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Die Wewelsburg und die SS

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Die Wewelsburg über dem Tal der Alme
Die Wewelsburg über dem Tal der Alme

Himmlers Pläne in Westfalen

Die Wewelsburg, eine Nebenresidenz der Fürstbischöfe von Paderborn aus dem 17. Jahrhundert, ist auf den ersten Blick – abgesehen von ihrem dreischenkligen Grundriss – ein gewöhnlicher Vertreter der Weserrenaissance. Doch der über dem Tal des Flusses Alme thronende Komplex, in dem sich heute das Kreismuseum befindet, besitzt eine dunkle Vergangenheit. Heinrich Himmler machte diesen Ort zu einem Zentrum der SS-Ideologie. Auf der Suche nach einer geeigneten Burg für seine Pläne wurde er erstmals im November 1933 auf die Wewelsburg aufmerksam. Ihre Lage im vermeintlich germanischen Kernland Westfalen-Lippe unweit des Hermannsdenkmals und der Externsteine erschien dafür ideal.

Bereits 1934 mietete Himmler die Burganlage. Er verfolgte damit zwei Anliegen: Zum einen sollte hier eine SS-Schule für höhere SS-Führer entstehen, zum anderen sollte die Wewelsburg ein exklusiver Versammlungsort für SS-Gruppenführer werden, um sich auf die gemeinsamen Aufgaben einzuschwören. Mit dem Näherrücken des Vernichtungsfeldzuges gegen die jüdische und slawische Bevölkerung im eigenen Land und in Osteuropa trat letzteres Ziel aber immer mehr in den Vordergrund. Auf der Wewelsburg entstand ein kultischer Ort, der der mythologischen Vorstellungswelt Himmlers von einer überlegenen arischen Rasse entsprach. Als deren Elite wiederum stellte sich die SS dar.

Die Umbauten in der Wewelsburg

Die Umbauarbeiten an der Anlage begannen 1936 unter der Leitung des Architekten Hermann Bartels aus Münster. Am Burgvorplatz entstand bis 1937 zunächst ein SS-Wachgebäude. Für die weiteren Baumaßnahmen sollten KZ-Häftlinge eingesetzt werden. Zu diesem Zweck befand sich nahe der Wewelsburg seit Mai 1939 ein Außenlager des KZ Sachsenhausen. Im September 1941 wurde daraus das Hauptlager Niederhagen. Eine neue Zufahrtsbrücke wurde erbaut, um den Burghof besser zu erschließen.

Himmler und Bartels in Wewelsburg
Hermann Bartels und Heinrich Himmler bei einer Ortsbegehung in Wewelsburg – Quelle: Kreismuseum Wewelsburg

Die größten Veränderungen betrafen den massiven Nordturm der Burg, der seit einem Blitzeinschlag 1815 ruinös war. Himmler ließ hier zwei übereinanderliegende Räume schaffen, die in den Bauplänen als „Gruft“ und als „Obergruppenführersaal“ betitelt werden. Die Idee, den unteren Raum vom Burghof aus mit einer großen Freitreppe zu erschließen, wurde ebenso wenig umgesetzt wie die Schaffung eines dritten Raumes als „Gruppenführersaal“ oberhalb der beiden anderen Räume. Die Bauarbeiten wurden 1943 eingestellt, das Konzentrationslager Niederhagen aufgelöst. Himmler ließ die Wewelsburg beim Auszug der SS 1945 sprengen. Die dadurch verursachten Zerstörungen hielten sich in Grenzen; jedoch brannte das Schloss aus.

Der lange Weg der Aufarbeitung

Lange Zeit rang man in Wewelsburg um den richtigen Umgang mit dem schwierigen Erbe. Die Dorfbevölkerung widersetzte sich zunächst der Einrichtung eines Mahnmals und der Aufstellung von Gedenktafeln, um nicht stets an den dunklen Fleck in der Ortsgeschichte erinnert zu werden. Verdrängung und Schweigen herrschte wie an vielen anderen Orten der nationalsozialistischen Vergangenheit vor.

