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Westfalen im Spiegel des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster

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LWL-Museum Münster - Westfälische Tafelmalerei
Westfälische Tafelmalerei und Altarretabel um 1400

Vorstellung des Museums

Das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster besitzt einen internationalen Ruf. Insbesondere der Museumsneubau, der seit 2014 das alte Museumsgebäude von 1908 ergänzt, verhalf dem Haus, seine Sammlungen neu zu präsentieren. Mehrere Sonderausstellungen pro Jahr ziehen das kunstinteressierte Publikum weit über die Grenzen Westfalens an den Domplatz in Münster.

Zugleich sind die Bestände des Museums eng verwoben mit der westfälischen Kunst- und Kulturgeschichte. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Wurzeln des Hauses im Westfälischen Kunstverein und dem Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens liegen, die bereits um 1830 landesgeschichtliche Sammlungen aufbauten. Der Westfälische Kunstverein bemühte sich vor allem um christliche Kunst aus westfälischen Kirchen und Klöstern, die nach der Säkularisation aus ihrem alten Funktionszusammenhang herausgelöst worden war. Die Sammlung des Altertumsvereins bestand vor allem aus archäologischen Funden.

Ich möchte die Dauerausstellung des LWL-Museums daher im westfälischen Kontext vorstellen. Der chronologische Schwerpunkt des Hauses liegt dabei im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Es ist zugleich der zeitliche Rahmen, den ich hier einschlagen möchte.

Dauerausstellung

Hochmittelalter

Bereits der Einstieg in die Ausstellung könnte nicht wirkungsvoller sein. Wir betreten einen abgedunkelten Raum, dessen Zentrum ein einziges Objekt einnimmt. Ein monumentales Kruzifix (Bockhortser Triumphkreuz) aus dem späten 12. Jahrhundert verweist auf die Bedeutung des Christentums für Westfalen, das um 800 mit den Eroberungen Karls des Großen frühzeitig in dieser Region Fuß fasste. Erstmals taucht der Name „Westfalai“ im Jahre 775 in den Fränkischen Reichsannalen als Bezeichnung eines Teilstammes der Sachsen auf. Freilich haben sich aus dieser frühen Periode denkbar wenig Kultgegenstände erhalten.

Das Museum zeigt im folgenden Raum die ältesten Steinskulpturen Westfalens, drei Heiligenreliefs aus St. Mauritz in Münster aus dem späten 11. Jahrhundert. Ein als „Soester Antependium“ betitelte Bildtafel aus der Soester Walburgiskirche gilt als ältestes erhaltene Holztafelbild nördlich der Alpen. Es entstand um 1170/80 und dürfte weniger als Antependium als vielmehr als Altaraufsatz gedient haben.

Klein- und Glaskunst

Der folgende Raum ist zahlreichen liturgischen Kunstgegenständen gewidmet, die aus Gold, Silber und Elfenbein gearbeitet sind. Zu sehen sind vor allem Ziborien, Weihrauchfässer und Elfenbeintäfelchen von größter künstlerischer Anmut. Auch wenn diese künstlerisch vielfach im Rheinland oder in Nordfrankreich zu verorten sind, so sind sie auch in großer Zahl in Westfalen im Gebrauch gewesen. Darüber hinaus sind liturgische Gewänder des Mittelalters ausgestellt.

Farbenprächtig präsentieren sich die Objekte des nächsten Raumes. Die lichtdurchtränkte sakrale Glasmalerei veranschaulicht die Herrlichkeit Gottes wie keine andere Kunsttechnik. Die Beispiele in der Ausstellung stammen aus dem 12. bis 16. Jahrhundert und sind überwiegend rheinischer Provenienz. Die Darstellungen auf den Scheiben zeigen vor allem Heilige, Ritter und biblische Szenen und bilden mit ihrer außergewöhnlichen Qualität einen guten Überblick über das Kunstschaffen der mittelalterlichen Glasmalerei. Höhepunkt sind die Scheiben des Meisters Gerlachus, der sie um 1170 für die Prämonstratenserabtei Arnstein an der Lahn schuf.

LWL-Museum Münster - Glasmalerei
Glasmalerei des Spätmittelalters

Skulptur und Malerei um 1400

Das Spätmittelalter war eine Hochzeit des künstlerischen Schaffens, nicht zuletzt aufgrund eines regen Austausches über regionale Grenzen hinaus. Um 1400 entwickelte sich der Weiche Stil. Auch Westfalen hatte seinen Anteil an der Entwicklung. Es entstanden Kunstwerke internationalen Ranges. Unzählige Altarretabel wurden vor allem im 15. und frühen 16. Jahrhundert geschaffen. Die Anfänge des Flügelaltars lagen aber bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts und standen in dieser frühen Entwicklungsphase häufig mit der Aufbewahrung von Reliquien in Verbindung. In der Ausstellung zeigen zwei Schreinkästen vom ehemaligen Hochaltarretabel aus der Stiftskirche in Varlar aus der Zeit um 1380/90 diesen Typus.

