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Wie die Hohenzollern die Wissenschaftsfreiheit bedrohen

Posted on – zuletzt aktualisiert am 24. Juni 2021
Schloss Cecilienhof in Potsdam
Schloss Cecilienhof in Potsdam

Die Entschädigungsforderungen

Die Rahmengeschichte ist seit letztem Jahr bekannt: Die Hohenzollern stellen Entschädigungsforderungen an den deutschen Staat für die Enteignungen durch die sowjetische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei fordert Familienoberhaupt Georg Friedrich Prinz von Preußen nicht weniger als die Rückgabe mehrerer tausend Kunstgegenstände und die Nutzung einiger enteigneter Immobilien ein. Unter anderem steht ein Wohnrecht im Potsdamer Schloss Cecilienhof zur Diskussion. So weit, so vermessen.

Entscheidend bei diesem Rechtsstreit ist das Ausgleichsleistungsgesetz. Demnach ist zu klären, inwiefern der Enteignete – in diesem Fall das Haus Hohenzollern – dem nationalsozialistischen System in Person von Wilhelm Prinz von Preußen erheblichen Vorschub geleistet hatte. Trifft letzteres zu, ist eine Entschädigung ausgeschlossen. Das ist zu den juristischen Rahmenbedingungen zu sagen. Über die ethischen wird noch zu sprechen sein.

Die vier Gutachter

Ausgerechnet dem Satiriker Jan Böhmermann ist es dabei gelungen, vier Gutachten von Historikern zu dieser Sachfrage ausfindig zu machen und zu veröffentlichen. Wenig überraschend stellt sich dabei heraus, dass diese zu grundverschiedenen Schlüssen kommen. Sie sind teils vom Land Brandenburg und teils vom Haus Hohenzollern beauftragt worden. Einmal mehr scheint sich die Weisheit zu bestätigen: Wessen Brot ich esse, dessen Lied singe ich. Die Wahrheit wird wie so häufig irgendwo in der Mitte liegen. Bedauerlich, dass diese Gesetzmäßigkeit auch vor der in ihrer Intention objektiven Wissenschaft nicht Halt macht. Das stimmt mich nachdenklich.

Man sehe mir an dieser Stelle nach, dass ich mich für den Blogbeitrag nicht im Detail mit den zum Teil mehr als 100 Seiten starken Gutachten auseinandersetze, um mir eine eigene Meinung als Kunsthistoriker und Historiker zu bilden. Dazu wäre sicher auch ein Studium der Primärquellen notwendig, um deren selektive Wahrnehmung zu verhindern. Und zudem haben dies andere, unabhängige Wissenschaftler bereits getan – besser als ich es je könnte.

Adolf Hitler und Wilhelm Prinz von Preußen
Adolf Hitler und Wilhelm Prinz von Preußen 1933 in Potsdam
Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-14437 | Georg Pahl
Lizenz : CC-BY-SA 3.0

Juristisches Vorgehen gegen kritische Stimmen

Wissenschaft unter Druck

Eigentlich wäre damit in Kürze alles zum Stand der Dinge gesagt, wenn da nicht ein unschöner, in der Öffentlichkeit wenig beachteter Aspekt anzuführen wäre. Unser deutscher Hochadel schreckt auch nicht davor zurück, Wissenschaftler, die das Haus Hohenzollern nicht in dem gewünschten positiven Licht beschreiben, mit einem juristischen Feldzug zu belegen. Das durfte unter vielen anderen auch der Historiker Stephan Malinowski, einer der vier erwähnten Gutachter, erfahren. Dabei geht es vor allem um Nebenschauplätze wie Aussagen über ein vermeintlich eingefordertes Mitspracherecht bei der historischen Darstellung der Hohenzollern.

Überhaupt sind die Versuche der Hohenzollern, ihre Vorgehen mit allen Mitteln aus der öffentlichen Diskussion fern zu halten, nicht zu übersehen – auch wenn man nun auf der eigenen Website aufgrund der anhaltenden Debatte in die Offensive geht. Die Liste der Betroffenen, gegen die der Hochadel juristisch vorging, ist dabei sehr lang. Der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam, Martin Sabrow, beklagt in einem offenen Brief an Georg Friedrich Prinz von Preußen die Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit:

Dieses Vorgehen des Hauses Hohenzollern gegen missliebige Auslassungen von ZZF-Mitarbeitern greift die Freiheit der Wissenschaft an, und es ist geeignet, das Fach Zeitgeschichte einer Unkultur der Einschüchterung auszusetzen. Es droht insbesondere die nicht von universitären und außeruniversitären Institutionen abgesicherten Kolleginnen und Kollegen meines Faches mundtot zu machen, die sich teils seit Jahren auf dieselbe Weise bedrängt fühlen, wie es jetzt dem ZZF widerfährt.

