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Zwischen thüringischer und hessischer Herrschaft
Das nordhessische Frankenberg, erhöht über der Eder gelegen, dürfte bereits in karolingischer Zeit als befestigter Platz in den Auseinandersetzungen zwischen Franken und Sachsen gedient haben. Möglicherweise ist auch der Name der hübschen Fachwerkstadt auf diesen Umstand zurückzuführen. Wie große Teile Nordhessens ging der Burgberg im Jahre 1122 durch Erbschaft an die Landgrafen von Thüringen. Diese gründeten in den 1230er-Jahren die Stadt östlich unterhalb der Burganlage. Der Stadtgrundriss am Schnittpunkt von Handelswegen präsentiert sich auffallend regelmäßig. Als Verwalter der hessischen Gebiete für die thüringischen Landgrafen und somit Gründer Frankenbergs fungierte Konrad von Thüringen, der später zum Hochmeister des Deutschen Ordens aufstieg. Die Stadt diente als Stützpunkt gegen die Mainzer Erzbischöfe und die Vögte von Keseberg, einem Adelsgeschlecht, das nordöstlich unweit über dem Tal der Eder eine Burganlage, die Burg Keseberg, besaß.
1335 erfolgte die Gründung einer Neustadt durch Landgraf Heinrich II. von Hessen – das hessische Gebiet ist mittlerweile durch den thüringisch-hessischen Erbfolgekrieg zu einer eigenständigen Landgrafschaft aufgestiegen – am Ufer der Eder nördlich des Burgberges. Die Burg wurde 1376 von den Bürgern der Stadt zerstört, weshalb uns der Burgberg heute als unbebauter Bergrücken begegnet. 1476 erlitt Frankenberg einen verheerenden Brand, sodass sich die heutige Bebauung weitgehend frühneuzeitlich präsentiert. 1556 wurden Alt- und Neustadt vereinigt, zeichnen sich aber noch heute im Grundriss deutlich ab. Auffallend früh, bereits im Jahre 1527, zog die Reformation in Frankenberg ein. Wirtschaftliche Schwerpunkte setzen im Mittelalter die Wollweberei und der Bergbau. Letzterer blühte im 17. und 18. Jahrhundert durch den Untertagebau nochmals auf.

Der Bildhauer Philipp Soldan
Seit einigen Jahren benennt sich Frankenberg nach dem um 1500 in der Stadt geborenen Renaissancekünstler Philipp Soldan. Er gilt als wichtigster Steinmetz und Holzschnitzer der Reformation in Hessen und war ausschließlich dort und in unmittelbarer Nachbarschaft tätig (Frankenberg, Kassel, Marburg, Kloster Haina, Bingen am Rhein). Seine Werke sind an zahlreichen Orten und in vielen Museen Hessens zu bewundern. Zu seinem Œuvre gehören Grabsteine, Gedenksteine, Epitaphe oder Schnittarbeiten an Fachwerkbauten. Aber auch gusseiserne Ofenplatten mit biblischen Motiven finden sich in zahlreichen Museen. Bei unserer Tour durch Frankenberg fielen insbesondere die kunstvoll gestalteten Erkerkonsolen am Rathaus auf. Im Museum des Landkreises Waldeck-Frankenberg, dem ehemaligen Zisterzienserinnenkloster St. Georgenberg westlich vor den Toren des mittelalterlichen Frankenbergs, kann man einige Werke Soldans bewundern.


Liebfrauenkirche
Wir wollen unseren historischen Stadtrundgang am markantesten und hochgelegenen Gebäude Frankenbergs beginnen. Die Liebfrauenkirche wurde unmittelbar am östlichen Hang des Burgberges errichtet und überragt mit ihrem Westturm die Dächer der Stadt. Der als Pfarrkirche der Altstadt errichtete Bau geht auf eine Gründung Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Die Grundsteinlegung des gotischen Baus erfolgte 1286; das Langhaus war 1337 vollendet. 1353 wurde der Chor geweiht, der einen nur wenig älteren ersetzte. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ist Tyle von Frankenberg als Baumeister anzunehmen. Unter seiner Führung wurde auch die prächtige Marienkapelle an der südlichen Querhauskonche errichtet.

Die dreischiffige Hallenkirche stellt einen der bedeutendsten gotischen Bauten in Hessen dar. Vorbilder sind vor allem in der Marburger Elisabethkirche und in der Zisterzienser-Klosterkirche Haina zu sehen, die beide im näheren nordhessischen Umfeld errichtet worden sind. Der für diese Zeitstellung ungewöhnliche und somit seltene Typus des Dreikonchenchores findet sich zum Beispiel in Marburg wieder. Die charakteristischen Rundpfeiler mit insgesamt vier Diensten zu jeder Seite und reichem Blattwerk an den Kapitellen gehen letztlich auch auf Marburg und Haina zurück.
Ein Schmuckstück spätgotischer Architektur stellt die von Tyle von Frankenberg erbaute Marienkapelle dar. Die ehemalige Wallfahrtskapelle ist ausschließlich von außen betretbar und turmartig über einen achteckigen Grundriss errichtet. Sie darf mit seinem reichen Portal und der bemerkenswerten steinernen Altarwand im Inneren als Hauptwerk des Baumeisters angesehen werden.


Altstadt und Bürgerhäuser
Auffällig ist der Grundriss der Frankenberger Altstadt, dem ein zentraler Marktplatz fehlt. Um die Hanglage zu überbrücken, wurden stattdessen ein Ober- und ein Untermarkt als langgestreckte Platzanlagen geschaffen, an deren Gelenkstelle das ab 1509 nach dem großen Stadtbrand von 1476 neu in Fachwerk errichtete Rathaus steht. Die Fassaden – teilweise mit Schiefer verblendet – sind malerisch mit Erkern und Türmen versehen. Die Gefache des Fachwerks sind kontrastreich mit Backstein gefüllt.


Der Fachwerkbestand Frankenbergs konzentriert sich überwiegend auf die Altstadt, weniger prägend auch auf die Straßenzüge der Neustadt. Auch wenn der Bestand nicht mehr als geschlossen bezeichnet werden kann, sind an Ober- und Untermarkt sowie dem anschließenden Pferdemarkt zahlreiche Beispiele des 16. bis 19. Jahrhunderts erhalten. Viele Beispiele zeigen mehrgeschossige Eckerker. Besonders auffällig setzen sich einige Steinhäuser zwischen den Fachwerkfassaden ab. Erwähnenswert sind ein ehemaliges Burgmannenhaus – das sogenannte Steinhaus – am Pferdemarkt oder das Haus Geismarer Str. 3 mit einer rückwärtigen Kemenate aus dem 13. Jahrhundert.


Über Steinstraße und Ritterstraße mit vereinzelten Exemplaren stattlicher Fachwerkhäuser gelangen wir schließlich in die Neustadt. Die langgezogene Neustädter Straße führt nun stetig bergab bis auf das Niveau der Eder, die hier nahe am Burgberg vorbeifließt und mit Uferpromenaden zu einem abendlichen Ausklingen des Stadtrundgangs einlädt.