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Handwerk und Technik im Westfälischen Freilichtmuseum Hagen

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Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Hammerwerke im Mäckingerbachtal
Hammerwerke im Mäckingerbachtal im Bereich C des Freilichtmuseums

Technikgeschichte in Westfalen

Das Westfälische Freilichtmuseum in Hagen ist ein ungewöhnliches seiner Art. Im Mittelpunkt stehen hier nicht das Leben und die Architektur einer bäuerlichen Gesellschaft wie in vielen anderen Freilichtmuseen, sondern Handwerk und Technik. Es ist also zugleich ein technikhistorisches Museum. Zu sehen bekamen wir daher bei unserem Rundgang durch das Gelände vor allem Wirtschaftsgebäude, Handwerk und Anlagen der frühen Industrialisierung. Ziel des Museums ist es, eine übergreifende Kulturgeschichte von Technik und Handwerk des 18. und 19. Jahrhunderts in Westfalen darzustellen. Wo sonst bietet sich so ein thematischer Schwerpunkt mehr an als im Ruhrgebiet mit seiner Industriegeschichte?

Das LWL-Museum liegt im Tal des Mäckingerbachs, umgeben von Hügeln und Bergen. Entsprechend langgestreckt präsentiert sich der Weg durch die Gewerbelandschaft. Er führt entlang des Bachlaufs bergauf und kulminiert schließlich in einer Dorfsituation mit zusammengetragenen Fachwerkbauten aus diversen westfälischen Ortschaften. Hervorzuheben ist neben einigen Dauerausstellungen vor allem, dass dabei zahlreiche Betriebe auch in Funktion zu sehen sind.

Zur besseren Orientierung sind die Bauten auf dem Museumsgelände in vier Blöcke – beginnend mit dem Bereich D – unterteilt, durch die auch bestimmte Schwerpunkte im Handwerk gekennzeichnet werden. Ich möchte mich daher mit meinen Beschreibungen ebenfalls an dieser Struktur orientieren.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Lohmühle
Die Lohmühle – das erste historische Gebäude auf dem Rundgang

Der Rundgang

Bereich D: Messing- und Kupferverarbeitung

Vorbei am neuen Besucherzentrum führt uns der Weg ein gutes Stück durch die Natur, bevor wir auf eine Lohmühle treffen. Ihre exponierte Lage ist der Geruchsbildung geschuldet, die regelmäßig bei der Gewinnung der Lohe und dem anschließenden Gerben von Tierfellen entstand. Schließlich erreichen wir die erste geschlossene Häusergruppe, die sich um einen kleinen Dorfplatz mit einem Friseursalon gruppiert. Der Bereich D steht aber vor allem im Zeichen der Messing- und Kupferverarbeitung. Eine Kuhschellenschmiede aus dem Siegerland verdeutlicht die Bedeutung dieses Handwerks für die Weidewirtschaft, gerade im unübersichtlichen hügeligen Terrain.

Im Messingstampfhammer aus Iserlohn wird mit digitaler Unterstützung der Vorgang der Blechprägung erläutert. Geschaffen werden die konturscharfen Prägungen mit vier fußbetriebenen Stampfhämmern in mehreren Arbeitsschritten. Zuletzt erfolgt eine Nachbehandlung: abbeizen, polieren, malen oder mit einem Firnis überziehen. Auch die folgende Gelbgießerei stammte aus Iserlohn und verarbeitete Messing. Gelbguss ist eine Messinglegierung aus rund zwei Dritteln Kupfer und einem Drittel Zink. Die Spezialität der Gießerei von Wilhelm Gotthold Kunstmann waren Glocken, Büsten und Medaillen.

Die beiden folgenden Gebäude demonstrieren die Kupferverarbeitung. Im Kupferhammer wurde in einem Schmelzofen das Rohkupfer aufgeschmolzen und gereinigt. Die drei großen Hämmer, die durch ein Wasserrad angetrieben wurden, formten das Kupfer zum sogenannten Halbzeug (Bleche, Stäbe oder Kessel). Dieses konnte dann in einer Kupferschmiede, wie sie hier gleich in der Nachbarschaft steht, mit einem breiten Spektrum an Fertigprodukten weiter verarbeitet werden. Große Kupferhammerwerke besaßen nicht selten eigene Schmieden. Bevor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Dampfhämmer die industrielle Produktion revolutionierten, war aber auch die Lage an einem fließenden Gewässer von immenser Bedeutung.

