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DSGVO – Fotografieren von Personen nach Kunsturhebergesetz

Posted on – zuletzt aktualisiert am 2. November 2018
DSGVO für Fotografen

Fotografieren in Zeiten der DSGVO

Vor wenigen Tagen habe ich einen Leitfaden zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verfasst, der sich vor allem dem Online-Auftritt von Bloggern, Vereinen oder Freiberuflern widmet. Ausgeklammert habe ich ganz bewusst die Rechtslage beim Fotografieren, was ich hiermit in einem zweiten Teil nachholen möchte. Bei kaum einem anderen Aspekt der DSGVO kann man so viel Halbwahrheiten und Hysterie lesen. Von Interessenverbänden, Fotografen und Bloggern wurde bereits das Ende der digitalen Fotografie in seiner jetzigen Form heraufbeschworen. Auch der eine oder andere Rechtsanwalt schürte Ängste, sei es um Kunden zu generieren oder sich in der Diskussion zu profilieren.

Was genau ist das Problem?

Spätestens mit der Anwendbarkeit der DSGVO ab dem 25. Mai stellen digitale Fotografien eine Erhebung personenbezogener Daten dar, insofern auf den Fotos Personen erkennbar oder identifizierbar sind. Bisher regelte in Deutschland das Kunsturhebergesetz (KUG) von 1907 die entgegengesetzten Interessen von Fotografen und betroffenen Personen. §23 bestimmt unter anderem, dass eine Einwilligung der Abgebildeten für eine Veröffentlichung des Bildnisses dann entbehrlich ist, wenn diese Personen nur als Beiwerk einer Landschaft oder Szenerie auf der Aufnahme auftauchen. So war es seit mehr als einem Jahrhundert möglich, Aufnahmen von touristisch stark frequentierten Orten, Großveranstaltungen oder Demonstrationen anzufertigen. Das KUG hatte auch gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Vorrang, um einen Ausgleich der Interessen zu schaffen. Davon profitierten sowohl Privatpersonen, die einen Schnappschuss vor dem Brandenburger Tor machen wollten, als auch professionelle Fotografen, die eine Sportveranstaltung in Bilder fassten.

Die Suche nach der künftigen Rechtslage spitzt sich letztlich auf die Frage zu, ob die DSGVO das KUG gänzlich verdrängt. Die DSGVO sieht nämlich in Art. 85 die Möglichkeit einer Öffnungsklausel für nationale Regelungen vor. Während Österreich und Schweden in dieser Hinsicht auch bereits tätig geworden sind, stellt sich die Bundesregierung auf den Standpunkt, dass dies hierzulande nicht nötig sei. Rechtsanwalt Florian Wagenknecht sieht in dem bereits existenten §23 KUG genau diese Ausnahmeregelung.

Einschätzung der Datenschutzbehörden, der Gerichte und der Bundesregierung

Das Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat sich jüngst in die Diskussion eingemischt und eine Stellungnahme abgegeben. Um es kurz zu machen: Das Ministerium geht von einem Fortbestehen der Geltung des KUG aus, so dass Fotografien mit Personen als Beiwerk wie bisher ohne Einwilligung möglich sind. Ebenso äußerte sich das Bayerische Landesamt für Datenschutz in seiner Broschüre zur DSGVO. Anders argumentiert der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, gelangt aber schließlich zu einem Ergebnis mit gleicher Tragweite für die Praxis. Er sieht den Gesetzgeber in Deutschland in der Pflicht, von der Öffnungsklausel explizit Gebrauch zu machen und eine Regelung außerhalb des KUG zu formulieren. Fotografen empfiehlt er, bis dahin das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO als Rechtsgrundlage für die Datenerhebung heranzuziehen.

Update (27.05.18): Ein Leser hat mir freundlicherweise die Stellungnahme zu seiner Anfrage an den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen in eben dieser Sache zukommen lassen. Nordrhein-Westfalen liegt demnach auf gleicher Linie mit Bayern, Hamburg und dem Bund. Auch dort sieht man §23 KUG weiterhin in Kraft, womit sich Fotografen bei der Veröffentlichung von Personenaufnahmen als Beiwerk darauf berufen können.

