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Bluesky als Alternative zu X (Twitter)

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Elon Musk - Twitter
Elon Musk – der Tod von Twitter / X? (Public Domain generiert mit Midjourney durch netzpolitik.org)

Der Niedergang von Twitter

Seit der Übernahme Twitters durch den exzentrischen Unternehmer Elon Musk im Oktober 2022 kommt das soziale Netzwerk nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus. Mit der Umbenennung zu X war auch eine Neuausrichtung verbunden, die dazu führte, dass Nutzer die Plattform in großer Zahl verließen – meist in Wellen, wie jüngst nach der US-Wahl, als sich Musk als oberster Wahlkampfhelfer für Donald Trump positionierte.

Dass viele beliebte und sinnvolle Funktionen von Twitter nun kostenpflichtig sind und es immer mehr Einschränkungen bei der Nutzbarkeit des Netzwerks gibt, ist nur ein Teil des Problems. Die Abschaffung von Moderationsmechanismen und die durch den Algorithmus gezielte Verstärkung radikaler Inhalte, vorwiegend aus dem rechten Meinungsspektrum, lassen X zunehmend als Plattform von Hass, Hetze und Intoleranz erscheinen. Das ehemalige Twitter ist zu einem toxischen Ort geworden, in dem Wissenschaftsleugnung, Desinformation und Verschwörungserzählungen Hochkonjunktur haben. Dort, wo sich früher Politiker, Journalisten und Wissenschaftler austauschten, wird es zunehmend schwieriger, mit gemäßigter Stimme und rationalen Argumenten durchzudringen. Zuletzt haben sich auch viele NS-Gedenkstätten dem Exodus angeschlossen, weil die rechtsradikalen Inhalte auf der Plattform nicht nur überhandnehmen, sondern bewusst von Musk gefördert werden. Bei netzpolitik.org analysiert man fachkundig, warum dies der Anfang vom Ende von X sein könnte.

Den Wandel merke ich auch anhand meines eigenen Umgangs mit und auf X. Während ich in den Jahren vor Musk nie zum Mittel des Blockens greifen musste, hat sich mittlerweile ein beträchtlicher Haufen von Accounts in der entsprechenden Liste angesammelt. Meine Feeds werden zunehmend von fragwürdigen Inhalten ohne wirklichen Mehrwert aufgebläht. Die Reichweite meiner Inhalte – vorwiegend aus dem Bereich Kultur – verringert sich zunehmend. Das ist auch nicht überraschend, denn gerade Kulturakteure verlassen die Plattform in großer Zahl. Deutlich erkennbar wird dies, wenn es in einer Welle geschieht und mein Account in wenigen Wochen oder gar Tagen mehrere Dutzend Follower verliert.

Microblogging-Dienste in Konkurrenz

Nutznießer des Exodus bei X sind andere Anbieter – teilweise millionenfach. Twitter war ein klassischer Mikroblogging-Dienst. Entsprechend strömen die Nutzer zu sozialen Netzwerken, die eine ähnliche Struktur und Diskussionskultur bereithalten. Die bekanntesten unter ihnen sind Mastodon, Threads und Bluesky. Während man dem dezentral aufgebauten Mastodon zu Beginn die besten Chancen zuschrieb, die Nachfolge von Twitter anzutreten, ist es um dieses Social-Media-Netzwerk zuletzt sehr ruhig geworden. Threads ist an Instagram angekoppelt und daher gerade für Influencer und die bildaffine Community als chatartige Ergänzung attraktiv. Ein ganz heißer Kandidat für eine nachhaltige Nachfolge von Twitter ist derzeit Bluesky, das gerade in den vergangenen Monaten nochmals enorm von den Exits bei X profitieren konnte.

Vorstellung von Bluesky

Fast ein Zwilling

Bluesky ist erst Anfang 2023 auf den Markt gegangen und war einige Zeit nur mit entsprechender Einladung zugänglich, somit in der Benutzerzahl limitiert. Seit Februar 2024 bedarf es dieser dedizierten Offerte nicht mehr. Bluesky macht keinen Hehl daraus, dass es eine fast identische Kopie von Twitter sein möchte. Die Nutzer sollen sich sofort zurechtfinden und wohlfühlen. Selbst das Logo mit dem blauen Schmetterling erinnert verblüffend an den blauen Vogel von Twitter. Zu verdanken ist das sicher auch der Personalie Jack Dorsey, der beide Plattformen – Twitter und Bluesky – mitbegründete.

Wir finden die übliche Beschränkung an der Zeichenzahl vor, die ein Post haben darf. Bei Twitter waren es zuletzt 280 – Bluesky bietet 300. Einen Beitrag kann man wie gewohnt mit einem Herzchen oder sogar mit einem Kommentar versehen. Im Idealfall entwickeln sich aus Letzterem interessante Diskussionen. Das Reposten ist wie üblich direkt oder als Zitat möglich. Ebenfalls bekannt: Anklickbare Hashtags funktionieren als Verschlagwortung. Auch das Blockieren von trollhaften Nutzern und die Erstellung von Nutzerlisten sind in gewohnter Weise möglich.

