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Paderborn – Pfalz und Bistum an den Paderquellen

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Paderborn - Dom, Pfalz und Paderquellen
Paderborn: Dom, Pfalz und Paderquellen

Die mittelalterliche Geschichte Paderborns

Karolingische Pfalz und Bischofssitz

Das westfälische Paderborn darf man, ohne zu übertreiben, als einen der bedeutendsten Orte der frühmittelalterlichen Geschichte Mitteleuropas bezeichnen. In einer Quellmulde entspringt hier das Flüsschen Pader in unzähligen kleinen Quellarmen, die noch heute das Stadtbild prägen. Im Jahre 776 gründete Karl der Große an dieser Stelle auf sächsischem Boden eine königliche Pfalz mit einer Aula regia. Bereits ein Jahr später fanden in der als Karlsburg bezeichneten Pfalz eine Reichssynode und eine Reichsversammlung statt. Das kann unzweifelhaft als Machtdemonstration des Frankenkönigs gegenüber den Sachsen verstanden werden, mit denen er sich insgesamt 32 Jahre bekriegen sollte. Noch im selben Jahr wurde als Missionsstützpunkt eine Salvatorkirche in Paderborn geweiht.

Um den Christianisierungsprozess der Sachsen zu beschleunigen, entstand schließlich ein im Jahre 799 geweihter, erster Dom. Paderborn wurde damit Bischofssitz. Im gleichen Jahr empfing Karl den aus Rom geflohenen Papst Leo III. in seiner Pfalz. Diese enge Beziehung mündete schließlich in die Kaiserkrönung im Jahre 800 in der Heiligen Stadt. Fränkisches, später deutsches Kaisertum und das Papsttum gingen dabei einen Bund ein, der für viele Jahrhunderte die Geschicke der europäischen Geschichte bestimmen sollte.

Neuanfang unter Bischof Meinwerk

Nach einem Stadtbrand, der Pfalz und Dom zerstörte, kam es unter Bischof Meinwerk (1009 bis 1036) zu einem Neuanfang und dem Ausbau Paderborns zur Residenz. Hierzu sind der Neubau des Domes sowie die Errichtung der Abdinghofkirche im Westen und der Busdorfkirche im Osten des Domes zu zählen. Meinwerk ließ zudem einen Bischofspalast und eine zweite Königspfalz errichten, zu der auch die noch erhaltene, filigrane Bartholomäuskapelle zählt. Der Plan, dieser Ost-West-Achse weitere Bauten im Norden und Süden der Domimmunität zur Seite zu stellen, kam aber nicht mehr zur Ausführung.

Der Paderborner Bischof gehörte zu den Vertrauten des ottonischen Kaisers Heinrich II. Entsprechend häufig sind Aufenthalte des Regenten in Paderborn bezeugt. Bereits 1002 wurde hier die Gemahlin Heinrichs, Kunigunde, zur Königin gekrönt.

Die Handelsstadt Paderborn

Begünstigt durch die Lage am Kreuzungspunkt der Fernhandelsrouten des Hellwegs und des Frankfurter Weges entwickelte sich südwestlich des Domes, im Bereich des heutigen Marienplatzes mit dem Rathaus, schon frühzeitig eine Marktsiedlung, die sich im 12. und 13. Jahrhundert rasch ausbreitete. 1028 wurden dieser durch Konrad II. Markt-, Münz- und Zollrechte bestätigt. Eine Stadtbefestigung mit fünf Stadttoren existierte spätestens in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Marktkirche St. Pankratius ist im 18. Jahrhundert abgerissen worden. Lediglich die Gaukirche St. Ulrich aus dem späten 12. Jahrhundert hat sich als mittelalterliche Pfarrkirche (seit 1231 Zisterzienserinnen-Klosterkirche) erhalten.

Die Ersterwähnung des Stadtrechts und des Rathauses sind auf die Jahre 1238 und 1279 datiert. Die Bürgerschaft befand sich wie in vielen anderen mittelalterlichen Städten in ständigen Auseinandersetzungen mit dem bischöflichen Stadtherren. Die Bestrebungen nach selbständiger städtischer Verwaltung führten sogar zeitweise zur Vertreibung des Bischofs aus der Stadt.

