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Die Klosterkomplexe von Großcomburg und Kleincomburg

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Kloster Großcomburg
Das Benediktinerkloster Großcomburg bei Schwäbisch Hall von Süden

Blick in die Geschichte der Comburg

Wenige Kilometer südlich der ehemaligen Reichsstadt Schwäbisch Hall ragt die imposante Klosterburg Großcomburg mit ihrer Silhouette über dem Tal des Kochers in den Himmel. Ganz gleich, von welcher Seite man sich ihr nähert, der beeindruckende Anblick macht den Besucher ehrfürchtig vor den historischen Bauleistungen. Romanik und Barock sind die beiden Epochen, die die Gestalt des Ensembles entscheidend prägten.

Es waren die Grafen von Comburg-Rothenburg, ein Geschlecht, das aus dem Dunkeln der Geschichte ebenso schnell auftauchte, wie es alsbald wieder verschwand, die das Kloster Comburg mit Unterstützung des Bischofs von Würzburg vor 1078 gründeten. Zuvor stand hier eine Burganlage im Besitz des Grafen Burkhard II., die nun Ende des 11. Jahrhunderts in ein Reformkloster der Benediktiner umgewandelt wurde. Die ersten Mönche kamen aus Brauweiler im Rheinland. 1488 wurde das Kloster in ein adeliges Chorherrenstift umgewandelt. 1802 erfolgte die Säkularisation. Beide Prozesse sind typisch für ihre Zeit und lassen sich allerorts im Reichsgebiet beobachten.

Kloster Großcomburg - Klosterkirche
Die barocke Klosterkirche Großcomburg mit ihren romanischen Türmen

An der Architektur kann man die Blütezeiten des Klosters ablesen. Da ist zunächst die barocke Klosterkirche mit monumentalem Satteldach, aus dem auffällig eigentümlich die romanischen Turmspitzen des ersten Kirchenbaus ragen. Zahlreiche neuzeitliche Nebengebäude umgeben den Kirchenbau. Umfasst wird der vielteilige Klosterkomplex von einer turmbesetzten Ringmauer mit Wehrgang aus der Zeit von Probst Erasmus Neustetter (1551-1594). Die Barockisierung der Kirche erfolgte unter Dekan Wilhelm Ulrich von Guttenberg (1695-1736).

Rundgang durch den Klosterkomplex

Torbauten, Kapellen und Ringmauer

Wir betreten den Klosterkomplex ehrfurchtsvoll über mehrere hintereinandergeschaltete Tordurchfahrten, die an eine wehrhafte Burganlage denken lassen. Beeindruckend erhebt sich dabei die letzte unter ihnen mit ihrer Doppelturmfassade mit Galerie in die Höhe. Der als Michaelskapelle bezeichnete, reich gegliederte Torbau entstand in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und zeugt von der Bedeutung des Klosters Comburg im Hochmittelalter.

Folgen wir dem Weg bergauf, erreichen wir einen weiteren prägnanten Bau des Areals, die Erhardskapelle. Der spätromanische Baukörper aus der Zeit um 1220 stellt einen sechseckigen Zentralbau dar, dessen Untergeschoss als Treppenaufgang gestaltet ist. Der Innenraum des Obergeschosses ist über eine Mittelstütze rippengewölbt. Die Funktion der Kapelle ist nicht restlos geklärt. In Betracht kommen eine Friedhofs- oder Reliquienkapelle, aber auch die Nachbildung des Heiligen Grabes in Jerusalem.

Kloster Großcomburg - Erhardskapelle
Die spätromanische Erhardskapelle – dahinter die Neue Dekanei aus dem 18. Jahrnundert

Wir stehen nun vor den Ostteilen der Stiftskirche. Dies ist der beste Ort, um die Ringmauer mit ihrem Wehrgang zu betreten, die um das gesamte Klosterareal herumführt und einen wahrlich imponierenden Eindruck von der Komplexität einer gewachsenen Klosterburg hinterlässt. Wir durchschreiten nicht nur die Torbauten, die in diesen Umgang integriert sind, sondern können auch einen Blick werfen auf die Außenmauern zahlreicher Bauten wie Kreuzgang und Klausur sowie die Neue Dekanei, die unter Dekan von Guttenberg im 18. Jahrhundert entstanden ist. Zudem hat man von hier den besten Blick auf die umliegenden Hänge und das noch zu thematisierende Kleincomburg auf der gegenüberliegenden Hangseite.

Kloster Großcomburg - Ringmauer
Ringmauer der Comburg mit Wehrgang und Türmen

Die Stiftskirche und ihre Ausstattung

Die Stiftskirche St. Nikolaus ist ein barocker Hallenbau, der Teile seines romanischen Vorgängers integriert. Letzterer wurde 1088 geweiht und im frühen 13. Jahrhundert mit einer neuen Choranlage im Osten versehen, deren Chorflankentürme noch heute aus dem Dach der barocken Kirche ragen. Der Neubau wurde von 1706 bis 1715 durch Joseph Greissing errichtet. Westlich vorgelagert ist ihm der romanische Turm des Gründungsbaus, der ebenso wie seine östlichen Pendants reich mit Lisenen und Friesen gegliedert ist. Dieser Stilpluralismus macht den besonderen Reiz der Gesamtanlage aus.

