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Das Rijksmuseum – von der digitalen Strategie zum analogen Erlebnis

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Rijksmuseum Amsterdam 1895
Rijksmuseum in Amsterdam – Photochromdruck um 1895

Die Ausstellung

Amsterdam ist ein Gesamtkunstwerk – das dortige Rijksmuseum ebenfalls. Vieles ist über das Vorzeigemuseum der Niederlande nach seiner Wiedereröffnung nach zehnjähriger Renovierung im Jahre 2013 geschrieben worden. Nun reihe ich mich nach einem Besuch in Amsterdam ebenfalls ein.

Die Abteilungen im beachtlichen 1885 eröffneten Museumsbau des Architekten Pierre Cuypers sind nicht nach Kunstgattungen zusammengesetzt, sondern nach chronologischen Gesichtspunkten. Auf diese Weise versucht man, Kunst und Kultur in den historischen Kontext einer Epoche zu stellen. Die einzelnen Stockwerke sind zeitlich nicht ganz stringent angeordnet, was aber dem Verständnis dank vorbildlichem Museums-Plan keinen Abbruch tut.

Rijksmuseum Amsterdam

Um den lobenswerten Ansatz besser zur Geltung zu bringen, hätte ich mir zu Beginn der Abteilungen einen historischen Abriss mit entsprechendem Kartenmaterial gewünscht. So wäre die sehr wechselvolle Geschichte der Niederlande, insbesondere das als kulturelle Blüte herausragende „Goldene Zeitalter“ des 17. Jahrhunderts verständlicher vermittelt worden. Nicht jeder Museumsbesucher kennt den Weg der Holländer in die Unabhängigkeit und ist sich der wichtigen Scheidung zwischen den nördlichen und südlichen Niederlanden bewusst.

Überhaupt ist hervorzuheben, dass man auf den Einsatz von Medienstationen vollkommen verzichtet (zumindest in den vier Abteilungen, die ich besucht habe). Die Exponate sprechen ganz klassisch für sich.

Die digitale Strategie

Digitale Zugänglichkeit der Objekte

Insbesondere die digitale Strategie des Rijksmuseums hat in den letzten Jahren für viel Aufsehen gesorgt. Das Haus ist Vorreiter und Vorbild in Sachen digitaler Zugänglichkeit von Museumsobjekten, während man in Deutschland noch darum ringt, wie und wohin die Reise auf dem Feld der Digitalisierung führen soll. Am weitesten scheint man dabei in Bayern vorangekommen zu sein.

In Amsterdam bietet man dem Besucher bereits vor dem eigentlichen Besuch ein Erlebnis. Derzeit sind über 677000 Werke online zugänglich und können bis ins Detail inspiziert werden. Es versteht sich von selbst, dass es sich dabei um ein Vielfaches der eigentlich ausgestellten Exponate handelt. Hier sehen wir einen großen Teil der Depots – Kunst und Kultur, die sonst der Öffentlichkeit unzugänglich wäre. Und natürlich sind die Reproduktionen der gemeinfreien Werke in der Regel ebenfalls gemeinfrei, so dass sie beliebig für eigene Projekte genutzt werden können.

Partizipation des digitalen Besuchers

Auf der Website lassen sich unzählige Suchfilter anwenden, eigene Galerien zusammenstellen (Rijksstudio), Werke hochauflösend herunterladen und so ins Detail zoomen, wie es kaum vor dem Original im Museum möglich wäre. Und obendrein besteht die Möglichkeit, die Kunstwerke als Ganzes oder als frei wählbares Detail auf eine Reihe unterschiedlicher Materialien drucken zu lassen, um sie sich über den heimischen Kamin zu hängen. So holt man den Museumsbesucher ab!

In Deutschland macht sich derweil das Reiss-Engelhorn-Museum aus Mannheim mithilfe des BGH daran, freien Kulturaustausch zu unterbinden. Offensichtlich ist man hierzulande noch von der irrealen Angst getrieben, die bloße Ansicht eines Digitalisats würde den Kulturinteressierten von der Betrachtung des Originals abhalten. Das Gegenteil ist aber der Fall! Im Rijksmuseum hat man dies schon lange erkannt.