Architekturgeschichte

Die Pfalzen

Die erste, karolingische Pfalz ist archäologisch in direkter Nachbarschaft zum Dom nachgewiesen. Die Grundmauern des langgestreckten Saalbaus sind freigelegt und können heute von interessierten Kultureisenden nördlich des Domturmes inspiziert werden.

Unmittelbar nördlich anschließend stand die von Bischof Rethar begonnene und von Meinwerk vollendete spätottonische Pfalz mit Aula, Wohntrakt und Kapellen. Auch dieser Bau ist bei einem Brand zerstört worden, wurde aber ab 1997 unter Einbeziehung der vorhandenen Reste als Museum (LWL-Museum in der Kaiserpfalz) wiederhergestellt. Einzigartig ist vor allem die Lage der Pfalzbauten unmittelbar oberhalb der Paderquellen. Die Topographie führte dazu, dass eine davon durch die ottonische Pfalz überbaut wurde, wodurch eine vom Gebäude erreichbare Quellkammer entstand.

Die Bartholomäuskapelle

Neben der mit der spätottonischen Pfalz verbundenen Ikenbergkapelle sticht vor allem die Bartholomäuskapelle architekturgeschichtlich heraus. Der Bau ist zeitgleich mit der Pfalz unter Bischof Meinwerk zwischen Dom und Pfalzgebäude entstanden. Die Raumform einer gewölbten Halle auf schlanken Säulen ist zu diesem frühen Zeitpunkt singulär. Wir haben hier die erste Hallenkirche nördlich der Alpen vor uns. Als Baumeister sind byzantinische oder italienische Fachkräfte anzunehmen, die Meinwerk von seinen zahlreichen Romreisen mitgebracht haben könnte. Die Formensprache der Basen und Kapitelle ist dagegen der heimischen Architektur entlehnt.

Domkirche

Vorgängerbauten

Der heutige Dom besaß eine ganze Reihe Vorgängerbauten am gleichen Ort, die alle archäologisch nachgewiesen sind. Der erste Bau war eine um 780 errichtete karolingische Missionskirche. Sie war ein schlichter Saalbau mit unbekanntem Ostschluss. Die folgende größere Kirche wurde höchstwahrscheinlich 799 zum Dom geweiht. Es handelte sich um eine dreischiffige Basilika mit wahrscheinlich dreiapsidialem Chorschluss. Die Kirche wurde im 9. Jahrhundert im Westen um ein Querhaus und einen zweiten Chor erweitert. Im späten 10. Jahrhundert wurden auch die Ostteile umgestaltet. Dabei entstand auch eine Hallenkrypta.

Nach dem Brand der Jahrtausendwende entstand unter Bischof Meinwerk ein basilikaler Neubau mit rechteckigem Ostchor und ausladendem Querhaus mit Nebenapsiden. Der markante Westbau bestand aus einem quadratischen Mittelturm und seitlichen Rundtürmen. Eine solche Konstellation ist heute noch an der Stiftkirche im westfälischen Freckenhorst zu beobachten.

Nach einem erneuten Brand kam es zu einem weiteren Neubau in größeren Dimensionen, der 1068 unter Bischof Imad geweiht wurde. Es handelte sich um eine doppelchörige Anlage mit zwei Querhäusern. Über dem Westchor existierte möglicherweise ein Chorturm. Weitere Umbauten waren die Errichtung einer gewölbten Ostkrypta um 1100 und die Wölbung der gesamten Kirche noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts. Damit war die Paderborner Bischofskirche einer der frühesten Gewölbebauten weit über den westfälischen Raum hinaus.

Paderborn - Dom
Dom von Südosten

Bestehender Dombau

Die bestehende Kirche ist ein fast vollständiger Neubau, deren Baubeginn um 1210 anzunehmen ist. Über dem Westchor der wiederum doppelchörigen Anlage entstand zunächst ein gewaltiger Turmbau, der die Stadtsilhouette bis heute prägt. Wohl zeitgleich im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts ist die Anlage des Ostchores errichtet worden. Zu dieser Zeit muss auch der Entschluss zur Errichtung einer Halle als Langhaus gefasst worden sein. Die Bauarbeiten zogen sich bis dabei 1280 hin.

Die Domkirche stellt in seiner Form einen der Schlüsselbauten für die Entwicklung der westfälischen Hallenkirche und den Einzug gotischer Bauformen aus Nordfrankreich dar. Er wirkte vorbildhaft für zahlreiche westfälische Hallenbauten in der Nachfolge.