Erst in den 1970er Jahren machte sich ein Wandel in der Erinnerungskultur bemerkbar. Im ehemaligen SS-Wachgebäude wurde 1982 ein Gedenkort und eine Dokumentation für die Opfer des KZ Niederhagen eingerichtet. Sie trug „Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1944 – 1945. Kult- und Terrorstädte der SS“ als Titel. Seit 1992 suchte man den Kontakt zu den Überlebenden und den Familien der Opfer, um hier aus der Stätte des stillen Gedenkens einen Raum aktiver Aufarbeitung zu schaffen. In einem langwierigen Prozess wurde die Dauerausstellung schließlich überarbeitet. Seit 2010 wird sie unter dem Namen „Ideologie und Terror der SS“ dem Publikum präsentiert – kostenlos übrigens. Sie widmet sich einerseits der Vergangenheit von Burg und Dorf im Kontext der SS-Ideologie, aber auch der Geschichte der SS im Allgemeinen.

Wewelsburg - SS-Wachgebäude
SS-Wachgebäude mit der Ausstellung

Rundgang durch die Ausstellung

Die Wewelsburg und das Umfeld

SS-Gruppenführertreffen 1941

Der Weg zum Beginn der Ausstellung leitet uns kennzeichnend ganz nach unten, ins unterste Kellergeschoss. Der thematische Einstieg erfolgt nicht chronologisch, sondern über ein Geschehnis im Schlüsseljahr 1941. Mitte Juni fand auf der Wewelsburg ein richtungweisendes Gruppenführertreffen statt, bei dem die wichtigsten SS-Befehlshaber anwesend waren, die den Vernichtungskrieg im Osten später maßgebend begleitet haben. Himmler hat diesen Termin sicher nicht ohne Grund wenige Tage vor dem Angriff auf die Sowjetunion angesetzt. Er diente weniger der Ausarbeitung konkreter Pläne als vielmehr der ideologischen Einschwörung auf die kommenden Aufgaben.

Die Ausstellung führt uns in die Bedeutung dieses Treffens anhand der Biografien der wichtigsten Teilnehmer ein. Neben Himmler waren SS-Größen wie Reinhard Heydrich, Kurt Daluege, Erich von dem Bach-Zelewski, Hans-Adolf Prützmann, Friedrich Jeckeln, Oswald Pohl, Werner Lorenz und Hanns Albin Rauter anwesend. Offiziell noch als „SS-Schule Haus Wewelsburg“ betitelt, hatte dieser Ort zu diesem Zeitpunkt bereits den von Himmler beabsichtigen Funktionswandel als Versammlungs- und Kontemplationsort der SS-Führerschaft vollzogen.

SS-Gruppenführertreffen auf der Wewelsburg im Juni 1941
SS-Gruppenführertreffen auf der Wewelsburg im Juni 1941 – Quelle: Kreismuseum Wewelsburg

Sichtbares Zeugnis der Weltanschauung dieses im eigenen Selbstverständnis illustren Kreises war auch das Mobiliar auf der Wewelsburg. In der Ausstellung wird ein erhaltener Stuhl gezeigt, der als lederbezogener Eichenstuhl mit Messingbeschlägen und Sigrunen der SS ausgeführt ist. Die Assoziation bei der Betrachtung des Stuhles mit arisch-nordischer Bodenständigkeit und einem zum Herrschen auserwählten Germanentum ist hier sicherlich gewollt.

Die Chronologie der Ereignisse

Im ersten Raumabschnitt ziehen in zwei Reihen angeordnete Lichttafeln die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Mit umfangreichem Bildmaterial ist hier die Entwicklung der Wewelsburg als weltanschauliche Schule und elitärer Versammlungsort nachgezeichnet. Diesem Strang wird die Chronologie des rasanten Aufstiegs der 1923 gegründeten SS zum mächtigsten Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument im NS-Staat gegenübergestellt.