Markus Henning, Anwalt des Hauses Hohenzollern, kontert – und das in meinen Augen wenig überzeugend:

Professor Sabrow hat sich hier über ein juristisches Thema geäußert, nicht als Historiker. Auch für Historiker gelten die gleichen Grundsätze: Sie müssen der Wahrheit entsprechen, was im Übrigen auch seinem eigenen Anspruch als angesehener Wissenschaftler genügen dürfte.

Update (24.06.21): Die Auswirkungen auf den Wissenschaftsbetrieb sind mittlerweile so gravierend, dass der Deutsche Historikerverband vor wenigen Tagen eine Hohenzollern-Klage-Wiki online gestellt hat. Demnach sind derzeit 60 Verfahren gegen Historiker und Journalisten bekannt – mit stark steigender Tendenz seit 2019. Man hat aber sicher mit einer nicht unerheblichen Dunkelziffer zu rechnen.

Das Verfahren gegen FragDenStaat

Und da ist noch ein Beitrag der Open Knowledge Foundation Deutschland, einem gemeinnützigen Verein, der die Seite FragDenStaat.de betreibt. Er trägt den Titel „Der braune Adel und die Nazis: Wir veröffentlichen die Briefe von Kronprinz Wilhelm an Hitler“ und wurde ebenfalls vom Haus Hohenzollern juristisch beanstandet. Die zugrundeliegende Korrespondenz ist öffentlich zugänglich. Den Stand des Verfahrens dokumentiert FragDenStaat ebenfalls.

Die Rechtsvertreter von Georg Friedrich von Preußen rügt hierbei kritische Aussagen zur Zugänglichkeit der Archive der Hohenzollern, wie sie zum Teil auch von Historikern geäußert wurden. So weit, so bekannt: Die Schlacht wird auf Nebenschauplätze verlagert.

Wirklich bemerkenswert ist allerdings ein anderer Aspekt: Die von FragDenStaat gemachte Aussage, die Hohenzollern gehen zum Teil strafrechtlich gegen kritische Berichterstattung vor, soll laut Abmahnung ebenfalls eine falsche Tatsachenbehauptung darstellen. Dabei dokumentiert ein Interview mit dem Historiker Malinowski, den wir bereits als einen der vier Gutachter in der Angelegenheit kennengelernt haben, genau einen solchen Vorgang:

Nach meinem Beitrag haben die Hohenzollern Strafanzeige gegen mich gestellt, mit dem Vorwurf der Verletzung von Privatgeheimnissen. In meiner Wahrnehmung erzeugte das durchaus Druck. Es wurde tatsächlich ermittelt, mit dem Ergebnis allerdings, dass das Verfahren später vollständig eingestellt wurde.

Update (19.06.20): Die Zahl der von der Klagewut des Prinzen betroffenen Personen ist offensichtlich so hoch, dass FragDenStaat nun einen „Prinzenfonds“ ins Leben gerufen hat, um beklagte und abgemahnte Wissenschaftler und Journalisten bei den juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen.

Eine Frage der Ethik

Über die juristische Würdigung dieser einem Adelsgeschlecht unwürdiger Vorgänge müssen sich letztlich Gerichte den Kopf zerschlagen. Das betrifft sowohl die ursprünglichen Entschädigungsforderungen als auch die angeblich falschen Tatsachenbehauptungen, die im Kontext der Berichterstattung und der wissenschaftlichen Expertisen gemacht worden sind.

Eines scheint sich aber bereits jetzt abzuzeichnen: Die Hohenzollern agieren imageschädigend, weil sie – aus welchen Motiven auch immer – die gebotenen ethischen Grundsätze in ihrem Handeln vermissen lassen. Dabei beschädigen sie nicht nur das öffentliche Bild des deutschen Adels, sondern greifen auch noch die Unabhängigkeit der Wissenschaft an. Unser Kulturgut, um das es hier letztlich auch geht, kann dabei nur auf der Strecke bleiben.

Dass sich in einer solchen Konstellation die Verhandlungen mit dem Staat äußerst schwierig gestalten, ist kaum verwunderlich. Der Prinz des Hauses Hohenzollern benötigt weniger einen Juristen als einen Berater, der Bodenhaftung und maßvolles Agieren in den Fokus rückt. Möge man in Preußen die Zeichen der Zeit erkennen!

2 Kommentare zu “Wie die Hohenzollern die Wissenschaftsfreiheit bedrohen

    1. Unabhängig davon, ob man einen solchen Zusammenhang nachweisen kann, kann das doch wirklich nicht das Kriterium sein, ob Entschädigung zu zahlen ist oder nicht. Das Ausgleichsleistungsgesetz regelt solche Streitfälle und scheint – so mein Eindruck – auch ethischen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen.

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