Das Paradies

Ein weiterer Höhepunkt der Domarchitektur ist das Paradies an der Südfront der Kirche. Die Vorhalle ist in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an den Vorgängerbau des heutigen Doms angefügt worden. Sie diente der geistlichen Gerichtsbarkeit, ist aber im Laufe der Zeit verändert worden. Ähnliche, allerdings jüngere Exemplare finden sich an den Domkirchen von Münster und Lübeck. Das monumentale Doppelportal im Innern fungiert als Haupteingang in das Dominnere und ist aus stilkritischen Erwägungen heraus um 1230/40 zu datieren.

Das Portalgewände, die Archivolten, das Tympanon sowie der Mittelpfosten sind reich mit Figuren, Ornamenten und Mikroarchitektur besetzt. Sie zeugen von höchster bildhauerischer Fertigkeit. In der Mitte sehen wir die stehende Muttergottes, flankiert von den Kirchpatronen Kilian und Liborius. Letztere Holzfiguren setzen sich in ihrer strengen Frontalität, den schematischen Gewandfalten und den stereotypen Körperformen vom übrigen Skulpturenschmuck des Paradiesportals ab und sind einige Jahrzehnte älter zu datieren. Im Portalgewände stehen Apostel- und Heiligenfiguren unter Baldachinen. Üppige Ranken und Weinlaub werten die Kapitelle und die Kämpferzonen auf; ein Drachenfries umläuft die kleeblattförmigen Portalöffnungen.

Paderborn - Dom - Kapitelle am Paradiesportal
Dom, Kapitelle am Paradiesportal

Der Kreuzgang mit dem Dreihasenfenster

Vom östlichen Querhaus des Doms gelangt man durch einen Vorraum (sog. Atrium) mit angeschlossener Brigidakapelle – beide Räume sind noch dem 12. Jahrhundert zuzurechnen – in das nordöstlich an den Dom anschließende Domkloster mit Kreuzgang (sog. Pürting). Letzterer ist im Kern ebenfalls noch dem 12. Jahrhundert zuzurechnen, wurde aber in gotischer Zeit mehrfach überformt und ergänzt.

Hierzu zählt auch das berühmte Hasenfenster vom Anfang des 16. Jahrhunderts, das sich zu einem Wahrzeichen Paderborns entwickelt hat. Im Maßwerk des Fensters sind drei Hasen im Kreis angeordnet, deren Löffel sich gegenseitig ergänzen. Dadurch besitzen alle Hasen zwei Ohren, obwohl deren nur drei dargestellt sind. Die Symbolik der drei Hasen ist in der christlichen Kunst nicht singulär; ihre Deutung ist jedoch nicht trivial. Möglicherweise ist es ein Hinweis auf die Dreifaltigkeit Gottes.

Paderborn - Domkreuzgang
Domkreuzgang mit Hasenfenster

Die Abdinghofkirche

Die in strengen romanischen Formen westlich des Doms erbaute Abdinghofkirche ist als Klosterkirche der Benediktiner entstanden und diente als Grablege für Bischof Meinwerk. Sie ist neben der Domkirche der für die frühe Geschichte Paderborns bedeutendste Sakralbau in der Paderstadt. Für den Gründungsbau der Klosterkirche ist ein Weihedatum im Jahre 1016 überliefert. Der schlichte Saal mit Chorquadrum ist aber bald durch eine dreischiffige und doppelchörige Basilika in Analogie zum Petersdom in Rom ersetzt worden.

Der erste Westquerbau mit Rundtürmen stürzte noch während der Bauarbeiten ein. 1023 erfolgte die Weihe einer Ringkrypta unter der Ostapsis. Für 1031 ist die Schlussweihe belegt. Spätestens nach einem Stadtbrand von 1058 kam es zu einer umfangreichen Erneuerung der Kirche mit nun quadratischem Chor und einer darunter befindlichen Hallenkrypta. Der Westchor wurde dagegen mit Apsis und flankierenden Türmen errichtet. Bei einer Restaurierung im 19. Jahrhundert ist diese Apsis ebenso wie die im 12. Jahrhundert im Mittelschiff eingezogenen Kreuzgratgewölbe entfernt worden.

