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Selbständig in der Kulturbranche: wie Corona den Alltag verändert

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Alltag während Corona

Es ist Pandemie!

Es war Ende Februar – die Politik spielte noch die Gefahr des Coronavirus herunter – als ich zu ahnen begann, was uns in der Sache bevorsteht. Gerade hatte ich meine zweijährige Konsolidierungsphase als Selbständiger hinter mir gelassen und erstmals eine positive Jahresprognose aufgestellt, da wurde ich auch schon wieder ausgebremst. Durch eine Pandemie!

Ich arbeite zwar mit und in der Kulturbranche, indem ich mich als Webdesigner und neuerdings auch mit Dienstleistungen im Online-Marketing ausschließlich an Kunden rund um Museen und Kultureinrichtungen wende, aber genau das hat mir in der Coronakrise im Gegensatz zu vielen anderen selbständigen Kulturschaffenden (bisher) den Hals gerettet. Die Einnahmeverluste durch wegbrechende Aufträge hielten sich einigermaßen in Grenzen. Langfristige Projekte werden mir zumindest dieses Jahr das Überleben sichern. Wie schlecht es allerdings in den kommenden Jahren um Kultur bestellt sein könnte, schildert das Handelsblatt am Beispiel einiger Museen. Nun aber genug gejammert!

Zeitpläne für den Papierkorb

Das erste, was ich von Corona spürte, war der Wirbel, der durch meine langfristigen Planungen wehte. Tagungen, Vorträge und Seminare wurden abgesagt oder verschoben. Zeitpläne, die ich mit meinen Kunden kurz zuvor für Projekte aufgestellt hatte, waren plötzlich Makulatur. Ihnen mitzuteilen, sie mögen jetzt doch bitte früher in bestimmte Arbeitsschritte einsteigen, war nicht ganz einfach.

Auch meine übliche Tagesstruktur kam mächtig ins Wanken. Ab Mitte März war kein Fitnessstudio mehr geöffnet. Da ich aber die Bewegung als Ausgleich für meinen Schreibtischjob dringend benötige, blieb nur, die Outdoor-Saison mit dem Fahrrad dieses Jahr früher zu beginnen. Niedrigere Temperaturen und der frühe Sonnenuntergang zwangen mich aber, den einen oder anderen Arbeitstag bereits um 15 Uhr enden zu lassen. Das wurde erst im Laufe des Aprils besser.

Und dann ist da noch der Umstand, dass meine Frau jetzt jeden Abend und jedes Wochenende zu Hause ist, weil sowohl Chorgesang als auch Konzertkritiken zurzeit auf null gefahren sind. Ich genieße das wirklich, weil wir so viel Zeit miteinander verbringen wie seit Studienzeiten nicht mehr. Aber auf der anderen Seite habe ich die „sturmfreie“ Bude zuvor häufig für diesen Blog oder Social-Media-Aktivitäten genutzt, was beides Bestandteil meines eigenen Online-Marketings ist. Auch damit musste ich umzugehen lernen.

Homeoffice mit Hindernissen

Nun ist ja Homeoffice bei mir auch in normalen Zeiten die Regel. Dass aber viele unserer Nachbarn Lehrer sind und während des Lockdowns mehr Zeit zu Hause verbrachten, barg vor allem im April Konfliktpotenzial. Die Nachbarn rechts legten sich nur zehn Meter von meinem Arbeitszimmer entfernt ein Hühnergehege an. Frisch eingezogen ist dann auch noch eine Hundemeute, die bei jeder Person, die an dem Grundstück vorbei ging, anschlug – bis in den späten Abend hinein. Die Nachbarn gegenüber besitzen eine Hündin, die ähnlich reagiert und dabei Fahrradfahrer, die in die Siedlung fahren, manchmal derart erschrickt, dass diese laut fluchend den Sturz gerade noch verhindern können.

Ich kam mir eine Zeit lang vor wie in einem Großraumbüro. Zwanzig Mal am Tag läutete das Telefon rechts (Hunde), zehn Mal gegenüber (Hündin), dazwischen zwei Stunden aufgeregte Gespräche (Hühnergegacker). Einziges Gegenmittel: Lautes Heavy Metal, womit ich sogar produktiver arbeitete als mit Hund und Huhn, mir dafür abends aber der Kopf dröhnte. Positiver Nebeneffekt: Ich entdeckte meine Musiksammlung aus früheren Tagen wieder. Beruhigend, dass auch andere Nachbarn die tierische Lautstärke als so problematisch empfanden, dass wir gemeinsam das Gespräch suchten. Die Nachbarn rechts zeigten sich sehr verständnisvoll und haben das Problem mittlerweile überwiegend im Griff. Gegenüber bemüht man sich zumindest. Arbeiten bei gekipptem Fenster ist wieder möglich. Heavy Metal muss nur noch selten herhalten.

Wir sind privilegiert

Ihr habt es sich schon bemerkt: Ich jammere auf hohem Niveau. Wenn mir wegen Corona die Decke auf den Kopf fällt, dann setze ich mich mit einem Cappuccino in den Garten der Doppelhaushälfte, in der wir leben, oder fahre mit dem Fahrrad einfach ins Grüne. Bei einem Ort mit rund 3000 Einwohnern ist die Natur sehr nah. Ich muss mir auch keine Gedanken über geschlossene Spielplätze, Kitas oder Schulen machen oder darüber nachdenken, wie ich Kinder mit Homeoffice vereinbare. Meine finanziellen Verluste durch die Coronakrise sind zwar messbar, aber bisher durch Rücklagen abzufangen. Andere hat es weitaus schwerer getroffen.

Meine einzige Sorge – und die wäre dann aber doch existenzieller Natur – ist, dass die Kulturbranche mittelfristig so sehr angeschlagen ist, dass ich es in den kommenden Jahren in den Auftragsbüchern deutlich zu spüren bekomme. Hinzu kommt, dass meine Frau bei einem Kulturveranstalter – in der Coronakrise eine denkbar ungünstige Kombination – arbeitet. Für dieses Jahr ist der Betrieb nach einigen Wochen durchgestandener Ungewissheit nun gesichert. Aber wie wird es weiter gehen mit Kultur und Veranstaltungen? Wann wird ein Betrieb ohne Einschränkungen und damit ohne Einnahmeverluste wieder möglich sein? Wie viele Kulturträger wird es bald nicht mehr geben? Die Unsicherheit wird noch lange bleiben, so fürchte ich.

Dieser Blogbeitrag entstand als Teil der Blogparade #KulturAlltagCorona in Kooperation mit Kultur hoch N.

Ein Kommentar zu “Selbständig in der Kulturbranche: wie Corona den Alltag verändert

  1. Guten Tag Damian Kaufmann, obwohl der Beitrag mit Humor und Charme die Zeit während der Pandemie gut widerspiegelt, ist doch der „Ernst der Lage“ deutlich spürbar. Nicht nur die Auswirkungen im kulturellen Bereich sind nachvollziehbar, sondern auch die Veränderungen im zwischenmenschlichen Bereich. Das private Miteinander erfordert ein Umdenken und eine erhöhte Kompromissbereitschaft und ist auch im Arbeits-Alltag notwendig. Aus Ihren bisherigen Beiträgen habe ich herausgelesen, dass die Kulturbranche innovative Wege sucht und auch geht. Wir alle hoffen trotzdem wieder auf mehr Normalität im Leben. Stellt sich die Frage, wann diese eintritt und was jeder Einzelne als seine Normalität betrachtet.

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