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Axel Springer versus Werbeblocker

Posted on – zuletzt aktualisiert am 19. April 2018
Bild.de mit Werbeblocker

Werbeblocker im Schussfeld von Medien-Konzernen

Der Axel-Springer-Verlag glaubt allen Ernstes, den Lesern des Online-Angebotes der BILD gerichtlich untersagen lassen zu können, die eingeblendete Werbung abzuschalten. Nun könnte man damit argumentieren, eine geringere Leserzahl dieses Angebots könnte das Bildungsniveau der deutschen Bevölkerung positiv beeinflussen. Unabhängig davon, wie man selbst zu der Lektüre dieses umstrittenen Blattes steht, hat die Geschichte allerdings einen weitaus ernsteren Hintergrund und könnte weitreichendere Folgen haben, als es diese ersten Zeilen vermuten lassen. Es lohnt ein Blick hinter die Kulissen.

Zu den weit verbreiteten und bei Internet-Nutzern sehr beliebten Browser-Erweiterungen gehören unter anderem Adblock bzw. Adblock Plus, die nervige Werbung auf Websites zuverlässig ausblenden. Leser, die auf bild.de landen, werden allerdings aufgefordert, ihren Werbeblocker zu deaktivieren, damit sie die dortigen Artikel lesen können. Auch das Abschalten von Javascript quittiert die BILD-Website übrigens mit einer Zugangssperre. Aus sicherheitstechnischer Sicht ist dies ein unerhörtes Vorgehen aus dem Hause Springer.

Bereits in der Vergangenheit haben diverse Medien mehrfach versucht, gerichtlich ein generelles Verbot von Adblock Plus durchzusetzen. Unter anderem scheiterten damit Pro7, SAT.1 und RTL, Zeit Online und das Handelsblatt sowie der Axel-Springer-Verlag selbst. Erfreulicherweise ist kein deutsches Gericht der absurden Argumentation der Medien-Konzerne gefolgt. Das bringt Springer allerdings nicht davon ab, den juristischen Krieg fortzuführen und dabei ein fragwürdiges Vorgehen an den Tag zu legen.

Werbeblocker arbeiten mit einfachen Filterregeln, die stets aktualisiert werden. Deshalb ist es auch mit einfachen Mitteln möglich, die Erkennung eines Werbeblockers durch bild.de zu unterbinden. Diese auch von nicht versierten Computer-Nutzern einfach einzugebenden Filterregeln wurden und werden auch noch auf einigen Websites zur Verfügung gestellt. Der Eyeo GmbH, der Entwicklerin von Adblock Plus, wurde die weitere Verbreitung der fraglichen Filter durch einstweilige Verfügung untersagt. Ähnliches widerfuhr dem YouTuber Tobias Richter, der eine Anleitung für die nötigen Eingaben in einem Video online stellte und dafür eine Abmahnung kassierte. Richter setzt sich allerdings mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne zur Wehr, die das finanzielle Risiko eines Prozesses abfangen soll.

Adblock Plus für Firefox

Fliegender Gerichtsstand und einstweilige Verfügung

Der juristisch unkundige Leser wird sich nun fragen, wieso es für den Axel-Springer-Verlag so einfach war, die Verbreitung eines einfachen Filters zu verbieten. Begünstigt wird dies durch zwei umstrittene Regelungen des deutschen Rechtssystems. Zum einen nutzen die Medien-Konzerne die Möglichkeit des fliegenden Gerichtsstandes, wonach der Kläger sich bei einem vermeintlichen Vergehen, das durch das Internet an jedem Ort verübt worden ist, den Gerichtsstand auszusuchen kann. Das führt regelrecht zu einem Klagetourismus an Gerichte, die für ihre restriktive Haltung gegenüber der freien Meinungsäußerung bekannt sind. Insbesondere das Landgericht Hamburg tut sich seit Jahren in dieser Hinsicht negativ hervor.

Zum anderen ist es das Instrument der einstweiligen Verfügung, die finanziell potenten Klagewütigen einen unangemessenen Vorteil gegenüber dem gemeinen Bürger im Rechtsstreit beschafft. In einem solchen eilbedürftigen Verfahren wird nur die anspruchsstellende Partei gehört, die ihren Anspruch lediglich glaubhaft machen, aber nicht beweisen muss. Bei Erlass der einstweiligen Verfügung wird die Gegenpartei in der Regel nicht zur Sache gehört, hat aber die Kosten des Verfahrens zu tragen, die mehrere tausend Euro betragen. Dem Antragsgegner bleibt nur, es zu akzeptieren oder wie Tobias Richter nun das Gerichtsverfahren anzustreben, was mit noch höheren Kosten verbunden ist.