Die Abdinghofkirche präsentiert sich heute somit als romanischer Bau des späten 11. und frühen 12. Jahrhunderts. Die Doppelturmfassade bildet mit dem monumentalen Westturm des Domes eine beeindruckende und weit sichtbare Silhouette, die insbesondere aus der Perspektive der Niederungen des Paderquellgebietes ehrfurchtsvoll aufragt. Zweifelsohne war diese Wirkung bischöflicher Machtfülle für die mittelalterlichen Zeitgenossen ungleich intensiver.

Die Busdorfkirche

Die sogenannte Busdorfkirche, die Stiftskirche St. Petrus und Andreas, ist der östliche Gegenpol zur Abdinghofkirche. Der Gründungsbau ist kurz vor dem Tod Bischof Meinwerks 1036 begonnen worden. Schriftquellen und archäologische Befunde legen nahe, dass es sich bei der ersten Kirche um einen oktogonalen Zentralbau mit Annexbauten als Abbild der Jerusalemer Grabeskirche gehandelt haben muss. Von dieser Anlage des 11. Jahrhunderts hat sich der Westbau mit den runden Flankentürmen, wie man sie sich auch an Dom und Abdinghofkirche vorstellen muss, erhalten. Sie dienen heute als Ostteile einer westlich anschließend errichteten Hallenkirche der Zeit um 1300.

Durch diese bemerkenswert asymmetrische Baugeschichte wirkt der Kreuzgang des Stifts eigentümlich nach Osten versetzt. Nord- und Ostflügel sind noch ins späte 12. Jahrhundert zu datieren. Durch das Tonnengewölbe mit Stichkappen und die dreibogigen Arkaden zum Hof zeigt sich die Architektur fast archaisch, bildet aber mit den darüber aufsteigenden Rundtürmen ein malerisches Ensemble, das eine entfernte Vorstellung der ehemaligen Bedeutung des Komplexes bietet.

Die Gaukirche

Als letzter romanischer Sakralbau entstand südlich des Doms die sogenannte Gaukirche, die 1183 als Stadtpfarrkirche St. Ulrich bezeugt ist. Das schlichte Äußere birgt eine gewölbte romanische Pfeilerbasilika mit Querhaus aus der Zeit um 1170/80. Die Architektur folgt dem Muster der nahen Lippoldsberger Klosterkirche an der Weser.

Gänzlich atypisch präsentiert sich die Position des massiven oktogonalen Turms über dem westlichen Joch der Kirche, wie er gelegentlich als Vierungsturm anzutreffen ist (zum Beispiel St. Ludgeri in Münster, Klosterkirche Gröningen, Burgkirche in Querfurt oder an den Domen in Speyer, Mainz und Worms). Die jüngere Vorhalle der Gaukirche ist in eine Häuserzeile eingebunden, wodurch sich zum Domplatz hin eine reizvolle barocke Kulissenarchitektur mit dem dahinter aufragenden romanischen Turmbau entfaltet.

Paderborn - Domplatz mit Gaukirche
Domplatz mit Gaukirche

Niedergang und Ausblick in die Neuzeit

Kaum eine Stadt in Deutschland ist noch heute derart durch seine frühe Phase in karolingischer und ottonischer Zeit geprägt wie Paderborn. Die Bedeutung als Missionsstützpunkt gegen die sächsischen Heiden wirkte lange nach und erreichte seinen Höhepunkt im frühen 11. Jahrhundert unter Bischof Meinwerk. Die Verlegung der bischöflichen Residenz ins nahegelegene Neuhaus im 14. Jahrhundert bedeutete einen Bruch in der Kontinuität kirchlicher Hegemonie in Paderborn. Die Pest und zahlreiche Stadtbrände hemmten die Entwicklung der bürgerlichen Stadt. Das Spätmittelalter hat entsprechend wenige Bauzeugnisse von Rang in der Stadt hinterlassen.

Erst unter der beginnenden Gegenreformation und der damit verbundenen Ansiedlung der Jesuiten in der Stadt im Jahre 1580 begann eine neue Ära bischöflicher Prägung. Die katholischen Fürstbischöfe machten Paderborn zu einem kulturellen und wissenschaftlichen Zentrum. Insbesondere das späte 17. und das 18. Jahrhundert hinterließen in der Stadt ihre barocken Spuren. Das soll aber das Thema eines späteren Artikels sein.

Ein Kommentar zu “Paderborn – Pfalz und Bistum an den Paderquellen

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