
Marode Brücken
Als im September letzten Jahres Teile der Dresdener Carolabrücke in die Elbe stürzten, grenzte es an ein Wunder, dass niemand zu Schaden kam. Das ist dem Umstand zu verdanken, dass das Unglück in der Nacht geschah. Noch wenige Minuten zuvor war eine Straßenbahn über die Brücke gefahren. Der Vorfall zeigt nachdrücklich auf, wie marode unsere Infrastruktur nach Jahrzehnten Investitionsstau ist, aber hier ist nicht der Ort, über die politische Verantwortung der Beinahekatastrophe zu sprechen. Vielmehr sollen die Optionen des Wiederaufbaus veranschaulicht werden.
Mit dem Teileinsturz und der nunmehr feststehenden Notwendigkeit des Gesamtabrisses der in DDR-Zeiten bis 1971 errichteten Brückenkonstruktion, die so bemerkenswert war, dass sie trotz ihres jungen Alters unter Denkmalschutz stand, stellt sich nun die Frage nach der Gestaltung und Funktion des Neubaus. Damit rückt auch der im Jahre 1895 eingeweihte neobarocke Ursprungsbau in den Fokus der Diskussionen. Diese Brücke wurde von der SS 1945 einen Tag vor Kriegsende gesprengt.

Initiativen für altstadtverträgliche Brückengestaltung
Während sich selbst die Befürworter einer Rekonstruktion der historischen Brücke ob der Realisierbarkeit einer solchen Idee einen scharfen Schlagabtausch liefern, ist man an anderer Stelle bereits einen Schritt weiter. Nachdem zahlreiche Petitionen mit unterschiedlichen Zielsetzungen einzig zur Zersplitterung der Interessengruppen geführt hatten, gründete sich im Januar die Initiative Carolabrücke, um die Kräfte zu bündeln und für ein städtebauliches Gesamtkonzept zu werben. Zweck ist es, sich für ein historisch verträgliches und zukunftsfähiges Bauwerk starkzumachen. Ob man am Ende gar eine historisch akribische Rekonstruktion stehen sieht, wird sich zeigen. Aber zumindest stellt diese Initiative ein Gegengewicht zu den Stimmen dar, die mit möglichst innovativen Konstruktionen den Ruf der Stadt als Elbflorenz auf eine harte Probe stellen wollen.
Dresden verfügt über ausreichend Erfahrungen mit den Folgen eines modernen Brückenbaus. 2009 wurde dem Dresdner Elbtal der Status des Weltkulturerbes wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke entzogen – ein Vorgang mit ausgesprochen negativer Symbolwirkung. Und auch die Carolabrücke verbindet die beiden Elbufer an sensibler Stelle in unmittelbarer Nachbarschaft der Brühlschen Terrasse und der geschichtsträchtigen Dresdner Altstadt mit dem weltberühmten barocken Panorama mitsamt der Frauenkirche. Das sollte Verpflichtung genug sein, auf behutsame Weise das Stadtbild aufzuwerten. Entsprechend bezieht auch der für seinen Einsatz für historische Architektur und Rekonstruktion bekannte Verein Stadtbild Deutschland Stellung für eine altstadtverträgliche Gestaltung. Eine Rekonstruktion oder Anlehnung an die neobarocke Brücke würde zudem die einmalige Chance eröffnen, die beiden erhaltenen allegorischen Skulpturengruppen „bewegte Elbe“ und „ruhige Elbe“ wieder auf ihrem angestammten Platz beidseits der Brückenauffahrt auf der Altstädter Seite zu positionieren.