Bereich C: Das Schmiedehandwerk

Deutsches Schmiedemuseum

Den Auftakt des Bereiches C macht das Deutsche Schmiedemuseum, das in einem translozierten Siegerländer Rathaus des 18. Jahrhunderts untergebracht ist. Erzählt wird die Geschichte des Schmiedehandwerks seit dem Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Im Mittelpunkt steht das Eisen, dessen Gewinnung aus Eisenerz bereits im Mittelalter durch den aufwändigen Prozess der Verhüttung möglich war. Die dafür notwendigen Temperaturen wurden mit Holzkohle als Heizstoff und Blasebälge erreicht. Dies geschah bis ins 18. Jahrhundert hinein in Rennöfen, die dann allmählich von Hochöfen abgelöst wurden, die mit Koks beheizt wurden.

Das Schmiedemuseum bildet eine gute theoretische Grundlage für das Verständnis vieler Abläufe, die man in den zahlreichen Werkstätten des Freilichtmuseums zu sehen bekommt. Es werden spezialisierte Schmiedebetriebe und ihre charakteristischen Endprodukte vorgestellt. Darunter befinden sich sowohl Waffen und Rüstungen als auch kunstvoll verzierte Gegenstände wie Kästchen, Truhen oder auch Schlösser. Die kunstvolle Gestaltung nahm seit der frühen Neuzeit an Bedeutung zu. Ebenso stellten spezialisierte Schmieden Sensen her, die seit dem 16. Jahrhundert in großen Mengen in den überregionalen Vertrieb gingen. Mit der Industrialisierung und den Dampfhämmern des 19. Jahrhunderts stieg das Schmiedehandwerk in die Massenproduktion ein.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Hammerwerk
Innenleben eines Hammerwerks

Eisenschmieden und Hammerwerke

Wenn wir wieder aus dem Schmiedemuseum treten, erwartet uns eine Ansammlung kleinster Fachwerkbauten. Jedes Gebäude beherbergt die Werkstatt eines spezialisierten Schmieds. So entdecken wir eine Beilschmiede, eine Kleineisenzeugschmiede oder eine Bohrerschmiede. Später, bereits zum Bereich B gehörig, folgen Nagelschmiede, Kettenschmiede und Windenschmiede. Sogar Kaffeemühlen sind geschmiedet worden.

Aber kehren wir wieder zum Bereich C zurück: Dass in Hammerwerken auch Endprodukte geschaffen werden konnten, demonstrieren die folgenden Gebäude, die sich malerisch um den Lauf des Mäckingerbachs schmiegen. Im Reck- und Breitehammer wurden großformatige Nutzgegenstände wie Spaten, Schaufeln, Pfannen und Pflugscharen hergestellt. Der benachbarte Aufwurfhammer ist wahrlich ein Riese und der größte im Freilichtmuseum. Er diente der Aufbereitung von Roheisen für die weiteren Bearbeitungsschritte. Am dritten Hammerwerk versorgt ein Holzkanal das oberschlächtige Wasserrad für den Antrieb der Hämmer.

Das Museum zeigt auch einen Sensenhammer, dessen Hämmer bereits mit einem Elektromotor aus dem Jahre 1919 angetrieben wurden. Hier dürfen wir die ehrfurchteinflößenden Werkzeuge dann auch in Aktion bewundern. Mit seiner großen aus mehreren Gebäuden bestehenden Betriebsanlage „Suberg“ aus dem nahegelegenen Hagener Ortsteil Haspe ist der Komplex im Tal weit sichtbar. Die Region um Hagen war seit dem 18. Jahrhundert das Zentrum der deutschen Sensenherstellung.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Sensenhammer im Mäckingerbachtal
Sensenhammer und Schmieden im Mäckingerbachtal

