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Natur und Kulturlandschaft in Dalsland
Die westschwedische Provinz Dalsland trägt es bereits in ihrem Namen: das Land der Täler. Ihre Wälder sind hier so dicht wie in kaum einer anderen Landschaft im südlichen Schweden. Zwischen diesen unendlich erscheinenden Naturräumen schimmern Seen, die als schmale, tiefblaue Bänder meist viele Kilometer von Süd nach Nord verlaufen und bis in die benachbarte Provinz Värmland oder über die Staatsgrenze nach Norwegen reichen. Sie entstanden durch Brüche und Verwerfungen in den so entstandenen Risstälern. Die bekanntesten und größten dieser Seen sind der Stora Le und der Lelång. Ersterer zieht sich von der Ortschaft Ed, letzterer von Bengtsfors gen Norden, um sich in den unendlichen Wäldern des Grenzgebiets zu Norwegen zu verlieren. Dalsland ist – wie diese Charakterisierung nahelegt – ein Paradies für Kanuten, ebenso wie die nördlich anschließende Region Värmland. Die schroffen Felsen, die immer wieder aus dem Wasser ragen, wirken aus dem Boot heraus besonders beeindruckend.

Und zwischen all dem liegen vereinzelt kleine Weiler mit roten oder gelben Holzhäusern sowie größtenteils weißen Kirchlein, eingebettet wie Farbtupfer in ein überwältigendes Landschaftsgemälde. Gelegentlich trifft man auf eine Schleuse, die anzeigt, dass hier der Dalsland-Kanal verläuft, der die unzähligen Gewässer wie an einem Band verbindet. Kurzum: Dalsland ist eine jener Regionen Schwedens, die auf engstem Raum alles vereint, was uns und viele andere Schwedenreisende ins Entzücken versetzt.


Diese reizvolle Gegend lockte sogar seit dem 18. Jahrhundert Kurgäste an, die die eisenhaltigen Quellen in Dals Rostock besuchten. Um 1760 wurden mehrere Trink- und Badehallen errichtet. Nach einem Brand von 1961 ist von den Heilanlagen nicht mehr viel übrig, aber im historischen Park des Ortes (Brunnsparken) wird die Tradition des Kurbetriebes mit Heimatmuseum, Kräutergarten und Handwerksläden im bescheidenen Rahmen lebendig gehalten.

Der Nationalpark Tresticklan
Nimmt man die Route von Ed am Westufer des Stora Le Richtung norwegische Grenze, so gelangt man nach einer Weile absoluter Einsamkeit zum Nationalpark Tresticklan, der zu den größten Südschwedens zählt. Der abgelegene Urwald wird durch einen Rundweg erschlossen, der über Stock und Stein zwischen vielen kleinen Waldseen hindurchführt. Der größte unter ihnen ist der namensgebende Stora Tresticklan. Ein Abzweig des Rundwegs führt unmittelbar zur norwegischen Grenze. Wie in schwedischen Nationalparks üblich, ist die Infrastruktur mit Parkplatz, Barrierefreiheit im Nahbereich und Informationsmaterial vorbildlich. Wer nicht zu vielen Wanderern auf der mehrstündigen Tour begegnen möchte, sollte die Hauptsaison im Hochsommer meiden. Dann kann man die unberührte Risstallandschaft mit der Tierwelt mit Elch, Luchs und Wolf teilen, wobei letztere naturgemäß fast nie zu Gesicht zu bekommen sind. Unter den Nationalparks Südschwedens hat uns lediglich der Tiveden mehr in den Bann gezogen.


Der Dalsland-Kanal und das Aquädukt von Håverud
Mitten durch diese Landschaft führt der Dalsland-Kanal. Man darf sich diesen aber nicht so vorstellen, wie wir es von vielen anderen Wasserstraßen dieser Art gewohnt sind. Das gesamte Kanalsystem ist etwa 254 km lang, wobei nur 12 km künstlich angelegt wurden. Die übrige Strecke bilden die endlos aneinandergereihten Seensysteme des Landes. Der Höhenunterschied von 66 m wird durch zahlreiche romantisch anmutende Schleusenanlagen überwunden. Die Kanalstrecke beginnt am Vänern bei Köpmannebro und reicht bis weit nach Värmland hinein. Wie verzweigt die weitere Route ist, wird an folgender Beschreibung deutlich: Vom Vänern kommend passiert der Kanal die Seen Svanfjorden, Dalsjön, Östebosjön, Åklång, Råvarp, Långbrohäljen, Laxsjön, Nedre höljen, Övre höljen, Bengtsbrohöljen, Lelång, Foxen und Töck, bevor er im Östen endet. Vom Östebosjön gelangt man im Snäcke-Kanal nordöstlich über den Ånimmen in den Årr, vom Lelång nach Osten in den Västra Silen und den Östra Silen, und vom Foxen nach Süden in den Stora Le.

Der Bau des Kanals erfolgte zwischen 1864 und 1868 durch den Ingenieur Nils Ericson, obwohl es bereits im 18. Jahrhundert Vorschläge für eine derartige Wasserstraße gab. Der Hintergrund waren die zahlreichen an den Seen expandierenden Eisenhütten und Papiermühlen, die für ihre Produkte einen Transportweg benötigten. Das Kanalsystem blieb aber aufgrund des Aufstiegs der Eisenbahn – 1879 nahm die Eisenbahnstrecke Mellerud–Kornsjö den Betrieb auf – wirtschaftlich hinter seinen Erwartungen zurück. Heute dient der Dalsland-Kanal ausschließlich touristischen Zwecken und bildet in dieser Hinsicht die Schlagader Dalslands. Neben zahlreichen privaten Booten verkehrt im Sommer ein Ausflugsschiff zwischen Håverud und Bengtsfors – zahlreiche Schleusungen inklusive. Der Rückweg ist entweder per Kanu oder mit der historischen Eisenbahn zu bewältigen. Auf halber Strecke kommt man an dem Herrenhaus Baldersnäs mit schönem, weitläufigem Park, Café und Hofläden vorbei.