Dass die Anforderungen des modernen Verkehrs mit den Rahmenbedingungen einer historischen Brückenkonstruktion des 19. Jahrhunderts vereinbar sind, zeigt das Beispiel der 1885 eingeweihten Theodor-Heuss-Brücke in Mainz. Diese ist nach ihrer Zerstörung im Krieg weitgehend originalgetreu wiederaufgebaut worden und wurde seitdem auch unter den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes erneuert, um den ursprünglichen Charakter der Brücke zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
Chancen einer Rekonstruktion der historischen Carolabrücke
Ob eine vollständige Rekonstruktion der Dresdner Carolabrücke überhaupt eine Chance auf Verwirklichung hat, wird letztlich auch von Expertenseite zu beurteilen sein. Hilfreich wäre zu diesem Zweck eine Machbarkeitsstudie. Ein Gestaltungswettbewerb ist bereits in Planung. Es gilt, zahlreiche bau- und verkehrsrechtliche Fragen zu klären, die hier schlaglichtartig zu nennen sind:
- Finanzierung (der Bund und das Land Sachsen wollen sich nicht an den Kosten beteiligen)
- Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs durch Brückenpfeiler und enge Brückenspannweiten sowie deren Genehmigungsfähigkeit
- Notwendigkeiten des motorisierten Individualverkehrs (Vorschlag, den Brückenneubau nur für Straßenbahn, Fußgänger und Radfahrer zu konzipieren)
- Einbindung in die Verkehrskonzepte der Stadt Dresden
- Fragen des Denkmalschutzes
Ich maße mir angesichts der komplexen Sachlage nicht an, zu beurteilen, ob die Idee der Rekonstruktion der neobarocken Brücke Aussicht auf Erfolg hat. Einst waren auch die Rekonstruktionen der Dresdner, Potsdamer oder Frankfurter Altstadt nur fixe Ideen einiger Idealisten. Es bedarf daher einer gemeinsamen Anstrengung aller Akteure pro Rekonstruktion, um das Vorhaben zumindest in Ansätzen zu verwirklichen. Daher sind auch die von mir vernommenen Einlassungen, die die fehlenden Mittel für den Wiederaufbau der Brücke sinnbefreit mit den Ausgaben für Entwicklungshilfe in Zusammenhang bringen, nicht förderlich und Gift für das Vorhaben. Wenig überraschend stammt diese überschäumende Fantasieleistung aus der Schmiede der AfD-Fraktion im Stadtrat und fällt bei einigen Unbelehrbaren auf fruchtbaren Boden. Es ist ein Bärendienst für diejenigen, die mit ihren Petitionen und Initiativen den Traum der Rückkehr der historischen Carolabrücke mit ihrem charakteristischen Eisenträgerwerk verwirklichen wollen.
Ein an sich interessanter Artikel, wäre nicht der Abschlussabsatz mit politischer Einfärbung.
Einsparungen bei Entwicklungshilfe und anderen ausländischen Investitionen müssen natürlich erstmal hinten anstehen, da es sich ja um Steuergeld handelt, welches der deutsche Bürger aufbringen muss.
Und wenn Bund und Land nichts dazugeben (wollen), muss eben geschaut werden, woher Geld kommen soll.
Für mich ist es wichtig, dass die Carolabrücke im Zusammenhang mit dem derzeitig überdimensionierten Verkehrszug Große Meißner Str. – Koepckestr. – Carolabrücke – St. Petersburger Str. gesehen wird und hier die Chance für Stadtreperatur (einschließlich Albertstr.) nicht vertan wird.
Das Argument der Strompfeiler lässt sich nicht halten, da erstens die Schiffe schon unter der alten Carolabrücke durchkamen und die benachbarte Albert- als auch Augustusbrücke engere Bögen aufweisen.
Danke für Ihr Statement, Herr Hölschke!
Doch, der letzte Absatz hat seine Berechtigung. Es ist die AfD gewesen, die sich mal wieder mit einem populistischen und destruktiven Kommentar in die Diskussion eingebracht hat. Da solche Aussagen auch bei Rekonstruktionsfreunden verfangen können, sollte man diesen Unfug auch als solchen deutlich und unmissverständlich benennen. Heute sind es die Fahrradwege in Peru, morgen liegt die Schuld bei den Geflüchteten aus der Ukraine. Wer sich an solche einfachen Erklärungen mit wirklich dummen Schuldzuweisungen anhängt, wird zu keinen konstruktiven Lösungen gelangen.