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Wir sind AfD – wie eine Partei Blogger mundtot macht

Posted on – zuletzt aktualisiert am 3. Oktober 2018
Aktenordner für Dänemark

Ein Blogger gegen Rechts

Die Geschichte begann damit, dass der Blogger Nathan Mattes auf der Seite wir-sind-afd.de kritisch über unsere neue Partei am rechten Rand – die AfD – berichtete. Das machte er rhetorisch durchaus geschickt, indem er lediglich Zitate sammelte, die die Gesinnung der selbsternannten Verfechter des Deutschtums entlarvte. Das wiederum passte der AfD nicht und so ging man mit der umstrittenen Kanzlei Höcker aus Köln juristisch dagegen vor. Mattes unterschrieb die geforderte Unterlassungserklärung jedoch nicht und so landete der Fall vor dem Landgericht Köln. Möglich wurde der zivile Widerstand durch die Crowdfunding-Aktion einer Freundin von Mattes. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind mehr als 50000€ an Spenden zusammen gekommen.

Wir sind AfD

Stimmen zum Urteil

Die AfD sah sich in ihren Namensrecht verletzt und forderte die Herausgabe der Domain wir-sind-afd.de. Die erste Instanz vor dem Landgericht Köln ging für Mattes verloren (LG Köln, 06.02.2018 – Az. 33 O 79/17 – Volltext als PDF). Das Urteil wurde in der Fachwelt sehr kritisch und als falsch interpretiert.

Rechtsanwalt Thomas Stadler führt hierzu aus:

Auch eine Verletzung der schutzwürdigen Interessen der AfD ist entgegen der Ansicht des Landgerichts Köln nicht gegeben. An dieser Stelle ist in besonderem Maße der Einfluss des Grundrechts aus Art. 5 GG zu beachten und eine Abwägung der berechtigten Interessen der AfD mit dem Recht des Domaininhabers auf Meinungsfreiheit vorzunehmen. Gerade politische Parteien müssen sich dem öffentlichen Meinungskampf stellen. Das ist ihrer Stellung immanent. Dies gilt in besonderem Maße für eine Partei wie die AfD, die fortlaufend in hetzerischer Art und Weise versucht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass es der AfD kaum um die Domain als solche gehen dürfte, sondern darum, Kritik zu erschweren. Selbst der flüchtige Betrachter bemerkt beim Aufruf der Website auf den ersten Blick, dass es um eine kritische/ablehnende Auseinandersetzung mit dieser rechtsradikalen Partei geht. Bereits die Eingangssätze „Wir sind AfD (Symbol eines gesenkten Daumens). Wir sind eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei und wir wollen in den Deutschen Bundestag.“ sprechen insoweit für sich.

Das Urteil des Landgerichts Köln erweist sich also bei näherer juristischer Betrachtung als falsch. Es bleibt zu hoffen, dass diese meinungsfeindliche Entscheidung keinen Bestand haben wird.

Rechtsanwalt Markus Kompa kommentiert in seiner scharfsinnig überspitzten Art:

Das kann man im Hinblick auf die vom Grundgesetz explizit geschützte Meinungsfreiheit auch anders sehen. Es ist im Hinblick auf den im Netz bisweilen scharf und mit satirischen Mitteln geführten politischen Meinungskampf keineswegs selbstverständlich, dass ein Nutzer unter einer Domain wir-sind-afd.de tatsächlich eine authentische AfD-Seite erwarten wird. Gerade von Deutschtümlern müsste man eher erwarten, dass sie die deutsche Sprache ehren und sich eine grammatikalisch korrekte Domain zulegen würden. Jedenfalls aber genügt ein Klick auf die Seite, um einem Nutzer deren tatsächlichen Charakter zu kommunizieren.

Artikel 5 Grundgesetz beinhaltet auch die Freiheit, sein Werk ggf. plakativ und meinungsstark zu betiteln. Vorliegend kommt der charmante Umstand hinzu, dass ja die Inhalte offenbar tatsächlich authentisch sind. Solange etwa AfD-Superstar Björn Höcke nicht ernsthaft aus der Partei ausgeschlossen wird, muss sich diese dessen Äußerungen vorhalten und zurechnen lassen. Daher gibt es für eine solch prangerhafte Zusammenstellung kaum einen sarkastisch wirksameren Titel als eben wir-sind-afd.de, der im Kontext eben der Auseinandersetzung mit dieser selbst zur Provokation neigenden Partei zu sehen ist.

