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Urlaub in der schwedischen Einsamkeit
Gebucht hatten wir unser Ferienhaus bei Novasol bereits im Dezember letzten Jahres – wie immer, wenn es uns in unser liebstes Reiseland Schweden zieht. Doch bereits Ende Februar ahnte ich, dass dieses Jahr alles anders werden könnte – nicht nur das Reisen. Und Corona brachte die Unsicherheit, ob dieses Jahr überhaupt an Urlaub zu denken sein würde.
Mit dem Lockdown schlossen auch die Grenzen. Nachdem sich die erste Panik bei den Menschen gelegt hatte und sich nach und nach in der Virologie herauszukristallisieren schien, welche Verhaltensweisen für die Vermeidung einer Infektion förderlich waren und welche nicht, fasten wir den Entschluss, unseren Urlaub in Schweden im Juni anzutreten, wenn dies irgendwie möglich sein würde.
Zumal: Wir hatten den Urlaub bereits bezahlt und Novasol sah sich als Ferienhausvermittler auch nicht als Anbieter von Pauschalreisen. Dies machte eine Rückerstattung der geleisteten Zahlung trotz der bis zum 15. Juni geltenden weltweiten Reisewarnungen ohne Rechtsstreit unmöglich. Unzählige Kunden von Novasol und anderen Ferienhausanbietern ereilte das gleiche Schicksal.
Schweden ging in der Coronakrise den vielbeschworenen Sonderweg. Der erlaubte es, Grenzen offen zu halten und das gesellschaftliche Leben maßvoll einzuschränken, forderte aber auch mehr Infektionen und Tote im Verhältnis zur Einwohnerzahl gegenüber Deutschland. Doch in einer Waldhütte in den schwedischen Wäldern mit einem Programm aus Wandern, Fahrradfahren, Kanutouren und dem Besuch einsamer Schlösser und Kirchen hatten wir gewiss weitaus weniger Kontakt zu Menschen als hierzulande zu erwarten.
Dänemark und seine Grenzen
Unser Problem: Dänemark hielt die Grenzen dicht – zunächst bis zum 10. Mai, dann auf unbestimmt verlängert. Und das galt auch für den Transit, aber paradoxerweise nicht für den Rückweg nach Deutschland. Damit blieb uns der übliche Weg nach Schweden über die Brücken am Öresund und den Großen Belt versperrt. Die Alternative über die teilweise noch fahrenden Fähren direkt aus Deutschland schlossen wir zunächst aus. Das Infektionsrisiko bei hunderten Menschen, die viele Stunden auf einer Fähre eingeschlossen sind, erschien uns einfach zu hoch.
Für den 15. Mai kündigte Deutschland erste Lockerungen an der dänischen Grenze an, setze sie aber nicht um, weil sich Dänemark in der Frage nicht bewegte. Die Minderheitsregierung unter Mette Frederiksen geriet aufgrund ihrer Abschottungspolitik im Inland und im Ausland immer mehr unter Druck. Am 20. Mai dann ein Verhandlungsmarathon, an dessen Ende wieder nur die Ankündigung weiterer Ankündigungen bis spätestens zum 29. Mai stand.
Uns lief die Zeit davon. Kaum noch zwei Wochen bis zur Anreise! Vorfreude auf die Reise in unser bezauberndes Schweden wollte sich so gar nicht einstellen. Dann kam ganz überraschend die erlösende Nachricht am 25. Mai: Ab sofort sei der Transit für Schwedenurlauber durch Dänemark wieder möglich. Endlich, denn wir hatten uns zwischenzeitlich aus Verzweiflung doch mit einer direkten Fährpassage abgefunden – trotz höherer Preise, ungünstiger Fährzeiten und des erhöhten Infektionsrisikos.
Novasol lässt uns warten
Und was machte Novasol in der Zwischenzeit? Am 20. April erhielten wir eine E-Mail, in der man uns anbot, unser Ferienhaus auf das nächste Jahr umzubuchen. Das Angebot galt genau 10 Tage, in denen wir dann alle Planungen in trockene Tücher bringen sollten, inklusive Urlaubszusage vom Arbeitgeber. Und natürlich hätten wir einen eventuell höheren Saisonpreis bezahlen sollen, während ein günstigeres Angebot nicht ausbezahlt würde. Was für ein Kuhhandel!