Bevor Himmler die Wewelsburg 1934 mietete, diente sie als Heimatmuseum und Jugendherberge. Bis 1936 wurde zunächst die Idee der Schule für SS-Offiziere verfolgt. Mit dem Richtungswechsel zum Versammlungsort der SS-Gruppenführer übernahm die SS auch die Finanzierung der Baumaßnahmen in Eigenregie. In diesem Kontext ist auch die Hinzuziehung von Häftlingen zur Zwangsarbeit und die Gründung des Konzentrationslagers Niederhagen zu sehen. Es folgten Pläne für die Umgestaltung des Schlossumfeldes und des Dorfes, die Hermann Bartels für Himmler entwarf.

Im Folgenden wird die Organisation der Wewelsburg vorgestellt. Zentrale Instrumente waren die SS-Burgmannschaft und die KZ-Verwaltung. Wieder greift die Ausstellung auf Biografien des wichtigsten Personals zurück. Erster Burghauptmann war Manfred von Knobelsdorff; er wurde 1938 von Siegfried Taubert ersetzt. Die Einrichtung verfügte über eine eigene SS-Bibliothek und einen Archäologen. Seit der Erhebung des KZ Niederhagen zum Hauptlager im Jahre 1941 existierte in der Person von Adolf Haas auch ein KZ-Kommandant.

Burgmannschaft der Wewelsburg
Burgmannschaft der Wewelsburg mit dem ersten Burghauptmann Manfred von Knobelsdorff (1. Reihe, 4. von links) – Quelle: Kreismuseum Wewelsburg

Das Dorf und die Wewelsburg

Die Ausstellung nimmt auch das Dorf Wewelsburg in den Fokus. Dargelegt werden die anfänglichen Bemühungen, die Dorfgemeinschaft in das Konzept der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft zu integrieren. Es sollte ein nationalsozialistisches Musterdorf entstehen. Eine gemeinschaftliches Werk von Dorfbewohnern und der Burgmannschaft war die Errichtung eines Dorfgemeinschaftshauses, das 1937 feierlich eingeweiht werden konnte.

Doch schon bald stand das Dorf den Plänen Himmlers und seines Architekten Bartels im Weg. Dessen Pläne von 1939 zeigen einen monumentalen Riegel, der die Burg vom Dorf abschirmen sollte. Dafür hätten Dorfkirche und Pfarrhaus abgerissen werden müssen. Spätere Entwürfe aus den Jahren 1941 bis 1944 zeigen dagegen eine kreisförmige Bebauung mit dem Nordturm der Wewelsburg als Zentrum. Die gigantische Anlage sollte einen Radius von 430 Metern besitzen und von einer Mauer mit 18 Türmen umschlossen sein. Die Einwohner des Dorfes hätten für diesen Plan in großer Zahl umgesiedelt werden müssen. Diese gigantomanischen Ideen sind aber aufgrund des Kriegsverlaufes nie zur Ausführung gekommen.

Bauplan für die Umgestaltung Wewelsburgs Februar 1944
Bauplan für die Umgestaltung Wewelsburgs aus dem Februar 1944 – Quelle: Kreismuseum Wewelsburg

Die Schutzstaffel

Organisation der SS

Kameraschwenk: Die Ausstellung wendet sich nun der SS als ganzen Organisation zu. Wir erfahren zahlreiche Details über ihre inneren Strukturen und den Machtaufstieg. Letzterer resultierte nicht zuletzt daraus, dass es gelang, die Polizei in die SS einzugliedern. Die ideologische Ausrichtung war dabei von den Feindbildern und der Weltsicht Himmlers stark geprägt. Die vielfältigen Funktionen und Instrumente der SS bündelte er in seiner Person.

Die Komplexität der Organisationsstruktur nahm dabei im Laufe der Zeit erheblich zu. Die Gliederung der Verwaltung erfolgte in zahlreiche Hauptämter mit Querverbindungen und Einfluss auf verschiedene Abteilungen, Gruppen und Verbände in der SS. Zu den wichtigsten Gliedern gehört die Allgemeine SS, die weitgehend aus Freiwilligen und Ehrenamtlichen bestand, sowie die Waffen-SS, also die militärischen Einheiten der Schutzstaffel, zu denen auch die SS-Totenkopfverbände für die Bewachung der Konzentrationslager gehörten. Darüber hinaus existierte ein umfangreicher SS-Polizeiapparat, zu dem auch die berüchtigte Gestapo zu zählen ist.

