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Historischer Abriss
Das Städtchen Korbach im nordhessischen Waldecker Land liegt auf einer Hochebene nahe der Wasserscheide zwischen Eder und Diemel. Es besitzt eine hübsche Altstadt und viel geschichtliche Tradition, die beide wert sind, näher betrachtet zu werden. Der Ort, der erstmals 980 als Königshof urkundlich erwähnt wird, war bedeutend als Knotenpunkt zweier Fernstraßen. Im 11. Jahrhundert war er im Besitz der Paderborner Bischöfe, wobei die Grafen von Schwalenberg seit 1123 als bischöfliche Vögte belegt sind. 1188 erhielt Korbach Soester Stadtrecht. Die Vogtei ging in der Folge an die Grafen von Waldeck. Im 15. Jahrhundert folgte die Oberlehnshoheit der Landgrafen von Hessen. Korbach war zudem Hansestadt und erlebte im Spätmittelalter seine wirtschaftliche Blüte.
Die Urpfarre St. Kilian war eine der Keimzellen der Altstadt. Seit 1231 existierte dort ein Archidiakonat. Eine angrenzende Neustadt entwickelte sich bereits im 13. Jahrhundert rund um die Pfarrkirche St. Nikolai. Die Vereinigung von Alt- und Neustadt erfolgte 1377. Beide Stadtviertel sind noch heute im Stadtgrundriss ablesbar. Ein im späten 15. Jahrhundert gegründetes Franziskanerkloster wurde bereits rund ein Jahrhundert später in ein Gymnasium umgewandelt. Die Reformation zog erst 1544 in Korbach ein. In der Neuzeit ging die wirtschaftliche und administrative Bedeutung der Stadt zurück. Grund waren Streitigkeiten mit dem Landesherren, die zum Verlust vieler Privilegien führten, sowie die Zerstörungen im Dreißigjährigen und im Siebenjährigen Krieg. Das Stadtschloss, das Anfang des 18. Jahrhunderts niedergelegt wurde, ist nicht wieder aufgebaut worden. Beachtliche Reste der Anlage finden sich an der Stadtmauer der Neustadt.

Stadtrundgang
Die Kirchenbauten
Wir starten unseren Stadtrundgang am beherrschenden Bau der Altstadt, der Pfarrkirche St. Kilian, die mit ihrem hochragenden Westturm die Häuser überragt. Baustart der gotischen Hallenkirche war 1335 mit dem Chor. Das Langhaus wurde gegen 1380 begonnen und erst Mitte des 15. Jahrhunderts mit der Einwölbung vollendet. Auffällig ist der Grundriss des Langhauses mit drei mal drei Jochen und gleichbreiten Schiffen wie bei westfälischen Kirchenbauten. Der einschiffige Chor endet in einem herkömmlichen Polygon. Der Außenbau ist geprägt von der qualitätvollen Portalarchitektur an drei Seiten mit Wimpergen und Fialen. Höhepunkt ist das reich gestaltete Figurenportal im Süden mit seinem umfangreichen ikonografischen Programm. Im Bogenfeld ist das Jüngste Gericht zu sehen; in den Archivolten stehen Engel, Apostel, Kirchenväter, Propheten und Sibyllen. Die Gewände sind mit Anna selbtritt, Petrus, Paulus und weiteren Heiligen besetzt. Am Mittelpfosten befindet sich Maria mit Kind.
Der schlichte, aber weiträumige Hallenraum der Kilianskirche mit Rundpfeilern und Kreuzgratgewölben kann durch seine Ausstattung punkten. Beachtenswert sind das 1527 entstandene Hochaltarretabel, das fast gleichzeitig gefertigte Sakramentshaus, der gotische Kanzelkorb und weitere mittelalterliche Skulpturen.


Die Pfarrkirche St. Nikolai in der Neustadt ist architektonisch einfacher gestaltet als ihr Pendant in der Altstadt. Die Hallenkirche stammt einheitlich aus dem 15. Jahrhundert, schließt aber einen älteren Westturm des 14. Jahrhunderts ein. In diesem Rahmen präsentiert sich geradezu unerwartet prunkvoll das barocke Wandgrab für Fürst Georg Friedrich von Waldeck (gestorben 1692) mit Sarkophagnische und Reiterfigur des Verstorbenen. Der Aufbau der Kulissenwand wird von Säulen und Palmbäumen dominiert. Die Wahl des Ortes als Grablege ergab sich vielleicht aus der unmittelbaren Nähe der Schlossanlage der Waldecker zur Korbacher Neustadt und der Nikolaikirche.