Ein telefonisches Durchkommen bei Novasol war unmöglich. Mehrere Versuche mit nicht endend wollenden Zifferneingaben brachen stets mit dem Hinweis ab, man sei von Anrufen überlastet und der Kunde solle es in den nächsten Tagen wieder versuchen oder mailen. Also mailen, da die Frist drängte! Ich bat darum, die Frist zu verlängern, weil zu diesem Zeitpunkt die Hoffnung bestand, dass Dänemark im Mai die Grenzen öffnen würde. Für den alternativen Weg hatten wir beim Arbeitgeber eine Zusage für den Urlaub 2021 eingeholt. Allerdings mussten wir uns da auf einen Zeitraum festlegen; Spielräume existierten nicht.
Die Antwort von Novasol ließ 18 Tage (!) auf sich warten – wir zählten bereits den 18. Mai – und war ernüchternd: Unser Ferienhaus wäre für 2021 noch gar nicht freigegeben. Wir hätten nun 2 Tage (!) Zeit, uns ein anderes auszusuchen. Und die Antwort darauf würde dann wieder 18 Tage brauchen? Das war dann wohl auch der Zeitpunkt, an dem wir gezwungenermaßen beschlossen, trotz aller Bedenken die Fähre zu wählen und den Urlaub in diesem Jahr anzutreten. Danke für nichts, Novasol! Als langjährige Kunden werden wir uns in den nächsten Jahren gründlich nach Alternativen umschauen.
Quarantäne oder doch nicht?
Kein Tag ohne neue Verordnung
Und dann folgte noch das politische und juristische Hickhack um die Quarantäne-Bestimmungen. Mitte Mai hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die pauschale Verordnung des Landes Niedersachsen für unzulässig erklärt. Damit stand auch der unproblematischen Rückkehr aus Schweden nichts mehr im Wege.
Doch das Land Niedersachsen erließ während unseres Aufenthaltes in Schweden eine neue Verordnung, mit der sie die 14-tägige Quarantäne für Schwedenrückkehrer wieder in Kraft setzte. Andere Bundesländer folgten, wieder andere nicht, weil sie keine Notwendigkeit darin sahen. In Schleswig-Holstein stoppte ein Gericht auch die neue Verordnung nur wenige Tage nach Inkrafttreten. Dort durfte man fortan einen Coronatest statt Quarantäne wählen. Andere Bundesländer zogen nach, manche aber erst viel später oder gar nicht. Fast täglich ein neuer Stand!
Undifferenzierte Bestimmungen
Überblick verloren? Wir auch. Daher haben wir irgendwann beschlossen, unsere Urlaubszeit weiterhin zu genießen und uns nicht täglich durch den Dschungel widersprüchlicher Nachrichten zu quälen. Wir wollten schauen, wie sich die Situation bei unserer Rückkehr darstellen würde.
Ein kleiner anekdotischer Irrsinn am Rande: Ich kenne nur wenige Kilometer von unserem Wohnort entfernt Straßenzüge in Osnabrück, bei denen die eine Straßenseite in Quarantäne gemusst hätte, die Nachbarn auf der anderen aber nicht. Dieses politische Kompetenzgerangel gipfelt in dem Umstand, dass die WHO den Weg Schwedens in der Coronakrise ausdrücklich als vorbildhaft bezeichnet. Transparenz, Gesundheit und gesunder Menschenverstand bleiben dabei auf der Strecke.
Ich möchte nun an dieser Stelle nicht die müßige Diskussion eröffnen, ob Schweden den richtigen Weg in der Pandemie eingeschlagen hat. Man erlaube mir aber, auf den undifferenzierten Umgang der deutschen Behörden mit Reiserückkehrern aus Schweden hinzuweisen:
- Zum einen gibt und gab es in Schweden enorme regionale Unterschiede bei der Ausbreitung des Virus.
