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Zu Besuch im Haus der Geschichte in Bonn

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Haus der Geschichte - Bonn

Das Museum

Bildungseinrichtung für Zeitgeschichte

Eigentlich ist Zeitgeschichte nicht mein bevorzugtes Thema, doch für das Haus der Geschichte in Bonn schien es mir angebracht, eine Ausnahme zu machen. Die Einrichtung gehört zu den meistfrequentierten Museen Deutschlands. Entsprechend sollte man genügend Zeit für einen Besuch mitbringen, wenn man den Fokus nicht eingrenzend auf bestimmte Aspekte lenken möchte. Wir hatten uns einen Nachmittag dafür reserviert und mussten trotz der langen Öffnungszeiten bis in den Abend hinein feststellen, dass vier Stunden nicht ausreichen, um die Ausstellung als Ganzes wahrzunehmen. Zudem ist man nach dieser Zeit kaum noch aufnahmefähig und das Stehen fällt auch zunehmend schwerer. Kurzerhand haben wir noch einen weiteren Vormittag für einen zweiten Besuch des Hauses reserviert.

Äußerst positiv ist der Umstand zu bewerten, dass der Eintritt in das Museum kostenlos ist. Dies mag darin begründet sein, dass hier der Bund über die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland als Träger der Einrichtung auftritt. Offensichtlich sieht man in dem Museum ein wesentliches Instrument zur politischen und gesellschaftlichen Bildung, so dass die Finanzierung auch ohne die Einnahmen über das Eintrittsgeld gewährleistet ist. Ein Luxus, der nur ganz wenigen musealen Einrichtungen in Deutschland zuteil wird! Die Initiative für das 1994 eröffnete Haus ging von Helmut Kohl aus. 2011 erfolgte die letzte Neugestaltung der Dauerausstellung.

Anlaufpunkt für Schulklassen

Überrascht waren wir über die weitgehend leeren Ausstellungsebenen. Leer im Sinne von wenigen Besuchern! Das Wetter war zwar an diesem Dienstagnachmittag im April schon ganz ordentlich, aber nicht so außergewöhnlich, dass es dieses Phänomen erklären würde. Das sah am folgenden, leicht verregneten Vormittag schon etwas anders aus. Zahlreiche Schulklassen bevölkerten bereits das Foyer. Zu unserem Erstaunen waren es vor allem französisch sprechende Gruppen, die aus Frankreich oder vielleicht auch Belgien stammten. Das grenznahe Bonn scheint ein beliebter Anlaufpunkt zu sein, denn mindestens eine dieser Gruppen trafen wir auch am Beethoven-Haus in der Bonner Altstadt wieder.

Letztlich stellten wir uns allerdings die Frage, ob für diese Teenager das Haus der Geschichte der richtige Ort sei, sich der deutschen Geschichte zu nähern. Zum einen sind alle Beschriftungen, Tafeln und Medien ausschließlich in Deutsch und – wenn möglich – in Englisch verfasst, zum anderen wird die Entwicklung Deutschlands nach 1945 so detail- und facettenreich dargestellt, dass wir es uns nur schwer vorstellen konnten, dass eine französische Schulklasse im Stande sei, einen Bezug dazu aufbauen. Mit diesen Gedanken möchte ich auch schon zum Konzept der Dauerausstellung überleiten.

Haus der Geschichte - Bonn

Die Dauerausstellung

Chronologische Besucherführung

Die Dauerausstellung ist chronologisch aufgebaut und über mehrere Ebenen verteilt. Man schreitet über Rampen von unten nach oben zeitlich voran, wobei sich immer wieder Ausblicke auf die darunter und darüber liegenden Ebenen eröffnen. Trennwände gewährleisten teilweise thematische Partitionierung. Ein Besucherleitsystem fehlt allerdings. Dabei muss ich gestehen, dass ich mich ohne den Wegweiser in Form einer kleinen Broschüre wahrscheinlich verzettelt und verlaufen hätte.

Im Einzelnen werden auf den Ebenen die Zeiträume 1945-1949, 1949-1955, 1955-1963, 1963-1974, 1974-1989, 1989-heute geschieden, wobei sich dabei der Eindruck aufdrängt, dass der älteren Geschichte deutlich mehr Raum überlassen wird als der jüngeren Entwicklung. Bei der Konzeptionierung der Ausstellung stand man auch vor der Herausforderung, im Zeitraum von 1949 bis 1990 die Entwicklung in zwei deutschen Staaten parallel darstellen zu müssen, wie sie in manchen Bereichen nicht unterschiedlicher sein konnte.

Überhaupt darf die Frage gestattet sein, ob die primär chronologische Leserichtung der Ausstellung die geeignetste ist. Das Haus betont, dass es die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklung über den gesamten Zeitraum gleichermaßen abbilden möchte. Denkbar wäre es also durchaus gewesen, diese drei Sphären voneinander zu entkoppeln. Dabei hätte man allerdings in Kauf nehmen müssen, dass die Wechselwirkungen dieser Schwerpunkte schwerer darzustellen gewesen wären.

