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Das Freilichtmuseum Molfsee: Überblick
Unmittelbar vor den Toren Kiels liegt in Molfsee das größte Freilichtmuseum Norddeutschlands. Es präsentiert einen umfassenden Überblick über die Kultur-, Architektur- und Landesgeschichte Schleswig-Holsteins. Der Rundgang führt an zahlreichen Hofanalgen, Mühlen und Handwerksgebäuden vorbei und gewährt Einsicht in die bäuerliche Alltagskultur des nördlichsten Bundeslandes, in dem deutsche und dänische Geschichte und Traditionen verschmelzen.
Für mich persönlich war der Besuch eine Rückkehr zu den Wurzeln: In Schleswig-Holstein aufgewachsen und in Kiel studierend war ich doch regelmäßiger Gast im Freilichtmuseum Molfsee. Mein Einstieg in die museale Welt erfolgte genau an diesem Ort. Nun aber habe ich das Museum seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Entsprechend erwartungsfreudig war ich hinsichtlich der Veränderungen.
Das Jahr100Haus
2021 erfolgte die Einweihung des Jahr100Hauses als neues Ausstellungs- und Eingangsgebäude. Ob das geschlossene metallene Äußere des Gebäudes einen unangemessenen ästhetischen Bruch zum Hausbestand auf dem Freigelände darstellt, darüber lässt sich sicher streiten. Unstrittig bildet das zweiflügelige Bauwerk aber einen Blickfang und verleiht dem Museum einen modernen und zeitgemäßen Anstrich. In Innern empfängt den Besucher eine angenehme Holzkonstruktion, die auf die Architektur der historischen Gebäude im Freigelände einstimmt.


Das Jahr100Haus beherbergt die neue Dauerausstellung „Ein JAHR100 in Schleswig-Holstein. Land. Leute. Leben“ mit Objekten der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts. Die Idee dahinter ist, die zahlreichen Gegenstände, die im Depot ihr Dasein fristen, mehr ins Rampenlicht zu rücken. Die Exponate sind gut gewählt und erinnern die Besucher zuverlässig an die eigenen Kindheitstage. Der Funke wollte bei mir allerdings nicht vollends überspringen, was vielleicht an der schlaglichtartigen Präsentation oder auch der sterilen Atmosphäre der Ausstellungsräume begründet sein mag.
Die Landschaften Schleswig-Holsteins
Schleswig-Holstein zeichnet sich durch unterschiedliche Landschaftsformen zwischen Nord- und Ostsee aus. Im Westen liegen die Marschlandschaften der Nordseeküste, im Osten eine wald- und seenreiche Hügellandschaft, die durch die letzte Eiszeit geformt wurde. Dazwischen zieht sich ein schmaler sandiger Geestrücken von Nord nach Süd. Die Gebäude auf dem weitläufigen Gelände des Freilichtmuseums sind anhand dieser unterschiedlichen Landschaften gruppiert. Im Einzelnen handelt es sich dabei um:
- Lauenburg
- Holstein
- Probstei
- Dithmarschen
- Elbmarschen
- Fehmarn
- Eiderstedt
- Nordfriesland
- Angeln
- Stapelholm


Hausformen
Entsprechend vielfältig sind die Haustypen, die der Besucher im Freilichtmuseum Molfsee studieren kann. Den Anfang macht das in Norddeutschland weit verbreitete Niederdeutsche Hallenhaus, das man im gesamten Süden und der Mitte des Landes antrifft. Es zeichnet sich durch ein großes Tor in der Giebelfront aus, durch das man in die weiträumige Diele gelangt. Die Abseiten werden meist als Stallungen genutzt. Den Abschluss der Diele bildet das Flett mit der Herdstelle. Im hinteren Drittel des Hauses schließen sich die Wohnräume an, je nach Wohlstand der Bewohner als einfache Kammern oder großzügige Zimmer mit reichem Inventar.

Gulfhäuser und die regionale Ausprägung als Haubarg oder Barghaus findet man in den mittleren und südlichen Marschgebieten – in den Elbmarschen, Dithmarschen und auf Eiderstedt. Letzterer Haustyp besitzt einen nahezu quadratischen Grundriss und hohe Dachkonstruktionen. In der Mitte des Hauses liegt nicht die Diele, sondern der Gulf oder Barg, der die Heuernte aufnahmen. Wohneinheiten und Stallungen gruppierten sich um diesen zentralen Raum.

Im Norden des Landes finden sich jütländische Hausformen, die von Dänemark beeinflusst sind. In Nordfriesland und dem östlich anschließenden Geestrücken handelt es sich dabei um langgestreckte Querhäuser mit mittigem Zugang an der Traufe, also der Längsseite des Hauses. Die kleine Diele dahinter scheidet jeweils den Wohn- und Wirtschaftsbereich voneinander. Darüber hinaus finden sich in den besonders fruchtbaren Gebieten Drei- und Vierflügelhofanlagen von großen Dimensionen.