An dieser Stelle möchte ich dann auch eine persönliche Anmerkung zum Urteil einbringen: Es ist mir unverständlich, wie ein unabhängiges Gericht sich dazu herablassen kann, den Beklagten in der Urteilsbegründung als sogenannter Blogger zu bezeichnen. Diese herablassende Art lässt erhebliche Zweifel daran, dass hier objektiv Recht abgewogen worden ist durch die (sogenannten) vorsitzenden Richter Schwitanski, Bausch und Lerach. Es lässt ebenfalls Zweifel daran, dass die nötige Sachkenntnis über Strukturen und Konventionen des Internets vorhanden ist, um eine Abwägung aller Gesichtspunkte zu gewährleisten und somit dem Sachverhalt gerecht zu werden.

Es ist nicht zu übersehen, dass die AfD die fragliche Domain gar nicht nutzen könnte und würde. Hier geht es einzig darum, kritische, aber durch das Grundrecht geschützte Meinungsäußerungen mithilfe einer juristischen Finesse zu eliminieren. Dagegen erhebt sich zurecht die Zivilcourage. Mit dem Spendengeld hat Mattes nun die Möglichkeit, die nächste Instanz zu bemühen, was aus Sicht der Meinungsfreiheit und demokratischen Grundrodung unserer Gesellschaft sehr zu begrüßen wäre. Überschüssiges Geld soll als Spende an Flüchtlingspaten Syrien e.V. und Sea Watch e.V. gehen, was wiederum den Höckes dieser Welt erneut nicht schmecken dürfte.

Vergleichbare Fälle: Aktenordner für Dänemark

Es ist nicht das erste Mal, dass die AfD Domains auf juristischem Weg zu erstreiten versucht. Insbesondere die Aktion Aktenordner für Dänemark (kurz: AfD) hat in der Vergangenheit für viel Wirbel gesorgt. Ausgangspunkt der Episode war der Mendener SPD-Ratsherr Sebastian Meisterjahn, der sich die Rechte an den Domains afdmenden.de, afd-menden.de und alternative-fuer-menden.de sicherte, als die AfD einen Ortsverein gründen wollte. Die Aktion fand deutschlandweit zahlreiche Nachahmer. In allen mir bekannten Fällen war es wiederum die Kanzlei Höcker, die pflichtbewusst Abmahnungen in Namen der AfD versendete. Besonders anschaulich schilderte Blogger Ulrich Berens in drei Akten seinen Kampf gegen überhöhte Forderungen der Kanzlei: 1. Akt / 2. Akt / 3. Akt.

In Ostfriesland stellte sich die Situation ein wenig anders dar. Dort war es ein interner Streit, der dazu führte, dass man vergaß, die Domain afd-ostfriesland.de zu verlängern, wodurch diese schließlich von einem AfD-Gegner übernommen wurde. In den genannten Fällen liegen die Domains heute wieder bei der rechtspopulistischen Partei. Da dürfen sich Höcke und Höcker (welch schönes Wortspiel) auf die Schultern klopfen, wenngleich man konstatieren muss, dass aus rein juristischer Sicht alles korrekt abgelaufen ist, sieht man mal von den überhöhten finanziellen Forderungen Höckers ab. Dennoch glaube ich, dass diese Aktion dem einen oder anderen Aktivisten das Geld wert war. Meinen Respekt haben sie dafür.

Die massive Präsenz rechten Gedankengutes in allen medialen Formen des Internets scheint ein wichtiger Strategiepfeiler der AfD zu sein. Ich habe in den vergangenen Monaten immer wieder negative Erfahrungen machen müssen mit Anhängern und Funktionären der Partei. Mit äußerst aggressive Auftritten wurden Diskussionen immer wieder auf eine politische Ebene gezogen und somit instrumentalisiert, wobei selbst Partei-Funktionäre nicht vor Beleidigungen der Gesprächspartner zurückschreckten. Die üblichen Schlachtparolen lauten dabei wechselweise Gutmensch oder linksgrünversifft. Zu diesen Beobachtungen passt auch der Artikel der Süddeutschen Zeitung, der von einer regelrechten Manipulation der sozialen Netzwerke durch Fakeprofile berichtet. Das Internet ist für Rechtsgesinnte Schlachtfeld und manipulierendes Instrumentarium zugleich.

Eine Frage der ethischen Grundsätze

Welches Fazit kann ich ziehen? Von der AfD darf man keine ethischen Gedankenspiele erwarten. Da ist vieles auf den eigenen Vorteil ausgelegt. Ich stelle mir dabei die Frage, ob auch andere Parteien in einer solchen Lappalie wie der Website von Nathan Mattes derartige Geschütze aufgefahren hätten. Ich kann es mir nur schwer vorstellen. Die AfD lebt aber gerade davon, mit Grenzüberschreitungen einen bestimmten Ruf zu festigen. Das scheint Teil des Kalküls und der eigenen Identität zu sein. Insofern wird auch die Posse um wir-sind-afd.de keinen bleibenden Schaden bei der Anhängerschaft hinterlassen.

