunkt bildet die spätmittelalterliche Retabelkunst.
  • 19. Jahrhundert: Die Sammlung zählt zweifelsohne zu den herausragendsten in Deutschland zu dieser zeitlichen Epoche. Sie zeigt Werke des Klassizismus, der Romantik, über den Realismus bis hin zum Impressionismus.
  • Klassische Moderne: In der Sammlung finden sich zwischen 1900 und 1960 entstandene Gemälde und Skulpturen, darunter natürlich auch zahlreiche expressionistische Werke, die im Allgemeinen den Kern der Klassischen Moderne bilden.
  • Kunst der Gegenwart
  • Kupferstichkabinett: Mit mehr als 140.000 Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien gehört es zu den bedeutenden Sammlungen seiner Art in Europa. Darunter befinden sich auch Werke von Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo oder Albrecht Dürer.

Diese Fülle hochkarätiger Kunst bietet für jeden Kunstliebhaber einen Ort, in dem er sich vertiefen und verlieren kann. Ich möchte daraus zwei Schwerpunkte herausgreifen, die wie kaum andere den Ruhm der Hamburger Kunsthalle begründen: die spätmittelalterlichen Altarretabel und die Maler der Romantik.

Hamburger Kunsthalle - Philipp Otto Runge
Ein Ausstellungsraum für den romantischen Maler Philipp Otto Runge

Mittelalter

Hamburg war als bedeutende Hansestadt im Spätmittelalter auch ein Ort des Handwerks und der Künste. Entsprechend existierten auch spezialisierte Werkstätten, die den Ruf Hamburgs als wichtiges Zentrum für Schnitzkunst und Tafelmalerei begründete. Zu den bedeutendsten Hamburger Malern jener Zeit gehörten Meister Bertram und Meister Francke, die aus Minden bzw. vom Niederrhein in die Elbestadt kamen.

Meister Bertram und der Grabower Altar

Mit dem Grabower Altar des Meister Bertram verfügt die Kunsthalle über eines der ältesten Flügelretabel Norddeutschlands. Das mehrflügelige Werk entstand um 1380 und verfügt über einen geschnitzten Mittelschrein und ebensolchen Innenseiten der inneren Flügel, während die erste Öffnung und der geschlossene Zustand Malereien zeigen bzw. zeigten. Seine Bedeutung erhält der Altar durch den gemalten Zyklus, der ikonografisch ungewohnt die Schöpfungsgeschichte in ausschweifender theologischer Programmatik darstellt. Ergänzt wird das Programm aus insgesamt 24 Szenen in zwei Registern durch einige Passionsdarstellungen.

Hamburger Kunsthalle - Grabower Altar
Grabower Altar des Meisters Bertram: Bildprogramm bei geöffnetem Zustand

Spannend zeigt sich die Provenienz des Altars, denn es handelt sich hier um den ursprünglichen Hochaltar der St.-Petri-Kirche in Hamburg. In der Reformation seiner Bestimmung beraubt, wurde er mehrfach verändert und schließlich 1726 der Stadtkirche im mecklenburgischen Grabow – daher auch der Name des Altars – überreicht. Durch diese glückliche Fügung überlebte er auch den verheerenden Hamburger Stadtbrand von 1842, dem auch die mittelalterliche St.-Petri-Kirche zum Opfer fiel. Erst Lichtwark entdecke das Meisterwerk in Grabow und holte es nach Hamburg zurück. Die Kunsthalle präsentiert die Tafeln und das geschnitzte Innenleben heute voneinander getrennt. Die Malerei der Außentafeln ging verloren.

Das Pendant zum Grabower Altar stellt der jüngere Buxtehuder Altar (um 1400) dar, der ebenfalls Bertram von Minden zugeschrieben wird und in einem nicht mehr existenten Buxtehuder Frauenkloster stand. Die Programmatik der Tafelmalerei zeigt auf 18 Bildeinheiten Szenen aus dem Marienleben.

Meister Francke

Das Œuvre des Meisters Francke hat sich nur fragmentarisch erhalten. Nur eine Handvoll Werke können ihm zugeordnet werden, wobei sich die meisten im Besitz der Hamburger Kunsthalle befinden. Hierzu gehört eine um 1435 datierte Tafel, die Christus als Schmerzensmann darstellt. Sie hing ursprünglich in St. Petri und zeigt ein vorzügliches Spätwerk des Künstlers, von dem wir biografisch kaum mehr wissen, als dass er in den Dominikanerorden eintrat und in Paris studierte.

Um 1430 datiert Franckes Thomas-Altar der hamburgischen Englandfahrer, von dem sich neun Tafeln in der Kunsthalle erhalten haben. Sie umfassen Szenen aus der Passion, dem Leben Mariens sowie dem Martyrium des heiligen Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury. Letzterer war Schutzpatron der hamburgischen Kaufmannschaft der Englandfahrer, die den Altar auch in Auftrag gab. Es war ursprünglich in der Dominikanerkirche St. Johannis in Hamburg aufgestellt und dürfte zweifach wandelbar gewesen sein.

Romantik

Wir springen 400 Jahre in der Kunstgeschichte vorwärts. Die Kunst der Romantik darf weniger als Stil, vielmehr als Geistesbewegung angesehen werden, weshalb sie sich vor allem über ihre Inhalte definiert. Das aufstrebende Bürgertum sucht in Themenfeldern wie Mystik, Religion und Natur nach Ausdrucksformen für Gefühle, Leidenschaft und Individualität. In einer Zeit des Umbruchs durch die beginnende Industrialisierung suchten die Menschen nach Stabilität in alten Ordnungen.

Norddeutschland gilt als eine zentrale Region bei der Entwicklung und Ausbreitung der romantischen Malerei in Deutschland. Zu den wichtigsten Protagonisten der Frühromantik zählen Capar David Friedrich und Philipp Otto Runge. Ihre Werke sind entsprechend präsent in der Kunsthalle. Runge, der lange in Hamburg gelebt und gewirkt hat, ist ein eigener Ausstellungsraum gewidmet. Sein Œuvre wird vor allem durch zahlreiche Figurenbilder und Porträts gekennzeichnet. Die Landschaftsmalerei Friedrichs spiegelt dagegen seine inneren Bildwelten wider. Die wiederkehrenden Motive des Malers sind Häfen, Schiffe und das Meer, Friedhöfe und Ruinen, die vergängliche Natur und ihr Kreislauf.

Caspar David Friedrich - Das Eismeer
„Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich – ein typisches Werk der Romantik
Foto: Hamburger Kunsthalle | bpk | Elke Walford

Die Romantiker mit ihrer Kunst stehen wie kaum eine andere Epoche für das, was Kunst ausmachen kann. Der Rückzug in eine eigene subjektive Vorstellungswelt und die Sehnsucht nach Stabilität und alten Werten in einer chaotischen Welt kann für die Gäste der Hamburger Kunsthalle Antrieb für einen Besuch sein. Jeder Kunstliebhaber wird in der großen Vielfalt der Ausstellungen fündig werden auf der Suche nach innerer Inspiration.

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