Rundgang
Mühlen und Hallenhäuser
Alle sehenswerten Objekte herauszuarbeiten ist ein fast aussichtsloses Unterfangen, haftet der Auswahl doch eine gewisse Subjektivität an. Bemerkenswert ist sicherlich das barocke Torhaus des Gutes Deutsch-Nienhof (Nr. 1), das nach nie verwirklichten Umbauplänen des Architekten Georg Greggenhofer aus dem Jahre 1770 errichtete wurde. Bis zur Verlegung des Museumseingangs ins Jahr100Haus war es der würdige Zugang zum Freilichtmuseum.
Natürlich finden sich die obligatorischen und sehr beliebten Mühlen auf dem Museumsgelände:
- Bockwindmühle aus Algermissen von 1766 (Nr. 7) – das Museum griff hier auf ein Beispiel aus Niedersachsen zurück
- Spinnkopfmühle aus Fockendorf (Nr. 27)
- Galerieholländer aus Hollingstedt (Nr. 43)
- Wassermühle aus Rurup von 1778 (Nr. 65)

Typische Beispiele für ein großzügiges Niederdeutsches Hallenhaus zeigen:
- Haus aus Großharrie von 1817 (Nr. 3)
- Haus aus Barsbek von 1797 (Nr. 15)
- Haus aus Lehe von 1781 (Nr. 20) – das Haus Schmielau gilt als eines der aufwendigsten Dithmarschens, dessen Bauern eine vergleichsweise hohe Eigenständigkeit gegenüber den Landesherren bewahren konnten
- Haus aus Süderbrarup von 1797 (Nr. 56)


Die Nordseeküste
Die Haupthäuser der Hofanlagen der Marschlandschaften wirken durch ihre Größe und vor allem exponierte Lage auf Warften (künstlich aufgeschüttete Hügel), die durch den erhöhten Standort im Freilichtmuseum gut nachgezeichnet werden, besonders eindrucksvoll:
- Barghaus aus Arentsee von 1745 (Nr. 26)
- Haus aus Herzhorn von 1697 (Nr. 28) – Haus Heydenreich, Hallenhaus mit repräsentativem Anbau eines Sommerhauses von 1711
- Haubarg aus Witzwort von 1743 (Nr. 42) – repräsentatives Beispiel eines Haubargs auf der Halbinsel Eiderstedt


Die dänisch beeinflussten Hausformen Nordfrieslands bilden ein fotogenes Ensemble mit der Holländermühle:
- Vierseithof aus dem Christian-Albrechts-Koog, erbaut um 1710 (Nr. 44)
- Haus aus Westerland von 1699 (Nr. 46) – das Lorenz-Petersen-de-Hahn-Haus ist ein Langhaus, Walknochen zieren den Eingang des Grundstücks
- Haus aus Klockries von 1634 (Nr. 47)

Scheunen und Speicher
Von den Nebengebäuden erscheinen mir folgende besonders erwähnenswert:
- Scheune aus Wilmsdorf von 1791 (Nr. 2) – charakteristischer Fachwerkbau mit blau gefärbter Holzkonstruktion
- Scheune aus Klein-Havighorst, erbaut um 1690 (Nr. 18) – das gewaltige Reetdach verbirgt den Blick auf die Außenwände fast vollständig
- Speicher aus Osterbelmhusen, erbaut um 1780 (Nr. 21) – steinernes Gebäude mit reicher Pilastergliederung
- Apotheke (Nr. 52) – Nachbau einer Apotheke aus Cismar im Zustand um 1840, das sehenswerte Inventar stammt aus Lunden in Dithmarschen


Finaler Eindruck
Es war ein Vergnügen, durch die hügelige Landschaft mit den unzähligen reetgedeckten historischen Häusern zu schlendern und in den Gebäuden in die Lebensumstände unserer Vorfahren einzutauschen. Insbesondere ist das Studium der verschiedenen Hausformen in den unterschiedlichen Regionen Schleswig-Holsteins im Freilichtmuseum Molfsee vorbildhaft möglich.
Und dennoch fehlte mir das besondere Aha-Erlebnis, das Alleinstellungsmerkmal, das andere Museen dieser Art auszeichnet. Zwar hat man jüngst mit dem Jahr100Haus und der dortigen Dauerausstellung ein solches zu schaffen versucht, doch ist der Bruch zum Kernthema des Museums – die bäuerliche Architektur und Alltagskultur des 16. bis 19. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein – nicht zu leugnen. Ob dieser Spagat gelungen erscheint, das ist wohl auch von den Erwartungen des Besuchers abhängig. Sehenswert ist das Freilichtmuseum Molfsee allemal!
Die meisten Freilichtmuseen kommen mir wie die freilaufende Fassung der Sammelsurium-Heimatmuseen vor. Man läuft durch, sieht viel, aber weiß danach irgendwie nicht, was man jetzt gelernt hat. Vielleicht gar nichts, außer dass das Leben und die Arbeit früher hart waren.
Aber zum Spazierengehen und Fotografieren sind so Museen toll. Ich war zuletzt im Ukrainischen Freilichtmuseum außerhalb von Kiew:
https://andreas-moser.blog/2020/01/03/kiew-tag-19-21/
Das mag vielleicht für einige kleine Museen zutreffen. Die großen zeichnen sich meist durch durchdachte Vermittlungskonzepte aus.
Was ich dennoch meistens vermisse, sind Erklärungen zu Geräten (landwirtschaftliche oder aus dem Haushalt). Zu oft fragt man sich, wozu das gedient hat, was da steht. Name oder Erläuterung: Fehlanzeige.