Bedeutender als die barocke Architektur sind zweifelsohne die Ausstattungsstücke der Kirche, allen voran der Radleuchter und das Antependium – übernommen aus dem Vorgängerbau. Der seltene romanische Radleuchter konkurriert mit den vergleichbaren Stücken aus Aachen und Hildesheim. Er ist besetzt mit Türmchen sowie Medaillons mit Halbfiguren. Das romanische Antependium besteht aus einem Holzkern und vergoldetem Kupferblech. Ferner existierten bemerkenswerte barocke Ausstattungsstücke wie Hochaltar, Kanzel und Chorgestühl aus der Hand des Würzburger Künstlers Balthasar Esterbauer. Diverse Nebenaltäre vervollständigen die Komposition. Auch das Epitaph des Probstes Neustetter findet sich in der Kirche.

Kloster Großcomburg - Klosterkirche - Radleuchter
Radleuchter in der Klosterkirche

Kreuzgang und Kapitelsaal

Eigentümlicherweise befindet sich der Kreuzgang des Klosters westlich achsial vor der Kirche, obwohl man ihn sonst im Norden oder Süden suchen würde. Dies dürfte der Topografie des Ortes auf dem langgezogenen Bergplateau geschuldet sein. An den Kreuzgang schließt sich im Süden ein bemerkenswertes Kleinod an, dessen Existenz von außen nur schwer ablesbar ist: der ehemalige Kapitelsaal (heute als Schenkenkapelle bezeichnet) des Klosters aus dem 12. Jahrhundert. Er unterteilt sich heute in mehrere Einzelräume. Der Vorraum des Kapitelsaals ist von einer romanischen Zwerggalerie vom Hauptraum geschieden.

Kloster Großcomburg - Kapitelsaal
Der Kapitelsaal mit reicher Ausstattung

Besondere Beachtung verdient die Ausstattung der Räume, allen voran ein steinernes, sehr seltenes romanisches Lesepult mit vier Ecksäulchen und Würfelkapitellen. Hier und in der angrenzenden Josephskapelle finden sich zahlreiche vorzügliche Grabdenkmäler und Epitaphe des Spätmittelalters. Beispielhaft seien genannt: Grabdenkmal für Schenk Georg I. von Limpurg (gest. 1475), Grabplatte des ersten Combuger Probstes Seyfried von Holz (gest. 1504) oder die unter Baldachinen stehenden Figuren von Schenk Friedrich V. und seiner Ehefrau, der Gräfin Susanna von Tierstein (beide Grabmale um 1470 entstanden). Friedrich ist zugleich die Stiftung der Josephskapelle zu verdanken. Übrigens: Die Schenken von Limpurg gehörten einem weitverzweigten schwäbisch-fränkischen Adelsgeschlecht an, dessen Stammburg, die Burg Limpburg, in Steinwurfreichweite zur Comburg liegt. Als Schenken hatten sie ein wichtiges Amt am königlichen bzw. kaiserlichen Hof inne.

Abstecher zur Kleincomburg

Ein wahrer Geheimtipp ist die auf der anderen Talseite liegende Abtei Kleincomburg. Der tiefe Einschnitt wird durch den Waschbach gebildet, der hier in den Kocher fließt. Bereits die steile Anfahrt ist ein kleines Abenteuer, bevor man unvermittelt vor der Klosteranlage steht, die heute zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehört und bis in die jüngste Vergangenheit auch als Haftanstalt diente. Die Überlieferung für die Gründungsgeschichte der Abtei ist dürftig, aber wir wissen, dass sie 1108 wie Großcomburg von den Grafen von Comburg-Rothenburg gegründet wurde. Der Stifter Graf Heinrich II. war ein Bruder Burkhard II. Spätestens seit Ende des 13. Jahrhunderts ist hier ein Frauenkloster bezeugt. 1684 zogen Kapuzinermönche ein und errichteten Anfang des 18. Jahrhunderts anstelle der mittelalterlichen Klausur ein Hospiz, das mit der erhaltenen romanischen Abteikirche bis heute ein Geviert bildet.

Die Säulenbasilika St. Ägidius des frühen 12. Jahrhunderts mit Flachdecke folgt reformkirchlicher Architektur der Hirsauer Bauschule. Die Hauptapsis schließt nach außen hin flach. Einst existierten am Querhaus Nebenapsiden und ein markanter achtseitiger Vierungsturm. Die farbenfrohen Wandmalereien des Chores sind im 19. Jahrhundert in Anlehnung an romanische Fragmente geschaffen worden. Überhaupt vermittelt der karge Raumeindruck eine gute Vorstellung von hochromanischer Sakralarchitektur, auch wenn man sich eine ursprünglich vollständige Ausmalung der Wände vorzustellen hat. Die Gliederung des Außenbaus mit Lisenen, Halbrundsäulen und Rundbogenfries ist in seltener Vollständigkeit erhalten.

Kloster Kleincomburg - Klosterkirche - Mittelschiff
Blick durch das Mittelschiff der Klosterkirche Kleincomburg

Kleincomburg ist ein viel zu wenig beachtetes Kleinod, das mit der größeren Schwester auf der anderen Seite des Tales ein einzigartiges Ensemble bildet. Von hier aus bietet sich zudem ein atemberaubender Blick auf Großcomburg, das majestätisch das Bergplateau krönt. Selten gehen Landschaft und Architektur eine so vollkommene Symbiose ein.

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