Apropos Håverud: Der kleine Ort mitten in den Wäldern zwischen den Seen Östebosjön und Åklång ist so etwas wie das touristische Epizentrum Dalslands. Wir verweilen dort immer wieder gerne. Grund dafür ist ein einzigartiges technisches Denkmal – das sogenannte Aquädukt. Die Stromschnellen, die hier beide Seen verbinden, mussten im Zuge des Kanalbaus mit einer künstlichen Wasserpassage überwunden werden, die sich zusätzlich zwischen die begrenzenden Felsen schiebt und mit einer Trogbrücke über das ursprüngliche Wasserbett führt. Zudem kreuzen hier Eisenbahn und Straße den Kanal, was eine wahrlich spektakuläre Kulisse erzeugt. Das angrenzende Kanalmuseum informiert über örtliche Geschichte, Natur, Geologie, Kanalbau und Industrie. Regelrecht abenteuerlich ist die Autoroute entlang des Kanals von Håverud nach Norden, wo die Strecke durch dichte Wälder kurvenreich auf und ab führt.


Bengtsfors und der Kanutourismus
Bengtsfors ist ein idealer Ausgangspunkt für Kanuwanderer. Der größte Ort im Norden Dalslands verfügt über die notwendige Infrastruktur, gemütliche Uferpromenaden und entsprechende Campingplätze, die auch die nötige Ausrüstung denjenigen zur Verfügung stellen, die nicht alles Notwendige mitbringen konnten. Die Lage am Dalsland-Kanal und am See Lelång erlaubt zudem mehrtägige Touren in alle Himmelsrichtungen.

Doch auch für nicht am Wassersport Interessierte hat Bengtsfors erstaunlich viel zu bieten für so einen kleinen Ort. Da ist zunächst das oberhalb der Stadt, auf dem Majberg thronende Freilichtmuseum Gammelgården, das zu den größten Schwedens gehört. Allein für die grandiose Aussicht auf Bengtsfors und die Seenlandschaft ist der Aufstieg dringend zu empfehlen. Auf dem frei zugänglichen Gelände finden sich rund 30 historische Holzhäuser, ein Café und eine kleine Freilichtbühne. Eine Jugendherberge in historischer Umgebung ist ebenfalls unmittelbar angeschlossen.
Unser zweiter, fast noch empfehlenswerterer Tipp ist die wirklich wunderschöne Draisinenstrecke zwischen Bengtsfors und dem värmländischen Årjäng. Die Trasse ist 52 km lang und verläuft an den Seen Lelång und Västra Silen entlang. Sie kann von beiden Seiten her befahren werden und bietet teils spektakuläre Ausblicke auf unberührte Seeufer, bei denen das Blau des Wassers mit dem tiefen Grün der undurchdringlichen Kiefernwälder konkurriert. Schöne Haltepunkte befinden sich in Gustavsfors und Kråkviken, wo man den Kanuten bei ihrem Treiben auf dem Lelång zuschauen kann.


Åmål und der Vänern
Åmål liegt im Nordosten Dalslands am Ufer des größten schwedischen Sees, des Vänern. Dass der 1640 gegründete Ort der einzige in der Provinz ist, die über so etwas wie Stadtrechte verfügt, untermauert die ländliche Prägung Dalslands. Viel Geschäftigkeit darf man aber auch hier nicht erwarten, auch wenn hier im Juli alljährlich ein Blues-Festival stattfindet. Der Abgeschiedenheit des Ortes war es wohl auch zu verdanken, dass einer der bekanntesten Filme Schwedens Raus aus Åmål – im Original Fucking Åmål – hier spielt. Der in Wirklichkeit in Trollhättan gedrehte Streifen ist unter Jugendfilm oder Drama anzusiedeln, der das Aufwachsen von Teenagern in der schwedischen Provinz thematisiert. Uns riss er nicht vom Hocker.
Die Stadt selbst hat ihren Höhepunkt in der in Teilen erhaltenen hölzernen Altstadt, durch die sich das romantische Flüsschen Åmålsån schlängelt. Ein Stadtbrand im Jahre 1901 hat den nördlichen Teil der Bebauung zerstört, während sich südlich des Flusses rund um den ehemaligen Marktplatz – heute existiert hier eine hübsche Parkanlage – stattliche Holzhäuser gruppieren. Am Vänern befindet sich eine kleine Promenade mit Café, Heimatmuseum und der alten Kirche von Åmål.

Auch wenn Dalsland über eine lange Strecke an den Vänern grenzt und dort auch eine kleine Schärenlandschaft ausbildet, so ist dieser von Åmål bis Vänersborg reichende Uferstreifen fast gänzlich unerschlossen. Dalslands Reiz erschließt sich daher vorwiegend im Landesinneren, besonders entlang des Dalsland-Kanals im nördlichen Teil der Provinz. Sie gehört zweifelsohne zu den attraktivsten Gegenden für Schwedenreisende und steht auch in unserem persönlichen Ranking ganz weit oben.