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Der PS.Speicher in Einbeck zwischen Museum und Erlebniswelt

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PS.Speicher in Einbeck
Außenansicht des PS.Speichers, Foto: Kulturstiftung Kornhaus

Sammlung, Museum, Erlebniswelt?

Gehört hatte ich bereits zuvor vom PS.Speicher, doch erst im April diesen Jahres bekam ich die Gelegenheit, diese ungewöhnliche Einrichtung in Einbeck –  im Übrigen eine pittoreske Fachwerkstadt im Süden Niedersachsens – kennen zu lernen. Auf der Jahrestagung des Museumsverbandes Niedersachsen und Bremen im Einbecker Rathaus stellte uns Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel sein Haus vor. Dabei gab er sich sichtlich Mühe, den PS.Speicher nicht als Museum anzusprechen. Überzeugt hat er das Auditorium indes davon nicht, zumal die Einrichtung alle Kernaufgaben der ICOM-Standards für Museen erfüllt: Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln. Immerhin: Der Vortrag hat mich dazu bewogen, dem PS.Speicher nun einen ausgiebigen Besuch abzustatten.

Die Sichtweise auf die eigene Arbeit ist wohl in der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte des Hauses begründet, das erst 2014 in einem ehemaligen Speichergebäude eröffnet wurde. Karl-Heinz Rehkopf, Unternehmer und Sammler historischer Fahrzeuge, stiftete es seiner Heimatregion. Trägerin des Museums ist die 2009 gegründete Kulturstiftung Kornhaus. Auf Rehkopf geht die Devise zurück, sich nicht als ein weiteres Museum unter den unzähligen in diesem Lande zu definieren. Und in der Tat ist der PS.Speicher mehr als ein Museum oder eine Sammlung von Oldtimern: Es ist zugleich Erlebnisausstellung. Das Gelände bietet zudem Tagungsräume und ein Hotel; es beherbergt ein gastronomisches Angebot sowie eine Außenstelle des Standesamtes.

Wer nach Superlativen sucht, kann sie bekommen: Nach eigenen Angaben besitzt das Museum die größte Sammlung deutscher Serienmotorräder, die weltgrößte Sammlung von Klein- und Kleinstwagen sowie eine der weltgrößten Sammlungen historischer Nutzfahrzeuge. Insgesamt ist der PS.Speicher im Besitz von über 2000 Sammlungsobjekten, wovon rund 400 in der Dauerausstellung zu sehen sind.

Die Dauerausstellung

Der Rundgang durch die Dauerausstellung beginnt ungewöhnlich: mit einer Fahrt im Fahrstuhl in die sechste Ebene des Speichers. Die Ausstellung ist chronologisch konzipiert und bewege sich von oben nach unten durch die Stockwerke. Der Aufenthalt im geräumigen Fahrstuhl, der sich als Zeitmaschine entpuppt, ist sehr kurzweilig. Dazu trägt auch eine Sitzgruppe mit Ausblick über die Dächer Einbecks bei. Mit einer audiovisuellen Einführung wird man auf die Zeitreise ins Jahr 1812 eingestimmt. Dies lässt uns schließlich gespannt aus der Kabine treten.

PS.Speicher, Ebene 6
Ebene 6 mit den Anfängen der Lauf- und Fahrräder, Foto: Kulturstiftung Kornhaus

Das Ausstellungs- und Vermittlungskonzept

Oben angekommen werden durch zahlreiche Exponate, Schautafeln und Videoformate die Anfänge der mechanischen Mobilität veranschaulicht. Überhaupt wird viel Wert auf Anschaulichkeit gelegt. Das Museum versteht sich weniger als einfache Sammlung historischer Gefährte. Vielmehr wird die europäische Geschichte des 19. und vor allem 20. Jahrhunderts im Spiegel ihrer Mobilität dargestellt. Das Vermittlungskonzept geht auf: Eindrücklich erfährt der Besucher, auf welche Weise die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen die Entwicklung von Fahrrad, Motorrad und Automobil beeinflussten. Dabei bleibt aber auch die Erläuterung der technischen Fortschritte nicht auf der Strecke, so dass auch der technikaffine Besucher auf seine Kosten kommt.

Äußerst authentisch wirkt vor allem die Milchbar der 1950er Jahre mit einer Jukebox. Der Besucher darf hier mit der Wahl der Musik selbst partizipieren und gleichzeitig die für diese Zeit typischen Motorroller bewundern. Die Aufbruchstimmung nach den Schrecken des Krieges und die aufkommende Reiselust der Deutschen ist an diesem Ort erfahrbar und spürbar. Sehr liebevoll und detailverliebt ist auch der Campingplatz der 1960er Jahre umgesetzt. Selbst das Schilf am Ostseestrand bewegt sich hier. Natürlich darf in dieser Szenerie der erste VW Bulli, der T1, nicht fehlen. Skurril dagegen: Ein Amphibienfahrzeug, das beim Konsumenten keinen Anklang fand und daher nur in sehr geringer Stückzahl produziert wurde.