Anders möchte ich die Rolle der Kanzlei um den Rechtsanwalt Ralf Höcker beurteilen. Dieser ist jüngst bereits negativ dadurch aufgefallen, dass er keine ethischen Bedenken zu besitzen schien, die Mandantschaft eines Despoten wie dem türkischen Präsidenten Erdogan zu übernehmen. Dabei sollte man sich in Köln Gedanken darüber machen, ob man mit der Wahl der Klienten den eigenen Ruf nicht derart beschädigt, dass viele potentielle Kunden einen großen Bogen um die Kanzlei machen, ja sogar machen müssen. Eine Kanzlei dieses Kalibers kann es sich finanziell leisten, ethische und moralische Grundsätze in ihr Leitbild einfließen zu lassen. Auch ich habe jüngst eine solche Entscheidung getroffen, als ich als Webmaster eines Forums zurücktrat, das rassistische, fremdenfeindliche und diskriminierende Äußerungen in großer Anzahl duldete. Die gesellschaftliche Verantwortung, die eine Kanzlei wie die von Ralf Höcker trägt, ist dabei natürlich ungleich höher. Umso mehr ist zu bedauern, dass dort offensichtlich nur die Devise vorherrscht: Hauptsache der Rubel rollt.

In diesem Sinne: Alles Gute für Nathan Mattes! Unabhängig davon, wie der Rechtsstreit letztlich endet, er hat den Respekt und die Unterstützung der vielen Menschen verdient, die sich nicht abfinden wollen mit dem Weltbild, das die AfD in der Gesellschaft salonfähig machen möchte.

Weitere Infos und Kommentare finden sich bei netzpolitik.org.

Update (06.03.18): Mittlerweile kündigte Nathan Mattes an, mit dem gesammelten Geld die Berufung anzutreten. Derweil ist der nächste Fall bekannt geworden, in dem die AfD gemeinsam mit der Kanzlei Ralf Höcker gegen Kritiker der Partei vorgeht. Das Magazin der rechte rand sicherte sich vor einigen Monaten die Domain afd-im-bundestag.de. Zur Zeit leitet sie auf die Hauptseite des linken Blattes um. Die AfD fordert die Löschung der Domain. Das Magazin besteht bereits seit 1989 und hat 2001 einen Preis des von der Bundesregierung gegründeten Bündnisses für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt erhalten.

Das OLG Köln in zweiter Instanz

Update (03.10.18): Auch der Prozess vor dem OLG Köln ging für Mattes verloren. Vor dem Hintergrund der Geschehnisse der letzten Monate in Chemnitz und anderen Orten Deutschlands ist diese Entscheidung ein fatales Zeichen. Eine in großen Teilen rechtsextremistische Partei, die unserer Verfassung feindlich gegenüber steht, bekommt Unterstützung von einem hohen deutschen Gericht. Dabei ist das Urteil auch unter Juristen durchaus umstritten:

Bereits die Annahme, die äußerungsrechtlichen Interessen müssten die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausfließenden namensmäßigen Interessen der Partei AfD überragen, ist angesichts der vorliegend greifenden Vermutung zugunsten der freien Rede, vollständig verfehlt. Der gegenteilige Ansatz wäre korrekt gewesen. Es sind aber überhaupt keine erheblichen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffende Interessen der AfD daran, nicht unter einer Domain wie „wir-sind-afd.de“ kritisiert zu werden, erkennbar. Hierzu führt der Beschluss des Oberlandesgerichts auch nichts aus. Das OLG trägt auch dem Umstand keinerlei Rechnung, dass es um eine Auseinandersetzung im politischen Meinungskampf geht, die zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. In solchen Fällen ist das Gewicht der Meinungsfreiheit nämlich besonders hoch. Vorrangige persönlichkeitsrechtliche Aspekte gerade einer politischen Partei sind demgegenüber in derartigen Fällen schon kaum denkbar.

Die Entscheidung des OLG Köln ist ersichtlich rechtsfehlerhaft.

Bemerkenswert sind für mich noch zwei weitere Randnotizen des Urteils. Zum einen hat das OLG die Revision zum BGH nicht zugelassen. Somit bliebe Mattes nur noch die Verfassungsbeschwerde, um den Gang zum BGH doch noch antreten zu können. Zum anderen hat die Kanzlei Höcker, die regelmäßig und zeitnah auf der Homepage von ihren Erfolgen berichtet, bisher auf eine Berichterstattung verzichtet. Wird die Nähe zur AfD nun doch unangenehm?

Mattes ist mittlerweile mit seiner Website umgezogen: das-ist-afd.de.

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