Die Altaraufsätze konnten aber nicht nur mit Skulpturen, sondern auch mit Tafelbildern besetzt sein. Einer der bedeutendsten westfälischen Künstler jener Zeit war Conrad von Soest, der um 1400 in Dortmund wirkte. Von seinen wenigen erhaltenen Tafelbildern stehen nur vereinzelte im LWL-Museum, doch hatte seine Kunst erheblichen Einfluss auf die Malerei des 15. Jahrhunderts in Westfalen und Norddeutschland gehabt und lebt somit in den vielen ausgestellten Altären und Tafeln weiter. Beachtenswert sind in diesem Kontext die Werke des Meisters des Fröndenberger Altars und des Meisters des Schöppinger Altars.

LWL-Museum Münster - Meister von Schöppingen - Halderner Retabel
Meister von Schöppingen, Halderner Retabel, um 1440/50

Besonders wirkungsvoll ist der Kopfraum des Museumsflügels gestaltet. In ihm ist eine Szenerie aus einer monumentalen Skulpturengruppe aufgebaut, die Maria und zehn Apostel vom Westportal der Liebfrauen-Überwasserkirche in Münster zeigt. Die um 1370 in Flandern oder dem Maasgebiet entstandenen Figuren stellen ein herausragendes Ensemble hochgotischer Bildhauerkunst dar. 1534 durch die Wiedertäufer zerschlagen und vergraben, wurden sie erst 1898 wiederentdeckt.

LWL-Museum Münster - Skulpturengruppe Überwasserkirche Münster
Skulpturengruppe von der Überwasserkirche in Münster, um 1370

Mariendarstellungen

Die Mutter Jesu ist eine der am häufigsten dargestellten biblischen Gestalten, insbesondere in der Bildhauerkunst. Es haben sich zahlreiche Darstellungstypen entwickelt, die jeweils spezifische Merkmale Marias hervorheben. Zu den beliebtesten gehört die sitzende Maria mit Kind auf dem Arm oder die trauernde Gottesmutter mit dem toten Christus im Schoß (Vesperbild, Pietà). Aber auch Andachtsbilder wie der Schmerzensmann waren in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit verbreitet.

Das LWL-Museum zeigt eine Vielzahl thronender Madonnen aus dem westfälischen Kunstkreis, deren ältesten in die Mitte des 13. Jahrhunderts zu datieren sind. Eines der ausdruckstärksten ausgestellten Werke im Kontext der Mariendarstellungen ist die um 1380 zu datierende „Unnaer Pietà“. Schönheit und Schmerz Mariens sind hier vollkommen in einem Gesicht vereint. Menschliche Knochen kennzeichnen den Hügel Golgatha. Mit ihrem linken Fuß tritt Maria auf einen Schädel und besiegt den Tod durch das Erlösungsopfer Christi.

Die Spätgotik am Übergang zur Renaissance

Vorbilder in der altniederländischen Kunst

Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ist in Westfalen eine Hinwendung zur altniederländischen Kunst Flanders und Burgunds mit ihrem zunehmenden Realismus und Naturalismus zu beobachten. In diesem Zusammenhang lenkt die Ausstellung den Blick auf das Kloster als Kunstort. Vorgestellt werden die Klöster in Marienfeld, Liesborn und die Kartause Marienburg bei Dülmen, die im späten 15. Jahrhundert eine umfangreiche Neuausstattung erhalten haben.

Künstler wie Johann Koerbecke, Heinrich und Johann Brabender, Evert van Roden, Derick und Jan Baegert, Judocus Vredis oder der Meister von Liesborn prägten das westfälische Kunstschaffen am Ausgang des Mittelalters und zum Übergang in die Renaissance. Das LWL-Museum zeigt einen umfangreichen Überblick über deren Werke in verschiedensten Kunstgattungen von der Malerei bis zur Bildhauerkunst. Vor allem die Stadt Münster kristallisiert sich als ein künstlerisches Zentrum mit zahlreichen renommierten Werkstätten heraus. Auf der anderen Seite gingen viele Werke im Bildersturm des Münsteraner Wiedertäuferreiches 1534/35 verloren oder wurden stark beschädigt, sodass manches Œu­v­re nur noch fragmentarisch überliefert ist.

Werkstätten und Künstlerfamilien

Ich möchte einige Werke der Ausstellung herausgreifen, die eine besondere Qualität offenbaren: Johann Korbecke schuf um die Mitte des 15. Jahrhunderts mehrere Bildtafeln für das Hochaltarretabel der Zisterzienserklosterkirche Marienfeld, in denen sich der Einfluss altniederländischer Malerei deutlich ablesen lässt. Das LWL-Museum besitzt zudem den größten Bestand an Werken des Malers Derick Baegert und seines Sohnes Jan aus Wesel am Niederrhein. Ihre erfolgreiche Werkstatt lieferte auch nach Westfalen. Von Evert van Roden stammt das um 1520/25 aus Bamberger Sandstein geschaffene Antoniusretabel vom ehemaligen Lettner in Marienfeld.