Verfolgung und erste Konzentrationslager

Mit den zahlreichen Untereinheiten stellte die SS keine einheitliche Organisation dar, auch nicht in Hinblick auf das Personal. Gleichwohl vermittelte sie nach außen den Eindruck von Geschlossenheit, der sich durch Gemeinsamkeiten in Weltanschauung und Mentalität speiste. Dazu gehörte auch Gewalt gegenüber politischen Gegnern.

Die Ausstellung gibt mit zahlreichen Dokumenten einen umfangreichen Einblick über alle Bereiche der Gesellschaft, die von den Verfolgungsmaßnahmen der SS betroffen waren. Diese endeten für die Opfer nicht selten in den Mordmaschinerien der KZ-Lager, deren „moderner“ Prototyp spätestens 1937 mit dem KZ Sachsenhausen geschaffen wurde. Als besondere Ausbildungsstätte kristallisierte sich dabei das KZ Dachau unter dem Kommandanten Theodor Eicke heraus. Der „Dachauer Schule“ entstammten viele spätere KZ-Kommandanten und KZ-Funktionäre.

Symbole und Rituale der SS

Die Schutzstaffel stärkte ihre innere Vergemeinschaftung mit einer Reihe von Regeln und Ritualen, die sich aus Bruchstücken einer vermeintlichen germanisch-deutschen Vergangenheit zusammensetzte. Auf diese Weise wurde eine Ersatzreligion etabliert, die die Exklusivität der SS unterstrich. Eine Reihe entsprechender Kultobjekte sind in der Dauerausstellung der Wewelsburg eingebunden. Dazu ist gewiss die schwarze Uniform mit dem Totenkopfabzeichen auf der Mütze zu zählen. Zu diesem Programm gehörte auch die doppelte Sigrune als Emblem der Schutzstaffel, die sich auf zahlreichen Gegenständen und Schriftzeugnissen der SS findet.

Aber auch die Julleuchter, die vom Reichsführer-SS höchstpersönlich an die SS-Männer verschenkt wurden, gehörten zu dieser Inszenierung. Das nordeuropäische Julfest, in dessen Zentrum diese Kerzenleuchten standen, sollte die Germanenverehrung bis tief in die Familien tragen. Das Ritual sollte – so Himmlers Vision – das klassische Weihnachtsfest im Sinne des Germanenkults modifizieren.

Überhaupt stand Himmlers Handeln stets im Zeichen der Suche nach germanischen Vorbildern und Kultplätzen. Erstere fand er vor allem im Ahnenerbe, im mittelalterlichen Adel und in der Ritterschaft, aber insbesondere in der Person des ottonischen Königs Heinrich I. Die umgebaute Wewelsburg sollte dem vermeintlichen Ideal einer deutschen Burg entsprechen. Als Propagandainstrument diente der 1934 gegründete SS-eigene Nordland-Verlag. Die Veröffentlichungen standen häufig im Spannungsfeld esoterischer Ideologie und akademischen Anspruchs.

Kriegsverbrechen der SS

Mit Kriegsbeginn legte die SS auch die letzten rechtlichen und moralischen Fesseln ab. Die Ausstellung zeigt zahlreiche Fotos, die die Kriegsverbrechen der Schutzstaffel dokumentieren. Die Organisation nahm eine zentrale Rolle bei Hitlers Plänen eines „Großdeutschen Reiches“ ein. Um Lebensraum für die arische Bevölkerung zu schaffen, führte die Waffen-SS „Säuberungsaktionen“ gegen die Zivilbevölkerung im Osten Europas durch, bei denen es im großen Umfang zu Massakern und Deportationen kam. Damit war die SS in die nationalsozialistische Siedlungspolitik eingebunden, die eine ethnische Neuordnung Osteuropas zum Ziel hatte.

Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 gerieten Millionen von Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Ein großer Teil von ihnen kam in den Konzentrationslagern der SS durch Ermordung oder Zwangsarbeit ums Leben. Den Höhepunkt der Kriegsverbrechen der SS bildete aber der Völkermord an den Juden Europas, dem schätzungsweise sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen. Die Stationen zur Massenvernichtung der Juden waren meist Enteignung, Ghettoisierung, Deportation und Zwangsarbeit.