- Zum zweiten ist es ein elementarer Unterschied, ob man seine Zeit in der schwedischen Wildnis oder in den Straßen, Cafés und Geschäften von Stockholm verbracht hat.
- Und zum dritten ist der temporäre Anstieg der Infektionszahlen im Land durch einen einfachen Umstand zu erklären: Schweden hatte zu Beginn unseres Urlaubs eine Regelung eingeführt, zu der man sich in Deutschland bis heute nicht durchringen konnte: den kostenlosen Coronatest für jedermann, auch ohne Symptome. Dem dadurch resultierenden kurzen Anstieg der Fallzahlen im Juni folgte daher auch wieder ein rasantes Sinken.
Ein überfordertes Gesundheitsamt
Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende erzählt. Eine überforderte Hotline des Gesundheitsamtes erzählte uns nach unserer Rückkehr, wir müssten uns in Quarantäne begeben. Dazu sollten wir auf einer Website ein Formular ausfüllen. Fertig! Danach würden wir nie wieder etwas von der Behörde hören. Angesprochen auf den Umstand, dass das Meldeformular aber besage, dass wir uns gerade eben nicht zu melden hätten, hieß es lapidar, dass dies veraltete Informationen seien.
Wie bitte? Veraltete Informationen zwei Wochen nach Inkrafttreten der Verordnung? Bei einem solch einschneidenden Grundrechtseingriff und in einer Pandemie-Situation? Die falschen Informationen blieben auch noch längere Zeit nach unserem Hinweis unverändert stehen – versteht sich. Es gab eine eigens dafür eingerichtete E-Mail-Adresse als Beschwerdestelle. Eine Antwort auf unsere Anfrage erfolgte allerdings erst nach über 14 Tagen – auf unsere erneute Nachfrage hin, ob man die doch dringenden Probleme aussitzen möchte. Muss man diese Vorgänge jetzt als Inkompetenz, Fahrlässigkeit oder einfach nur Sorglosigkeit einstufen?
Und noch eine Anmerkung sei mir gestattet: Die Hotline verkündete, dass Niedersachsen nun seit wenigen Stunden ebenfalls die Befreiung von der Quarantäne mit einem negativen Coronatest anerkenne. Die 150 € dafür müsse man allerdings selbst tragen. Anders ausgedrückt: Wir waren genügend verdächtig, infiziert zu sein, um uns in Quarantäne zu schicken, aber nicht genug, um die Kosten für den Test zu übernehmen. Und: Das Gesundheitsamt zahlt lieber 14 Tage Verdienstausfall, als einmalig 150 € zu investieren. Das nenne ich doch verantwortungsvollen Umgang mit unseren Steuergeldern! Mir tut der Hals schon vor lauter Kopfschütteln weh.
Rechtliche Auseinandersetzung
Update (10.05.23): Aber es kam noch dreister: Der Landkreis Osnabrück und das Land Niedersachsen weigerten sich, dem Arbeitgeber meiner Frau die Kosten für ihren Dienstausfall zu erstatten, obwohl dies nach §56 IfSG so vorgesehen war. Die lapidare Begründung dazu hieß: eigenes Verschulden. Dazu muss man wissen, dass das zuständige Ministerium in Niedersachsen die Absonderungspflicht erst erließ, als wir bereits in Schweden weilten.
Nach fast drei Jahre Stillstand in dieser Sache hat das Verwaltungsgericht Osnabrück dem Land Niedersachsen diese Auslegung nun vor einigen Tagen schallend um die Ohren gehauen. Ein Vertreter des Ministeriums ist erst gar nicht zur Verhandlung erschienen. Es war doch zu offensichtlich, dass man auf dreiste Art und Weise versuchte, Bürger zu übervorteilen. Gut, dass sich der Arbeitgeber meiner Frau dies nicht bieten ließ – weniger gut, dass der Steuerzahler für den überflüssigen Prozess aufkommen muss.