PS.Speicher mit Automobilen von DKW und IFA
Die 1950er Jahre: Automobile der Hersteller DKW und IFA, Foto: Kulturstiftung Kornhaus

Überhaupt wird Partizipation des Besuchers hoch angesiedelt im Ausstellungskonzept. Dazu tragen einige durchaus gelungene Fotostationen bei, bei denen digitale Technik sinnvoll zum Einsatz kommt. Die Fotos kann man mit dem Strichcode der Eintrittskarte schießen. Danach besteht die Möglichkeit, diese von der Website des PS.Speichers herunter zu laden, wenn man sie nicht kostenpflichtig im Museum ausdrucken lassen möchte. Ebenso wissen die Fahrsimulatoren zu gefallen. In der Ausstellung selbst befindet sich ein einfacher für die ganze Familie. In einem separaten Gebäude steht zudem für Ambitionierte ein kostenpflichtiger Rennsimulator mit einem Porsche 911.  Mittels einer hydraulischen Bühne wird dabei jede Fahrsituation für den Fahrer physisch spürbar.

Neben den sehr gelungenen „Konzepträumen“ findet sich auch das eine oder andere Schmuckstück in den Räumen des Kornspeichers. Da sich meine Affinität und Kenntnis bei Motorrädern in Grenzen hält, sind vor allem die Automobile älteren Baujahrs meiner Aufmerksamkeit gewiss. Herausheben möchte ich den Benz Patent-Motorwagen Victoria aus dem Jahre 1890er Jahren und einen geradezu luxuriösen Horch Typ 350, der in den Jahren 1928 bis 1932 in Zwickau produziert wurde. Da möchte man doch sofort einsteigen und eine Runde drehen.

PS.Speicher, Horch Typ 350
Horch Typ 350, Bauzeit 1928 bis 1932

Kritik und Fazit

Und damit leiten wir auch schon zur Kritik an der Ausstellung über. So faszinierend die Automobile auch auf den Besucher wirken, so gehen sie in der Masse der Motorräder stellenweise unter (auch wenn meine Bildauswahl etwas anderes suggeriert). Wüsste man es nicht besser, dann würde man nach einem Besuch des PS.Speichers glauben können, die Geschichte der Mobilität des 20. Jahrhunderts wäre von Motorrädern dominiert gewesen. Dass dies allenfalls für die erste Hälfte des Jahrhunderts im gewissen Umfang zutrifft, das erfährt der aufmerksame Leser der zahlreichen Schautafeln dann aber doch. Den Eindruck eines starken Ungleichgewichts zwischen zwei- und vierrädrigen Objekten empfanden übrigens unabhängig voneinander auch meine drei Begleiter im Museum. Bei der Auswahl der Motorräder für die Dauerausstellung wäre weniger mehr gewesen!

PS.Speicher, Motorräder
Motorräder der NS-Zeit, Foto: Kulturstiftung Kornhaus

Diese Schräglage kann man als Besucher dadurch ausgleichen, dass man eine oder mehrere der sehr zahlreichen Sonderausstellungen oder die beiden Schaudepots (Bus + LKW sowie Kleinwagen) besucht. Es dürfte allerdings schwerfallen, nach rund vier Stunden informativem Input in der Dauerausstellung noch mehr Inhalte aufzunehmen. Zudem: Bereits der Preis für die Dauerausstellung ist mit 12,50 € hoch aber angesichts des Gebotenen durchaus berechtigt angesetzt. Dass man allerdings für die Sonderausstellungen und insbesondere für die Depots nochmal tief ins Portemonnaie greifen muss – insgesamt wären wir dann bei 32 € – das dürfte dann doch viele abschrecken. Und da sind die optionalen Führungen noch gar nicht enthalten.

Insgesamt bleibt aber ein positiver Eindruck haften. Insbesondere das Ausstellungskonzept als Wanderung durch die gesellschaftlichen und politischen Wirren der letzten zwei Jahrhunderte kann überzeugen und kreiert aus einfachen stereotypen Objektreihungen ein wahres Erlebnis. Auch der Einsatz digitaler Medien wirkt nicht überzogen und unterstützt die Vermittlung der Inhalte punktgenau. Der PS.Speicher überzeugt durch Atmosphäre und Anschaulichkeit!

2 Kommentare zu “Der PS.Speicher in Einbeck zwischen Museum und Erlebniswelt

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