Die juristische Einschätzung

Und genau diesen Weg verfolgt der Axel-Springer-Verlag. Er überzieht die Hersteller von Werbeblockern mit Klagewellen an diversen Gerichten und missbraucht dadurch das deutsche Rechtssystem. Letztlich ist es ausreichend, wenn nur ein einziges Gericht der Argumentation des Verlages folgt. So muss man leider feststellen, dass der jüngste Beschluss pro Adblock am Landgericht Stuttgart als Pyrrhussieg zu werten ist. Erschwerend zu den Widrigkeiten des deutschen Rechtssystems kommt die weit verbreitete Inkompetenz der Richter, die mangels eigener Erfahrungen in Bezug auf moderne Medien nicht selten weltfremde und dadurch vielfach auch juristisch falsche Urteile verkünden. Rechtsanwalt Stadler hat die Abmahnung von Springer gegen Tobias Richter analysiert und kommt zu folgendem aufschlussreichen Ergebnis:

Die juristische Argumentation mit der Springer die Abmahnung begründet, ist mehr oder minder originell. Die Anleitung zur Umgehung der Werbeblockersperre soll eine Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme zum Schutz urheberrechtlicher Werke im Sinne von § 95 a UrhG darstellen.

Die Werbeblockersperre bei bild.de mag eine technische Maßnahme sein, sie dient aber nicht dem Schutz eines Werkes im Sinne des UrhG. Das oder die Werke um die es geht, stellt BILD ja gerade frei zugänglich ins Netz. Die Sperre dient nicht dem Schutz der Inhalte auf bild.de, sondern dem Schutz der Werbung, die BILD auf seinem Portal schaltet.

Die Erläuterung, wie man die AdBlockersperre durch bloße Filtereinstellungen von AdBlockerPlus umgehen kann, erfüllt darüber hinaus auch nicht die Voraussetzungen von § 95 Abs. 3 UrhG, so dass es sich nicht um eine verbotene Handlung im Sinne des Gesetzes handelt.

Zur einstweiligen Verfügung das LG Hamburg gegen die Eyeo GmbH schreibt er:

Mir erscheint es insoweit bereits ungenau bzw. unrichtig, Filterbefehle als Programmcodes zu bezeichnen, wie dies im Tenor der Verbotsverfügung geschehen.

Die urheberrechtlich kritischen Aspekte beantwortet die eher apodiktisch gehaltene rechtliche Begründung des Landgerichts nicht. Man hätte sich mit der Frage befassen müssen, ob die Werbeblockersperre bei bild.de überhaupt eine wirksame technische Maßnahme ist, die dem Schutz eines Werkes im Sinne des UrhG dient.

Darüber hinaus hätte man genau erläutern müssen, welche Verletzungshandlung im Sinne von § 95a Abs. 3 UrhG konkret vorliegt.

Wenn man die Hürde derart niedrig ansetzt wie das Landgericht Hamburg, wird sich kaum mehr nachvollziehbar begründen lassen, weshalb nicht auch die Blockade von Pop-Up-Fenstern oder die Blockade von Websites die Cookies einsetzen, Unterlassungsansprüche gegen den Browserhersteller auslösen sollten.

Kurzum: Die Richter am LG Hamburg haben die Funktionsweise von Adblock Plus nicht verstanden. Ebenso hat man fälschlicherweise Werk und Werbung miteinander vermengt. Der Filter, der nicht mit einem Programmcode zu verwechseln ist, umgeht gar keine technische Maßnahme zum Schutz des Werkes, sondern blendet lediglich die Werbung aus.

Fazit

Die BILD-Zeitung gibt unverhohlen zu, worum es ihr eigentlich geht:

Das Kerngeschäft der Klägerin ist die Vermarktung von Werbung. Journalistische Inhalte sind das Vehikel, um die Aufmerksamkeit des Publikums für die werblichen Inhalte zu erreichen.

Es ist also mal wieder das liebe Geld, Inhalte sind nur Mittel zum Zweck. Das erstaunt bei der BILD aber auch nicht wirklich. Beunruhigend ist lediglich, wie Konzerne durch ihr fragwürdiges Vorgehen in ein selbstverständliche Alltagsgeschehen einzugreifen versuchen und dabei auch in Kauf nehmen, Existenzen wie von Tobias Richter zu zerstören. Noch bestimmen wir selbst, welche Werbung wir sehen wollen und welche nicht. Sollte diese Auseinandersetzung juristisch zu Gunsten von Springer entschieden werden, dann werden nicht nur Po-Up-Blocker die nächsten Ziele sein, sondern die Fernbedienung, die es uns ermöglicht, trotz Konsums eines Spielfilms die Werbeblöcke zu überspringen.

Update (19.04.18): Die zahlreichen Verfahren, die Springer gegen die Eyeo GmbH führte, landeten nun erstmals vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Um es kurz zu machen: Der Verlag unterlag mit seiner Rechtsauffassung auf ganzer Linie. Selbst in der Praxis des Adblock-Herstellers, Werbung für Bezahlung freizuschalten, sah das Gericht als legitim an. BILD wäre aber nicht BILD, wenn man sich vor dem höchsten deutschen Gericht geschlagen gibt. Springer kündigt allen Ernstes Verfassungsbeschwerde an. Anders ausgedrückt: BILD möchte nicht akzeptieren, das die Leser selbst die Entscheidung treffen, ob sie Werbung konsumieren möchten, und bemüht dafür die deutsche Verfassung. Aber irgendwie ist dieses Szenario für diese Verlagshaus dann doch wieder absolut passend.

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