Urlaub mit Beigeschmack
So endete ein wirklich schöner Urlaub in der schwedischen Natur mit einem höchst überflüssigen Beigeschmack. In zwei Wochen in der nordischen Pampa begegneten wir so vielen Menschen wie bei einem einzigen Einkauf hierzulande bei Edeka. Ein Infektionsrisiko bestand für uns in Schweden faktisch nicht. Während man also Rückkehrer aus der schwedischen Einsiedelei akribisch verfolgte, verstießen gleichzeitig Party-Urlauber gegen Corona-Bestimmungen auf Mallorca. Der Verlust des Augenmaßes bei der Pandemiebekämpfung ist mit dieser Gegenüberstellung kaum deutlicher zum Ausdruck zu bringen.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Wir haben es auch einer umsichtigen Politik zu verdanken, dass Deutschland in dieser Pandemie bisher so glimpflich davongekommen ist. Manche Entscheidung im Detail lässt aber dann doch am Sachverstand der Entscheidungsträger zweifeln. Das gilt sowohl für die widersinnigen Quarantäneregeln – garniert mit Falschinformationen und rechtswidrigen Verordnungen – als auch für geschlossene Grünabfallplätze und Autowaschanlagen in unserem Landkreis. Viele davon hatten nur einige Tage (sogar Stunden!) Bestand oder wurden von Gerichten als unzulässig außer Kraft gesetzt. So schafft man kein Vertrauen, sondern Verdruss!
Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Die Unsicherheiten, die mit den Reisen nach Schweden verbunden waren, haben dazu geführt, dass wir in diesem Jahr eine Umbuchung auf Dänemark vorgenommen haben. Zwei Tage vor Reiseantritt wurde Schweden als „Risikoland“ vom Auswärtigen Amt von der Liste genommen. Mir hat es im Herzen weh getan, dass wir in diesem Jahr nicht unser geliebtes Ferienhaus in Smaland besuchen konnten.
Das kann ich absolut verstehen. Für uns ist es immer wieder eine Erholung für die Seele, nach Schweden zu reisen. Ich werde in den nächsten Monaten noch weitere Reiseberichte zu Schweden veröffentlichen. Einige sind hier schon online.
Bis auf die Tatsache, dass wir mit der Fähre gefahren sind (allerdings in einer Kabine, die Gemeinschaftsflächen haben wir gemieden), haben wir wohl miteinander den selben Urlaub und das selbe Chaos erlebt!
Willkommen im Club! 🙂
Wir kommen allerdings aus BaWü. Unser Bundesland hat nicht so schnell laut gebellt, wie die anderen von Dir erwähnten Länder. Nachdem wir am Samstag wieder in D waren, könnten wir bis Dienstag Abend normal leben, zur Schule, ins Fußballtraining gehen, usw. Dann kam am 16. 6. die neue Verordnung: Schweden ist Risikoland, alles Rückkehrer ab in Quarantäne!
Am Mittwoch habe ich von 8:00 – 12:30 Uhr dem für uns zuständigen Menschen hinterhertelefoniert, damit er uns in Quarantäne steckt.
Gleichzeitig die Info- Nein! Ein negativer Test verkürzt NICHT die Quarantäne!
… es kam das Wochenende, es wurde Montag, Dienstag und auf MEINE Nachfrage hin erfuhr ich Abends: ein negativer Test verkürzt ab sofor sehr wohl die Quarantäne!
Aber bitte selber zahlen!
Am Mittwoch Telefonat mit unserem Hausarzt (Nachmittags gegen 15 Uhr rief er endlich zurück!). Ja! Wir können uns gerne beiihm testen lassen, aber erst morgen!
Tja, wer mitgezählt hat, … der Test wäre am Donnerstag gemacht worden, pP. Für 160 Euro. Quarantäne endete am Freitag 0:00 Uhr.
3x raten was wir gemacht haben 😝
Und weißte was?
Trotz dem Drama drumherum: ich bin froh, dass wir in Schweden waren! Wir hatten einen wundervollen Urlaub!
Euer Beispiel veranschaulicht, dass die Überforderung der Gesundheitsämter offensichtlich kein Einzelfall ist.
Und ja, wir würden es jederzeit auch wieder so machen. Der Urlaub war grandios und die Schweden sehr entspannt, aber diszipliniert. Wir haben uns jederzeit sicher gefühlt.