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Ein kritischer Kommentar zur James-Simon-Galerie

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James-Simon-Galerie

Ein Besucherzentrum für die Berliner Museumsinsel

Vor wenigen Tagen wurde sie nun endlich von der Bundeskanzlerin eröffnet: die James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel. Nach 20-jähriger Planung und Ausführung entstand die Galerie als Eingangsgebäude und Besucherzentrum für die fünf Museen des Areals, das seit 1999 UNESCO-Weltkulturerbe ist. Namensgeber James Simon war einer der bedeutendsten Kunstmäzene Berlins um die Jahrhundertwende.

Als teuerste Garderobe der Welt wird das 134 Millionen Euro teure Projekt des Architekten David Chipperfield manchmal spöttisch bezeichnet. Und ungeachtet der zweifelsohne bedeutenden funktionalen Stellung, möchte ich mich der kritischen Betrachtungsweise der Architektur anschließen.

James-Simon-Galerie - Außenansicht
James-Simon-Galerie: Blick vom Spreekanal – Foto: Simon Menges – Quelle: David Chipperfield Architects

Eine Hommage an Schinkel?

Die klassizistische Architektursprache eines Karl Friedrich Schinkel möchte Chipperfield aufgegriffen und sie in die klassische Moderne übertragen haben. Betrachtet man den Außenbau, dann können damit sicherlich nicht die ungegliederten weißen Wandflächen gemeint sein, die einen kalten, abweisenden Charakter tragen. Vielmehr scheint er auf die filigranen Pfeilerreihen abzuzielen, die mich allerdings in ihrer bemerkenswerten Monotonie und Formreduktion an eine Heizkörperverkleidung erinnern. Es handelt sich dabei wohl um bis zur Unkenntlichkeit stilisierte Säulen einer Kolonnade. Doch weder die Proportionen noch ihre Ästhetik, schon gar nicht die nicht vorhandenen Detailformen zeigen Anklänge an Schinkels Klassizismus.

Der Innenbau hat zumindest nicht mit den Vergleichen zu Schinkel oder den umliegenden Fassaden zu kämpfen. Er kann für sich allein sprechen. Doch auch hier herrscht Ideenlosigkeit vor. Die nackten Sichtbetonwände vermitteln den Eindruck eines Rohbaus – nüchtern, kalt, nicht inspirierend. Dabei scheint man sich am Brutalismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts orientiert zu haben. Ob es viele Menschen gibt, die sich in einer solch minimalistischen Atmosphäre wohl fühlen?

James-Simon-Galerie - Innenansicht
Innenansicht der James-Simon-Galerie – Foto: Simon Menges – Quelle: David Chipperfield Architects

Missverstandene Architektur?

Wie wenig diejenigen, die diese Architektur lobpreisen, sich mit ihr auseinandergesetzt haben, zeigt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wenn er die Pfeiler fälschlich als Säulen anspricht. Es sei denn, er hat genau die angesprochene Stilisierung einer Kolonnade im Blick. Dann wiederum habe ich diese Architektur aber nicht verstanden, womit wir bei der Kernaussage meines Kommentars angekommen sind. Diese Architektur ist ihrer Umgebung entrückt. Sie lädt den Besucher nicht ein, wie man es von einem Eingangsbereich erwarten würde. Sie erschließt sich dem Betrachter auch nicht unmittelbar.

Die Spreekanal-Ansicht offenbart die Wirkung der James-Simon-Galerie als Fremdkörper in einer historischen Umgebung. Erneut stellt sich mir die Frage: Warum glauben viele zeitgenössische Architekten eigentlich, dass der Umstand des größtmöglichen Kontrastes zur benachbarten Bebauung die Qualität der Architektur steigert? Meist ist das Gegenteil richtig: Harmonie ist die hohe Kunst der Architektursprache. Und das gilt umso mehr an einem so neuralgischen Punkt wie einem Weltkulturerbe.

7 Kommentare zu “Ein kritischer Kommentar zur James-Simon-Galerie

  1. Sehr gute Kritik!
    Besonders gefallen hat mir die Beschreibung der Formreduktion auf eine Heizkörperverkleidung und der Brutalismus, der vor allem im Inneren zum Vorschein tritt, erinnert das doch mehr an Bunkerarchitektur als an Moderne – geschweige denn an eine Kommunikation mit dem Klassizismus Schinkels.
    Das Gebilde bleibt so immer ein Fremdkörper.