Zum engen Netz der bisherigen Konzentrationslager kamen ab Herbst 1941 nun die Vernichtungslager, in denen die SS-Totenkopfverbände Giftgas für die Tötungsmaschinerie einsetzten. Während die frühen Anlagen dieser Art noch auf Reichsgebiet lagen, wurden spätere Einrichtungen wie in Auschwitz-Birkenau, Lublin-Majdanek, Belzec, Sobibor oder Treblinka in der Regel auf besetztem polnischen Gebiet errichtet. In der „Aktion Reinhard“ und anderen Maßnahmen sind nicht nur Juden, sondern auch hunderttausende Sinti und Roma bis 1945 systematisch ermordet worden.

Der Nordturm

Nach so vielen bedrückenden Informationen können wir endlich frische Luft einatmen. Der Rundgang führt uns ins Freie, in den Burggraben. Wir schreiten unterhalb der Zufahrtsbrücke des Burghofs hindurch und gelangen in den Nordturm der Burg, dem konzeptionellen Zentrum der geplanten SS-Anlage. Auch wenn von den vorgesehenen drei Räumen nur die beiden unteren ausgeführt worden sind und diese nachweislich nie in Benutzung waren, können wir uns einer gewissen mystisch-okkulten Aura des Ortes nicht entziehen.

Die „Gruft“ im Kellergeschoss erinnert an eine griechische Grabkuppelanlage und besitzt in der Mitte eine Bodenvertiefung. Da der Raum in SS-Dokumenten auch als „Totenfeierraum“ bezeichnet wird und Reste von Rohrleitungen erkennbar sind, darf tatsächlich vermutet werden, dass hier eine ewige Flamme brennen sollte, wie sie häufig an Erinnerungs- oder Begräbnissorten für gefallene Soldaten anzutreffen ist.

Der darüber liegende „Obergruppenführersaal“ besitzt einen Umgang und zeigt damit Anklänge an frühchristliche oder romanische Zentralbauten. Ein zwölfspeichiges Bodenornament ist in der Mitte des Raumes eingelassen. Das Motiv ist alemannischen Ursprungs und aus Sigrunen aufgebaut. Welche kultische Bedeutung es hier in der Wewelsburg erfüllen sollte, ist nicht überliefert. Das Symbol, das als „Schwarze Sonne“ bezeichnet wird, wird unter Neonazis als Erkennungsmarke genutzt. Der schließlich nicht ausgeführte „Gruppenführersaal“ im Obergeschoss ist in den Planskizzen und Modellen als Kuppelraum mit klassizistischer Formensprache zu erkennen.

Das Konzentrationslager Niederhagen

Chronologie

Im Anschluss werden wir wieder ins SS-Wachgebäude geleitet, wo sich die Ausstellung nun dem KZ Niederhagen zuwendet. Obwohl am Rande von Burg und Dorf Wewelsburg gelegen, erhielt das dortige Lager nicht deren Namen, sondern den der Gemarkung Niederhagen. Offensichtlich sollte die SS-Eliteschule in der Burg nicht mit einem Terrorlager in Verbindung gebracht werden.

Seit Mai 1939 existierte ein Zeltlager unterhalb der Wewelsburg als Außenkommando des KZ Sachsenhausen. Ab 1940 errichtete man ein großes Lager unmittelbar am Dorfrand, welches im September 1941 zum eigenständigen KZ Niederhagen aufgewertet wurde. Nach Einstellung der Bauarbeiten an der Wewelsburg im Jahre 1943 verblieben nur wenige Häftlinge dort. Das Lager wurde wieder zu einem Außenkommando, dieses Mal des KZ Buchenwald.

Zwischen 1939 und 1945 waren rund 3900 Häftlinge in Niederhagen inhaftiert. Von ihnen überlebte ein Drittel die Tortouren nicht. Die Inhaftierten starben an Krankheit, Hunger und Gewalt der SS. Die Arbeitskommandos verteilten sich auf das gesamte Dorf und die Burganlage. Besonders gefürchtet waren Arbeitseinsätze in den Steinbrüchen und im Nordturm der Burg.