Zuletzt hatte X einen langgehegten Wunsch der Nutzerschaft umgesetzt: die Möglichkeit, eigene Beiträge zu editieren. Das ist allerdings nur über einen kostenpflichtigen Premium-Account möglich. Bei Bluesky müssen alle wieder die gewohnten Einschränkungen der Unveränderbarkeit der eigenen Zeilen hinnehmen. Auch den zweigeteilten Feed aus den Beiträgen der gefolgten Accounts einerseits und einem vom Algorithmus der Plattform vorgeschlagenen findet man auf beiden Plattformen.

Benutzergenerierte Feeds

Wer sich bei Twitter und X selbst generierter Feeds bedienen wollte – und das war gerade in letzter Zeit eine sinnvolle Angelegenheit, weil die Standardfeeds mit immer mehr Desinformationen und politischer Aggressivität zumüllten -, der konnte auf das beliebte Tweetdeck zugreifen, um Suchen und Filter zu definieren. Damit war es etwa möglich, über die entsprechenden Hashtags in Echtzeit aktuellen Geschehnissen wie den Inhalten einer Fachtagung zu folgen und sich sogar darüber auszutauschen. Kulturträger, Wissenschaftler, Journalisten und natürlich auch alle anderen Berufsgruppen konnten auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Feeds zusammenstellen. Seit Mitte 2023 ist auch damit Schluss bei X – zumindest, wenn man nicht für einen Premium-Account Geld in die Hand nehmen möchte.

Bluesky hatte es sich zur Aufgabe gemacht, diese Schwachstelle zu eliminieren und die Möglichkeit zu schaffen, benutzergenerierte Feeds allen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Dieses Versprechen ist bisher nur zum Teil eingelöst worden. Zwar lassen sich benutzergenerierte Feeds abonnieren, aber die Erstellung eigener Feeds ist ohne erheblichen Aufwand und Drittanbieter-Tools kaum zu bewerkstelligen. Ich gehe aber stark davon aus, dass Bluesky an dieser Stelle mittelfristig nachbessern wird. Ein Test im Themenbereich Kultur ergab, dass kaum deutschsprachige Feeds zu Hashtags wie #Geschichte, #Kultur, #Museum oder #Kunstgeschichte zu finden sind. Einzig ein Feed zur #Erinnerungskultur ist vorhanden. Diejenigen, die bereit sind, sich ein wenig in die Materie von Feeds einzuarbeiten, können vorerst durch Tools wie Skyfeed Unterstützung finden. Und auch für das Tweetdeck existiert ein übersichtliches Bluesky-Pendant: deck.blue. Letzteres wird aber seinen ganzen Nutzen erst mit der vollständigen Integration von benutzerdefinierten Feeds entfalten können.

Eigene Erfahrung und persönliche Motivation

Ich mache mit meinen Zeilen hier keinen Hehl daraus gemacht, dass mich die zunehmende Aggressivität und Desinformation auf X frustriert. Ich bin daher schon einige Monate mit dem Gedanken schwanger gegangen, meine Aktivitäten auf meiner einst liebsten Social-Media-Plattform einzuschränken, wenn nicht sogar einzustellen. Im Sommer habe ich einen letzten Versuch gestartet, mit einem Pro-Account und den damit zur Verfügung stehenden Tools die Reichweite meiner überwiegend kulturellen Themen auf ein früheres Niveau zu hieven. Das war nur kurzzeitig von Erfolg gekrönt, bis die nächste Exit-Welle einsetzte. Das berühmte Fass zum Überlaufen brachte schließlich ein angeblicher Jurist, der in bester Potsdamer Tradition Remigrationsfantasien von sich gab, sich dabei nicht durch Einwände stören lassen wollte und mich über Tage hinweg beschimpfte und beleidigte. Offensichtlich lässt das richtige Umfeld nun die letzte Scheu vor juristischen Konsequenzen des eigenen Handelns verfliegen. Es ist nun Zeit, anderen Communitys eine Chance zu geben.

Wer allerdings glaubt, bei Bluesky sei diesbezüglich alles Friede, Freude, Eierkuchen, der sollte sich vor Augen halten, dass Social Media uns schon vor langer Zeit die Freiheit, aber auch die Bürde auferlegt hat, dass seither jeder seine Weltanschauung in wenigen Sekunden der Öffentlichkeit mit der Tastatur ohne Scham präsentieren darf und kann. Und so dauerte es nur wenige Tage, bis ich auch hier mit entsprechenden Anfeindungen konfrontiert wurde, dieses Mal vom ganz linken Rand des gesellschaftlichen Spektrums. Selbst die Fokussierung auf Kulturthemen schützt vor derartigen Auswüchsen offensichtlich nicht. Es bleibt abzuwarten, wie Bluesky in Zukunft mit der stark steigenden Popularität umgehen wird. Die Problematik der Finanzierung scheint jedenfalls ihren Schatten vorauszuwerfen, denn der Dienst denkt bereits über die Einführung von Werbung und einem Premium-Abo nach. Wir alle haben aber nun die Chance, die neue Plattform mitzugestalten und sie zu einem würdigen Nachfolger von Twitter zu machen.

2 Kommentare zu “Bluesky als Alternative zu X (Twitter)

    1. Gute Entscheidung! Bei mir wird es wahrscheinlich ein allmählicher Prozess, der nun eingesetzt hat. X rufe ich nicht mehr täglich auf. Bluesky ist nun an diese Stelle gerückt.

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