Die Museums-App

Funktionalität

Positiv hervorheben möchte ich auch die Museums-App, mit der man alternativ zum kostenpflichtigen Audio-Guide durch das Museum wandeln kann. Smartphone und Kopfhörer nicht vergessen! Wer es nicht geschafft hat, die App im Vorfeld zu installieren, der kann dies im Haus natürlich über das bereitgestellte WLAN nachholen. Die Inhalte des Rijksstudios stehen zwar nur in Englisch und Niederländisch zur Verfügung, die Guides bedienen dagegen eine Vielzahl von Sprachen in ausgezeichneter Übersetzung.

Die App bietet zwei verschiedene Modi bzw. Bereiche. Wenn man angibt, zu Hause oder unterwegs zu sein, gelangt man zu dem bereits von der Website bekannten Bereich des Rijksstudios mit unzähligen Galerien, die vom Museum selbst oder von Nutzern zusammengestellt worden sind. Natürlich kann man sich zu jedem Werk hier die entsprechenden Kurzinformationen anzeigen lassen.

Rundgang per App

Gibt man an, sich bereits im Museum zu befinden, gelangt man dagegen direkt zu den Touren. Zur Verfügung stehen sowohl thematische Routen mit Schwerpunkten wie z. B. Musik oder koloniale Vergangenheit als auch Rundgänge zu den Highlights der unterschiedlichen Abteilungen. Zusätzlich findet man vor Ort an einigen Exponaten Nummern, die man in der App außer der Reihe anwählen kann.

Die Touren selbst leiten den Besucher per Grundriss zu den entsprechenden Objekten, wenn man GPS und Bluetooth auf seinem Smartphone aktiviert hat. Zu jedem einbezogenen Exponat existiert eine Audio-Basisinformation, deren Länge in der Regel zwischen 60 und 90 Sekunden reicht. Lobenswert ist dabei, dass die Werke vielfach in einen sozialen oder historischen Kontext eingebettet werden. Dem Besucher wird dadurch ein höchst informativer und kompakter Einblick in die niederländische Kulturgeschichte gewährt.

Aber damit nicht genug: Zu den Objekten existieren jeweils noch weitere multimediale Ausführungen für die besonders interessierten Betrachter. Sie lenken den Fokus auf bestimmte Details oder weitergehende Informationen. Dabei kommen vielfach auch die Kuratoren oder andere Experten zu Wort, wobei man hierbei nicht einmal die Mühe einer Synchronisation scheute.

Der finale Eindruck

Das Rijksmuseum ist zu groß, um es an einem einzigen Tag zu erkunden. Und genau diese Lücke können die digitalen Angebote schließen. Das wiederum macht Lust darauf, wieder zu kommen. Dass das Museum täglich geöffnet hat, mag bei einem Haus dieser Größenordnung und dieses internationalen Ruhms nicht überraschen. Erstaunt hat uns dagegen der Umstand, dass die Ausstellungen grundsätzlich bereits um 17 Uhr schließen. Gerne hätten wir uns noch einen Eindruck von Abteilungen verschafft, die nicht unser primäres Interesse weckten.

Rembrandt - Die Nachtwache
Rembrandt van Rijn – Die Nachtwache

Nicht ganz unproblematisch sind die Besuchermassen, die sich vor allem in der Ehrengalerie mit den großen niederländischen Meistern des 17. Jahrhunderts ballen. Ich möchte es diesem Umstand zuschreiben, dass die App genau dort mehrfach stockte und die Guides nur störrisch abspielen wollte. Wie ernst es das Rijksmuseum aber mit dem positiven Besuchserlebnis nimmt, demonstriert es dadurch, dass die berühmte Nachtwache Rembrandts – wohl der Höhepunkt der Dauerausstellung – öffentlich vor Publikum restauriert wird.

2 Kommentare zu “Das Rijksmuseum – von der digitalen Strategie zum analogen Erlebnis

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