Update (31.07.18): Mittlerweile hat auch das erste Gericht die Anwendbarkeit des KUG bestätigt. Positiv an der Entscheidung ist hervorzuheben, dass es mit dem Oberlandesgericht Köln immerhin die zweithöchste deutsche Gerichtsinstanz ist, die sich mit der Problematik beschäftigt hat. Das schafft ein Stück Rechtssicherheit. Negativ ist festzuhalten, dass das Urteil lediglich journalistische Inhalte betrifft, Blogger und Privatpersonen somit nicht explizit einbezieht. Es spricht allerdings viel dafür, dass sich die Rechtsauffassung auf Aufnahmen auch in anderem Kontext übertragen lässt. Eine ausführliche Besprechung findet sich unter anderem bei LEAD digital.

Update (02.11.18): Vor wenigen Wochen hat sich nun auch die Bundesregierung zum Verhältnis DSGVO und KUG geäußert. Auf die Anfrage einer Abgeordneten stellte der Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Günter Krings fest (S. 46-48):

Auch unter Geltung der DSGVO besteht ausreichende Rechtssicherheit für das Fotografieren in der Öffentlichkeit. Das auch unter Geltung der DSGVO fortbestehende KunstUrhG stützt sich ebenso wie die das sog. Medienprivileg regelnden Landespresse- und Landesdatenschutzgesetze auf die Öffnungsklausel des Artikel 85 Absatz 1 DSGVO. Sowohl der Bundes- als auch die  Landesgesetzgeber haben bereits von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht. Ein weitergehender Gesetzgebungsbedarf wird nicht gesehen.

Auch sofern die Ausnahmeregelungen des KunstUrhG bzw. der Landespresse- bzw. Landesdatenschutzgesetze nicht greifen und damit die Regelungen der DSGVO in Gänze zum Tragen kommen, unterliegt die Verarbeitung von Fotografie-Daten ganz ähnlichen Grundsätzen wie schon nach bisheriger Rechtslage. Ein gesetzgeberischer Regelungsbedarf wird seitens der Bundesregierung hier ebenfalls nicht gesehen.

Fazit und Empfehlung

Lassen Sie sich nicht von der weit verbreitet Panik anstecken. Die Welt der Fotografen und Blogger geht nicht unter! Halten Sie sich weiterhin an die Bestimmungen des KUG oder argumentieren Sie ersatzweise mit berechtigtem Interesse nach DSGVO, bis der Gesetzgeber in der Angelegenheit nachbessert. Zwar sind Gerichte weder an die Ansicht eines Bundesministeriums, der Datenschutzbehörden und auch nicht der Bundesregierung gebunden, aber eine bessere Argumentationsgrundlage für den verantwortungsvollen Umgang mit personenbezogenen Daten werden Sie kaum finden.

Weitere empfehlenswerte Quellen zu der Thematik:

FAQ von RA Niklas Plutte
RA Dr. Endress Wanckel | fotomagazin
Interview mit RA David Seiler

7 Kommentare zu “DSGVO – Fotografieren von Personen nach Kunsturhebergesetz

  1. Übersichtlich und leicht verständlich. Das Beste, was ich bisher zum Thema DSGVO gelesen habe. Vielen, vielen Dank!

    1. Das Wichtigste ist, sich nicht von der allgemeinen Hysterie um die DSGVO anstecken zu lassen und mit kühlem Kopf die weitere Entwicklung zu verfolgen. Lasst euch nicht eure Projekte kaputt reden.

  2. Das KUG (von 1907) regelt nur die Veröffentlichung von Fotografien und Bildnissen. Die DSGVO setzt jedoch viel früher an „bei der Erhebung“ der Daten. Die Einwilligung muss vor der Erhebung erfolgen. Abgesehen davon soll das KUG eigentlich vom UrHG eigentlich abgelöst werden. Sollte das KUG also eines Tages wegfallen, wird es eng! Auch für Blogger- denn niemand will immer wieder dieselben nichtssagenden Stockfotos sehen!

    1. Es ist zwar richtig, dass die DSGVO bereits bei der Aufnahme selbst ansetzt, aber hier ist mit dem berechtigten Interesse wie bisher zu verfahren. So wird es auch von den Datenschutzbehörden empfohlen. Mittlerweile ist der Sachverhalt auch von der Bundesregierung klargestellt, was ich in meinem Artikel auch nachtragen werden. Dass das KUG vom UrHG abgelöst werden soll, ist mir nicht bekannt. Aber ich bin mir sicher, dass der Blogger auch weiterhin für seine Recherchen Fotografien anfertigen und veröffentlicht können wird. Da muss niemand in Panik verfallen.

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