Rathaus und Stadtbefestigung
Nach der Zusammenlegung von Alt- und Neustadt entstand ab 1377 an der Grenze der beiden Stadtteile ein neues Rathaus. Zu diesem Zeitpunkt existierte noch eine Stadtmauer zwischen den Stadtvierteln, und beide besaßen ihre eigenen Rathäuser. Spätmittelalterlich zeigt sich am neuen Rathaus heute nur noch die nach Südosten, zur Altstadt weisende Giebelwand mit Treppengiebel und Vierpassdurchbrüchen. Der übrige Baukörper ist nach einem Stadtbrand von 1664 erst Jahrzehnte später wiederhergestellt worden. Turm und Laubengang sind Ergebnis eines eingreifenden Umbaus in den Jahren 1929/30.

Beeindruckend präsentiert sich die in weiten Teilen erhaltene Stadtbefestigung von Korbach, die aus einem doppelten Mauerring besteht und Alt- und Neustadt gemeinsam umschließt. Zwischen den Wehrmauern liegt der Zwinger, in Korbach als Hagen bezeichnet. Mit dem Bau des inneren Mauerrings wurde bereits Ende des 12. Jahrhunderts begonnen. Die äußere Mauer ist der Zeit um 1400 zuzurechnen. Von den zahlreichen Türmen und Toranlagen haben vier Türme und Reste der ehemaligen Doppeltoranlage des Enser Tores die Zeit überdauert. Eine stattliche Höhe von 31 Metern besitzt der Tylenturm im westlichen Mauerabschnitt. Der Wollweberturm, der inschriftlich 1505 entstand, ist ein repräsentativer Rundturm von beträchtlichem Durchmesser. Er war zugleich Teil der ehemaligen Buranlage der Grafen von Waldeck.


Die Fachwerkstadt Korbach
Korbach ist auch eine ansehnliche Fachwerkstadt, die ihr ein kleinbürgerliches Stadtbild verleiht. Der Bestand stammt aufgrund der zahlreichen Stadtbrände – besonders verheerend im Jahre 1664 – weitgehend aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Besonders geschlossen präsentieren sich die Straßenzüge rund um das Rathaus wie die Professor-Kümmell-Straße (ehemals Landstraße), Stechbahn sowie die Langenfelder Straße. Auffällig sind dabei die gelegentlich kunstvoll geschnitzten Eckständer mit unterschiedlichster Ornamentik. Beispielhaft hierfür sind die Häuser Stechbahn 7, Lengefelder Straße 3 (Gasthaus Zur Krone) oder Professor-Kümmell-Straße 8a. Unbedingt beachtenswert ist zudem das reiche barocke Portal in der Stechbahn 9.


Pittoresk wirkt auch der unscheinbar wirkende, dreiecksförmige Platz südlich der Kilianskirche, der vor dem Zusammenschluss der Stadtteile im Spätmittelalter als Marktplatz der Altstadt diente. Seinen geschlossenen Eindruck hat er allerdings durch Abrisse im Laufe der Zeit eingebüßt. Im näheren Umfeld stehen zwei gut bewahrte Exemplare spätmittelalterlicher Steinhäuser mit hohen Treppengiebeln, die als Lagerhäuser dienten oder gelegentlich auch bewohnt waren. Es handelt sich um die Bauten Violinenstraße 3 und Enser Straße 7. Weitere, weniger gut erhaltene Exemplare finden sich in der Kirchstraße.


Anmerkung zur Altstadtsanierung
Trotz des sehr positiven Eindrucks des Stadtbildes kann Korbach an einigen Orten nicht verheimlichen, welche unbedachten Eingriffe in die historische Bausubstanz im Zuge der Altstadtsanierung seit Ende der 1960er-Jahre vorgenommen wurden und bis heute fortgesetzt werden. Die Verluste betreffen vorrangig die Bebauung der Neustadt. Eine vortreffliche Dokumentation des Baugeschehens und der historischen Bausubstanz Korbachs findet der interessierte Laie auf der Website des Heimatforschers Frank Löwenstein. Das Stöbern auf der als Wiki angelegten Seite kann ich an dieser Stelle wärmstens empfehlen.


Besonders einschneidend waren aber die Abbrüche übrigens in unmittelbarer Nachbarschaft des Rathauses. Ab 1968 wurden dort zahlreiche Bauten entnommen, um Platz für eine moderne Erweiterung der Stadtverwaltung zu schaffen. Welche wertvolle Bausubstanz hier im Herzen der Altstadt ohne Not verloren ging, zeigen historische Aufnahmen des unmittelbar vor dem Rathaus stehenden Mosheimschen Hauses. Dass es sich dabei auch noch um ein jüdisches Erbe handelt, ist fast schon eine Randnotiz. Kaum auszumalen, was Korbach zu bieten hätte, wäre dieser Frevel wie viele weitere Maßnahmen der Altstadtsanierung unterblieben. Diese kritische Schlussbemerkung soll aber nicht in Abrede stellen, dass die Stadt für stadthistorisch Interessierte einen Besuch wert ist.