Bereich B: Papier und Druck

Die Rohstoffe

Nachdem wir die Schmieden und den Sensenhammer als thematische Nachzügler des Bereichs C passiert haben, tauchen wir ein in die Welt der Papierherstellung und der Drucktechnik. Versuchen wir uns hier nicht in der Reihenfolge der Häuser, sondern zumindest in groben Zügen im Rahmen des Herstellungsprozesses vom Rohprodukt bis zum fertigen Druckerzeugnis zu bewegen:

Die erste Station stellt eine Sägemühle dar, die hier im Museum mit einer Ölmühle kombiniert ist. Die Bezeichnung als Mühle rührt aus der ursprünglichen Antriebsform durch ein Wasserrad her. Die Stämme der Bäume werden hier auf schienengeführten Schlitten gegen das Sägeblatt geführt und zu Brettern und Bohlen zurechtgeschnitten – Vorführung inklusive! Bekanntlich ist Holz neben zahlreichen anderen Einsatzgebieten auch zur Herstellung von Papier geeignet. Der Aspekt der Weiterverarbeitung über Holzschliff oder Zellstoff bis zum fertigen Papier kommt im Hagener Freilichtmuseum allerdings etwas zu kurz.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Säge- und Ölmühle
Antriebstechnik der Säge- und Ölmühle

Papiermühlen und Druckerei

Stattdessen konzentriert man sich auf den Rohstoff Altkleider („Lumpen“), die weit bis ins 19. Jahrhundert eingesetzt wurden, bevor der stark gestiegene Bedarf an Papier neue Herstellungsmöglichkeiten erforderlich machte. Die vorindustrielle Technik, aus Lumpen Papier zu machen, wird in einer aus Iserlohn stammenden, mehrgeschossigen Papiermühle anhand entsprechenden Inventars demonstriert. Derartige Mühlen lagen aufgrund des hohen Wasserbedarfs für den Herstellungsprozess stets nah an Gewässern.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Papiermühle und Druckerei
Papiermühle und Druckerei Haus Vorster

Darüber hinaus wird im Museum eine Pappemühle aus dem Allgäu präsentiert. Die Produktion wurde hier im späten 19. Jahrhundert vollständig von Papier auf Pappe umgestellt, weil durch die geringen Rohstoffkosten – ausschließlich Altpapier – ein Überleben in Konkurrenz zur industriellen Papierindustrie möglich war. Schön und anschaulich umgesetzt: Figuren berichten in einer Ton- und Lichtinstallation von ihrer Tätigkeit und vom Arbeitsablauf in einem solchen Betrieb.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Pappemühle
Arbeitsabläufe in der Pappemühle

In dem benachbarten barocken Wohn- und Geschäftshaus der Papierfabrik Vorster aus Hagen ist ein kleines Museum zur Geschichte des Drucks und der Papierproduktion eingerichtet. Ein Überblick über 500 Jahre Druckgeschichte führt in die Thematik ein. Ausgestellt sind Setzkästen und Druckerpressen, die verschiedene technische Entwicklungen veranschaulichen. Flachdruck, Hochdruck, Siebdruck, Tiefdruck – die Druckverfahren werden anschaulich vorgestellt. Wer hier nicht umfassend informiert hinausgeht, hat nicht genau hingeschaut.

Zink und Draht

Noch einmal schickt uns das Museum ins Thema Metallverarbeitung zurück. Das Zinkwalzwerk Hoesch aus Düren aus dem Jahre 1847 verdeutlicht die steigende Nachfrage an Metallhalbzeug während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Zink hat die positiven Eigenschaften, dass es nicht rostet und gewalzt werden kann. Seit der Entdeckung dieser Merkmale kam es vielfältig zum Einsatz, zum Beispiel bei Haushaltswaren und Dacheindeckungen. In den Räumen des Walzwerks wird erfreulicherweise ausführlich über die Gewinnung und Verarbeitung von Zink aufgeklärt.