Ebenfalls aus Bamberger Sandstein hergestellt ist Johann Brabenders Kreuzaltarretabel aus dem Dom in Münster mit der Darstellung der Kreuzigung Christi, datiert um 1540. Nur wenige Jahre später erstellte der gleiche Künstler eine Figurengruppe mit dem Sündenfall am Paradiesportal des Domes. Die Körperdarstellung der nackten Gestalten Adams und Evas und eines Puttos am Baum der Erkenntnis offenbaren den letzten Schritt zu einem antikisierenden Kunstideal, das die Renaissance in Westfalen einleitete.

Reformation und Gegenreformation

Das mittlere 16. Jahrhundert stand im Zeichen der Neuausstattung der Klöster und Kirchen in Münster nach dem Bildersturm der Wiedertäufer. Mit der Renaissance rückten aber auch neue Bildthemen in den Mittelpunkt. Christlichen Darstellungen wichen zunehmend weltlichen Motiven wie Portrait und seit dem 17. Jahrhundert Landschaftsmalerei und Stillleben. Ausschlaggebend dafür war das Repräsentationsbedürfnis adeliger und das neue Selbstverständnis bürgerlicher Auftraggeber sowie die Vorbildwirkung der Niederlande. Gleichzeitig traten die Künstler selbstbewusst aus der im Mittelalter vorherrschenden Anonymität und schufen erste Selbstbildnisse. Mit der Gegenreformation, die in Westfalen gegen Ende des 16. Jahrhunderts Einzug hielt, erlebten biblische Themen eine Renaissance.

LWL-Museum Münster - Familie tom Ring
Portaitmalerei aus der Werkstat der Familie tom Ring

Eine der führenden Malerwerkstätten in Münster gehörte der Familie tom Ring. Die Ausstellung zeigt zahlreiche Werke des Malers Ludger tom Ring d. Ä. und seinen beiden Söhnen Hermann und Ludger. Zu den bemerkenswertesten Werken gehört das 1564 von Hermann tom Ring geschaffene Gruppenbildnis der gräflichen Familie von Rietberg. Es ist von der Witwe des Grafen Johann II. von Rietberg nach dessen Tod in Auftrag gegeben worden mit der Intention, sozialen Stand, Reichtum und Bildung der Familie zu demonstrieren.

LWL-Museum Münster - Hermann tom Ring - Gruppenbildnis der gräflichen Familie von Rietberg
Hermann tom Ring, Gruppenbildnis der gräflichen Familie von Rietberg, 1564

Wohnkultur und Sammlungen

Auch die Wohnkultur zeigte seit dem 16. Jahrhundert in adeligen und bürgerlichen Kreisen einen bis dato unbekannten Reichtum. Vor allen die Fürstenhäuser begannen, Kuriositäten, exotische Objekte, Kostbarkeiten und Kunstwerke zu sammeln. Es war die Geburtsstunde der Kunst- und Wunderkammern. Im Barock resultierten daraus umfangreiche Galerien, die später zur Grundlage der ersten Museumsgründungen wurden.

In diesem Kontext ist auch der in der Ausstellung zu bewundernde Kabinettschrank (Wrangelschrank) zu sehen, der 1566 in Augsburg entstand und mit kunstvollen Intarsien aus verschiedenartigen Hölzern besetzt ist. Er gehört zu den herausragenden Objekten der Sammlung und ist zugleich einer der prachtvollsten Kabinettschränke des 16. Jahrhunderts. Ein weitere Blickfang der Ausstellung ist der Kamin aus dem Hause des Hofrates Zurmühlen aus Münster, datiert auf das Jahr 1700. Im 18. Jahrhundert orientierte man sich in Westfalen gerne an der französischen Adelskultur, sodass es nicht verwundert, in der Sammlung einen Zyklus aus sechs Tapisserien vorzufinden, die aus der Hand des Gobelinwirkers Jacques Destombe aus Lille stammten.

LWL-Museum Münster - Wrangelschrank
Wrangelschrank, Augsburg, 1566

Empfehlung

Eigentümlicherweise habe ich zwei Anläufe gebraucht, bis mich das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster in seinen Bann zog. Dabei besitzt das Haus mit einem modernen Erweiterungsbau, attraktiven Sonderausstellungen und einem mittelalterlichen Schwerpunkt alle Voraussetzungen, die ich zu schätzen weiß. Insbesondere der starke Regionalbezug zum geschichtsträchtigen Westfalen und zur Stadt Münster verleihen der Dauerausstellung eine wohltuende Fokussierung.

Bedeutet dies, dass das Haus für Freunde jüngerer Kunstepochen keine Empfehlung ist? Nein, denn ein weiterer Schwerpunkt des Museums besteht in der klassischen Moderne und der Gegenwartskunst. Zusammen mit den zahlreichen hochkarätigen Sonderausstellungen lockt es zu mehrfachen Besuchen, die im Zusammenspiel mit der LWL-Museumscard bemerkenswert kostengünstig sind. Neugierig gemacht?

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