KZ Niederhagen
Das KZ Niederhagen auf einer Nachkriegsaufnahme – Quelle: Kreismuseum Wewelsburg

Wachpersonal und Häftlinge

Die Ausstellung beschreibt das Leben und die Haftbedingungen im KZ Niederhagen anhand zahlreicher Dokumente, einiger Fotografien und Objekte. Dabei wird die Perspektive von Tätern und Opfern eingenommen. Die Lagerleitung hatte zunächst Wolfgang Plaul inne, ehe er 1940 von Adolf Haas abgelöst wurde. Beide galten als brutal und rücksichtslos. Das Wachpersonal bestand zunächst aus SS-Totenkopfverbänden. Seit Kriegsausbruch kamen auch Angehörige der Allgemeinen SS hinzu, die kriegsuntauglich waren.

In der Ausstellung wird den unzähligen Opfern ein Gesicht gegeben. Exemplarisch werden die Schicksale einzelner Individuen herausgegriffen. In der Frühzeit des Lagers waren es vor allem Zeugen Jehovas (Bibelforscher), die in Niederhagen interniert waren. Sie erhielten wie alle anderen Gruppierungen eine eigene Kennzeichnung. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion bestimmten vor allem sowjetische Gefangene das Lagerleben. Zuletzt kommen die Überlebenden selbst zu Wort. In Interviews berichten sie von Leben und Überlebenskampf im KZ Niederhagen.

Steinbruch unterhalb der Wewelsburg
Lagerhäftlinge im Steinbruch unterhalb der Wewelsburg – Quelle: Kreismuseum Wewelsburg

Verdrängung – Aufarbeitung – Verklärung

Die Wewelsburg steht exemplarisch für einen Ort nationalsozialistischer Verbrechen. Sie ist im Kontext der Geschichte der SS eine ganz zentrale Station. Die Aufarbeitung der dortigen Geschehnisse setzte wie auch sonst in der Bundesrepublik erst nach Jahrzehnten ein. Die beteiligten SS-Männer wurden für ihre Taten mit einer einzigen Ausnahme nicht belangt. Vielfach konnten sie eine neue Stellung in der Nachkriegsgesellschaft einnehmen. Dabei engagierten sie sich nicht selten in rechtsnationalen Parteien und Organisationen.

Da erscheint es fast schon verständlich, dass man im Dorf Wewelsburg sehr lange Zeit nicht an das dunkle Kapitel der eigenen Geschichte erinnert werden wollte. Noch 1973 wurden erste zaghafte Versuche der Erinnerung wie eine Gedenktafel für die Opfer des Konzentrationslagers und ein Bilderzyklus von Josef Glahé im Nordturm der Burg wieder entfernt. Eine ernsthafte Aufarbeitung setzte erst in den 80er-Jahren ein.

Gleichzeitig begann die Instrumentalisierung der SS-Anlage durch Esoteriker, Satanisten und Rechtsradikale. Die Schwarze Sonne – das Bodenornament im Obergruppenführersaal – wurde zum mythologischen Nabel und Erkennungszeichen rechtsradikaler Gruppierungen. Dabei existieren aber keinerlei Quellen, die dieser Symbolik in der nationalsozialistischen oder der SS-Ideologie eine Rolle zugewiesen hätten. Okkulte Rituale sind im Nordturm für die 1980er- und 1990er-Jahre bezeugt.

Was von unserem Besuch der Wewelsburg bleibt, ist ein enorm intensiver und beklemmender Eindruck des Innenlebens nationalsozialistischer Machtstrukturen. Der Ort verschafft eine Vorstellung davon, welche menschenverachtende Ideologie Europa bei einem anderen Kriegsverlauf überzogen hätte. Es obliegt den heutigen und zukünftigen Generationen, die Erinnerung an die Abgründe menschlicher Fantasien aufrechtzuerhalten. Es war daher gut zu sehen, wie sich in den Ausstellungsräumen die eine oder andere Schulklasse in die Thematik vertiefte.

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