Der märkische Raum ist auch das Zentrum der Drahtherstellung. Insofern überrascht es nicht, eine Drahtzieherei auf dem Museumsgelände anzutreffen. Auch hier wurde Wasserkraft für den Betrieb der Zögersbänke, an denen die Drahtherstellung erfolgte, benötigt. Vor dem Gebäude sind zudem die alten Polterbänke zu sehen, mit deren Hilfe die Drahtringe blankgescheuert wurden. Dieser Arbeitsschritt fand in aller Regel im Freien statt.

Bereich A: Produkte des Alltags

Ein Dorf und seine Lebensmittelproduktion

Steil führt nun der Weg zum letzten Bereich des Freilichtmuseums. Hier empfängt uns eine größere Häuseransammlung aus Fachwerk mit fast kleinstädtischem Charakter. Es tummeln sich zahlreiche Betriebe aus unterschiedlichsten Sparten in den Gebäuden. Sie bedienen überwiegend die Bedürfnisse des Alltags. Über dem Dorfplatz thront eine Getreidemühle und ein kleines Kaltwalzmuseum, die beide erst jüngst ihren Platz an dieser Stelle gefunden haben.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Dorf
Dorf mit Gasthof, Brauerei und Kolonialwarenladen

Im Bereich A sind insbesondere Betriebe angesiedelt, die sich der Nahrungsproduktion und den Genussmitteln widmen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind zu nennen: Räucherei, Brauerei, Brennerei, Fleischerei, eine Kaffeerösterei, eine Tabakfabrik, der Bäcker, eine Senfmühle, eine Essigbrauerei und der obligatorische Kolonialwarenladen. Etwas abseits des Dorfes steht eine Dampfmahlmühle. Diese Art der Getreideverarbeitung verdrängte seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich die Wasser- und Windmühlen.

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Tabakfabrik
Tabakfabrik im Dorf

Typische Werkstätten

Darüber hinaus haben sich hier typische Werkstätten angesiedelt, die in keiner Stadt fehlen durften: Sattlerei, Polsterei, Schumacher, Schreiner, Stellmacherei und Huf- und Wagenschmiede. Für die gehobenen Ansprüche des Bürgertums stehen ein Goldschmied, ein Optiker, ein Uhrmacher, eine Weißgerberei, eine Kürschnerei, eine Portefeuille-Werkstatt und eine Blaufärberei zur Verfügung. In einigen Gebäuden erhalten wir Hintergrundinformationen zur Geschichte des Handwerks und der Arbeitsprozesse, andere Werkstätten sprechen mit ihrem Inventar für sich. Auch kann man dem einen oder anderen Handwerker über die Schulter schauen.

Ein besonderes Highlight stellt die Seilerei dar, die aus Glandorf im Osnabrücker Land stammt. Sie besteht aus einer 72 Meter langen Doppelspinnbahn mit einem vorgelagerten Lagerhaus. Zu sehen sind typische Geräte wie Seilerräder, Spinnmaschinen, Kammgeschirre und Schlitten. Wir erfahren Wissenswertes über die Rohstoffe wie Hanf, Sisal und Manila sowie ihre Bezugsquellen. Bei den regelmäßigen Vorführungen durften wir sogar selbst Hand anlegen. Unbedingt sehenswert!

Westfälisches Freilichtmuseum Hagen - Seilerei
Seilerei

Fazit

Was das LWL-Museum in Hagen aus der Masse der Freilichtmuseen heraushebt, sollte deutlich geworden sein. Es ist der außergewöhnliche Schwerpunkt Handwerk und Technik, der in historischer Umgebung praxisnah präsentiert wird. Dass Gebäude und Ausstattung häufig nicht von einem einzigen Ort stammen, tut der überzeugenden Präsentation keinen Abbruch. Da viele Betriebe auf Wasserläufe angewiesen waren, ist zudem die Ansiedlung des Museumsareals am Lauf des Mäckingerbachs äußerst authentisch. Von uns gibt es eine klare Empfehlung für einen Besuch. Auch wenn sie viel Zeit erfordert, lehrreich ist eine Visite allemal.

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