  2. Es erinnert wirklich an einen „überdemensionierten“ Heizlüfter.
    Und …..passt sich der Umgebung an……..diese Behauptung setzt ja ein unmögliches Formverständnis voraus.

  3. Danke, Herr Kaufmann, für Ihre so treffenden Worte!
    Mit der Simon-Galerie, die von der Funktion grundsätzlich eine Bereicherung der Museumsinsel ist, hat David Chipperfield bedauerlicherweise erneut die Erbärmlichkeit unserer heutigen Architektur aufgezeigt, nachdem er bereits den ungehobelten Klotz Haus Bastian entworfen hatte. Bei Letzterem könnte man denken, der Neubau würde neben verachtungswürdigen Altbauten errichtet. Einfügung in das bestehende Ensemble? Pustekuchen!
    Bei Chipperfields hat die Banalität ihren Triumph in der Fortführung der Kolonnade an der Bodestraße – diese als moderne Interpretation zu bezeichnen, ist für mich ein Armutszeugnis, zumal es sich bei dem Neuen nicht um eine Kolonnade handelt. Seltene Auswüchse moderner Architektur: ein Wettbewerbsjuror hat einmal lobend den Reiz der Monotonie erwähnt! Und innen? Brutaler Minimalismuß!
    Und das für feinsinnige Kunstliebhaber!
    Aber einen Trost gibt es: Chipperfields Entwurf von 2001 war noch schlimmer!

  4. Hallo Rainer,
    dein Kommentar zu David Chipperfield ist durchaus nachvollziehbar, allerdings betrachte ich den Entwurf als weniger „erbärmlich“. Ein kalter, eher abweisender Charakter kann in gewisser Weise dazu beitragen, das Umfeld sinnlicher wahrzunehmen, was sicherlich aber nicht die erzielte Absicht war.

  5. Danke für die zutreffende Kritik – und die ergänzenden Kommentare hier!

    „Vorrangig ist die Galerie ein Ort zur Orientierung und ein Sammelplatz für größere Besuchergruppen“ sagt Chipperfield in einem Gespräch mit der Deutschen Welle: Komplettes Fail, Orientierung ist das letzte, was man da erfährt. Ich war am Samstag zum ersten Mal in der Galerie (wir wollten in die Schliemann-Ausstellung) und irrten erst mal durch die Gegend. Wo ist die Ausstellung? Wo die Schließfächer/Garderobe für die Mäntel? Wo die Toiletten? Was ist da hinten eigentlich? Nirgends richtig sichtbare Hinweise. Irgendwo an der Wand kleine, kaum sichtbare, silberfarbene Buchstaben, „Sonderausstellung“ – kein Hinweis auf Schliemann. Wir irrten, wie gesagt, (gefühlt kilo-)meterweit treppauf treppab an kalten Betonwänden vorbei, fanden endlich die gesuchten Orte (die Toiletten natürlich ganz hinten, mit schmalen Zugängen – iiih, Besucher und ihre Bedürfnisse!). Dass die Schliemann-Ausstellung selbst auch noch schlecht ausgeschildert war (irgendwo stand dann ein Pappkamerad mit „Teil 2“ und wies auf eine schwer zu öffnende Tür ins Freie (der elektrische Türöffner daneben funktionierte nicht) dort dann kein weiterer Hinweis, wo’s hinging – eine Aufsicht riet uns auf Nachfrage, doch durch den unterirdischen Gang – kalt, wieder ohne genaue Beschilderung oder Hinweis zur Ausstellung – zu nehmen.
    Fazit: Ich finde das Gebäude hässlich, verdeckt die klassische Architektur der Museen, ungemütlich, keineswegs einladend. Mich schreckt das eher ab. Dabei hatte ich mir vorgenommen, nun öfters ins Museum zu gehen. Aber eine riesige Eingangshalle, in der man erst einmal ein paar hundert Meter gehen muss, bevor man irgendein Ausstellungsstück sehen kann – nix für Menschen, die nicht mehr so viel Kraft haben oder nicht so gut zu Fuß sind (aber noch zu gut, als dass sie einen Rollstuhl benutzen müssen). Fail auf ganzer Linie. Schade. Ich fühle mich nicht willkommen.

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