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Zwischen Authentizität und Digitalisierung

Das Verhältnis zwischen Exponaten bzw. analoger Erlebniswelt und dem Einsatz von digitalen Medien erscheint durchaus ausgewogen. Den Hippie-Bulli aus den 1960er Jahren findet man ebenso wie den obligatorischen VW Käfer oder einen sowjetischen Panzer, der am 17. Juni 1953 in der DDR zum Einsatz kam. Beeindruckend und sehr authentisch ist auch das Kino der 1950er Jahre umgesetzt, in dessen rote Sessel man sich fallen lassen kann, um einen Schwarzweiß-Film zu konsumieren.

Wie ein roter Faden ziehen sich Medien-Terminals durch die Ausstellung, über die man aus zahlreichen Zeitzeugenberichten auswählen kann. Zu Beginn jeder Ebene steht ein Touchscreen, an dem der Besucher bis in letzte Detail Informationen über alle Bundestagswahlen und die Zusammensetzung des Bundestages abfragen kann. Nicht fehlen im Vermittlungskonzept durften die zahlreichen Videosequenzen mit Originalmaterial. Sie haben ihre Aufgaben auch erfüllt. Sehr schön ebenso die Möglichkeit der Partizipation durch den Besucher, der sich in die Sitzreihen des Bundestages begeben und gemeinsam mit den anderen Museumsbesuchern per Abstimmung (!) entscheiden darf, welche Rede als nächstes über den großen aufgehängten Monitor flimmern darf.

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Das Kapitel RAF auf dem Abstellgleis?

Etwas befremdlich empfand ich die Präsentation des Kapitels RAF. Ohne die mitgeführte Broschüre ist dieser Abschnitt der Ausstellung nur schwer zu entdecken. Er verbirgt sich in einem abgesonderten kleinen Raum, dessen Zugang beim Durchstreifen der Ebene 1974-1989 leicht übersehen werden kann. Beim Betreten bekommt man den Eindruck, auf etwas Verbotenes zu stoßen, das mit Scham und Stillschweigen belegt ist, fast so als würde man in einen schmuddeligen Sexshop auf St. Pauli eintauchen. Hat der Staat noch immer keinen angemessenen Umgang mit diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte gefunden? Fast möchte man annehmen, hier sollte etwas ganz bewusst in eine entlegene Ecke der Ausstellung verbannt werden.

Fazit

Eine durchaus gelungene Darstellung der deutschen Nachkriegsgeschichte wird dem Besucher im Haus der Geschichte in Bonn präsentiert. Dabei flacht die Ausstellung zum Ende hin etwas ab, was sich auch an den immer größer werdenden Zeiträumen widerspiegelt. Vielleicht fehlt uns aber auch noch die nötige Distanz, sich kritisch den erst kurz zurückliegenden Jahren unserer Vergangenheit zu nähern. Die Problematik betrifft den Besucher als auch die Kuratoren gleichermaßen.

Darüber kann auch nicht der Roboter Eva hinwegtäuschen, der den Besucher kurz vor dem Ausgang im Empfang nimmt. Eva soll für die rasante Entwicklung der Digitalisierung und die künstliche Intelligenz stehen, die in unseren Alltag und unsere Arbeitswelt Einzug halten. Dabei wirkt sie allerdings gegenüber der „Konkurrenz“ von Siri oder Alexa aus dem Hause Apple bzw. Amazon fast schon wieder veraltet und ungelenk.

Sehr lobenswert ist dagegen die Objektdatenbank, die das Haus der Geschichte im Internet präsentiert! Sie beinhaltet zum jetzigen Zeitpunkt 72455 Objekte und AV-Medien, die nach unterschiedlichen Kriterien gesucht und gefiltert werden können. Damit steht der Öffentlichkeit ein virtueller Blick in das Magazin des Museums zur Verfügung.

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2 Kommentare zu “Zu Besuch im Haus der Geschichte in Bonn

  1. Ich finde diesen Beitrag sehr informativ. Bei den ersten Worten zum Thema RAF entstand bei mir der gleiche Eindruck, dass dieses unrühmliche Kapitel auch zur Geschichte Deutschlands gehört, aber es nicht so präsent bei den Besuchern in Erinnerung gebracht werden soll. Gefreut habe ich mich über das Foto vom Trabi, hatte ich doch selbst zwei verschiedene Modelle im Einsatz. ?

    1. Danke für dein Statement, Andrea! Es freut mich besonders, dass du meinen Eindruck über die Darstellung der RAF-Geschichte bestätigst. Ich muss gestehen, dass mich dieses Kapitel deutscher Geschichte zur Zeit sehr interessiert, insofern war ich beim Besuch im Haus der Geschichte durchaus auch darauf fokussiert. Das wiederum kann die Erwartungen und letztlich meine Einschätzung beeinflussen.

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