
Inhalt
Geschichte und Bedeutung
Das Historische Museum Frankfurt ist als Stadtmuseum eines der ältesten und größten seiner Art. Die Planungen für ein städtisches Universalmuseum in der Mainmetropole begannen 1861 und führten 1877 zur Eröffnung. Der Aufbau erfolgte mit Unterstützung des Rates der Stadt und durch zahlreiche Privatsammlungen. Das bürgerliche Sammlungswesen ist noch heute ein Themenschwerpunkt im Museum. Eine zweite Wurzel der Sammlungen bildete das im 19. Jahrhundert aufblühende Vereinsleben in Frankfurt. Einige wurden zu leidenschaftlichen Förderern des Museums.
Das Haus machte eine bewegte Geschichte durch. Seine Sammlungen dienten vielen Spezialmuseen als Lieferant von Exponaten. Zeitweise wandelte sich das Museum selbst zum Spezialmuseum für Archäologie, Volkskunde, Kultur, Kunst oder Geschichte Frankfurts. Die Schwerpunkte änderten sich mehrfach. Heute ist es vielfältiger denn je und spiegelt die außerordentliche Diversität der Stadt mit ihren zahlreichen Ethnien und Religionen wider. In sechs Gebäuden werden 800 Jahre Stadtentwicklung gezeigt. Dabei werden nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und die Zukunft Frankfurts und seiner Stadtgesellschaft dargestellt. Inklusion ist Teil des neuen Leitbildes, was beim Rundgang durch die zahlreichen Räume und Ausstellungen nicht zu übersehen ist.
Die Gebäude
Bereits die aus 800 Jahren stammenden Räumlichkeiten des Historischen Museums Frankfurt spiegeln die wechselvolle Geschichte der Stadt wider. Nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelt im Saalhof, den in Teilen erhaltenen Pfalzbauten, wurde das Museum immer wieder durch Neubauten erweitert, zuletzt 2017. Die historischen Bauten des Saalhofs bestehen aus den Resten der staufischen Pfalz mit Kapelle, dem Bernuspalais, dem Burnitzbau und dem spätmittelalterlichen Rententurm. 1972 wurde nördlich davon ein Neubau eröffnet, der durch seine brutalistische Architektur höchst umstritten war und kaum 40 Jahre später weichen musste.
Der 2017 eröffnete Neubau nimmt nicht nur den Hauptteil der neuen Ausstellung auf, sondern prägt auch das Bild des Museums zur Stadt hin. Das architektonische Konzept beinhaltete nicht nur die neue Ausstellungsgestaltung, sondern war auch städtebaulich gedacht. Die Verwendung von Basalt, Bundsandstein und Schiefer als Baumaterial sowie die Formgebung, die Assoziationen an einen Speicherbau hervorruft, fügen die beiden Flügel des Neubaus durchaus behutsam ins Stadtgefüge ein. Ein einladender Museumsvorplatz mit großer Freitreppe steigert die Aufenthaltsqualität. Die Wände der Neubauten sind wie bei einer Ahnengalerie mit Spolien aus der vielfältigen Architekturgeschichte Frankfurts besetzt und weisen auf den dokumentarischen Zweck der Räumlichkeiten in ihrem Inneren hin.

Die Dauerausstellungen
Frankfurts Vergangenheit
Die zentrale Ausstellung des Museums „Frankfurt Einst?“ beschäftigt sich unmittelbar mit der wechselvollen Geschichte der Stadt und reicht nahezu an die Gegenwart heran. Dabei entschied man sich gegen eine chronologische Darstellung wie in anderen vergleichbaren Häusern. Das lockert den Rundgang über zwei Stockwerke wohltuend auf. In fünf Galerien mit unterschiedlicher Herangehensweise widmet man sich stattdessen zentralen Schwerpunkten der Stadtgeschichte.
Stadtentwicklung
Den Anfang machen die Stadtbilder, bei denen die topografische Entwicklung Frankfurts im Fokus steht. Dem Thema nähert man sich anhand von historischen Kartenmaterialien, aufwendigen Stadtmodellen und zahlreichen bildlichen Darstellungen der Mainmetropole. Besonderen Eindruck hinterlässt das Stadtmodell der Brüder Treuner, das die Frankfurter Altstadt mit ihrer schier unermesslichen Anzahl historischer Bauten vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zeigt. Der Vergleich mit dem heutigen Zustand ist ernüchternd, und das, obwohl in den vergangenen Jahren wesentliche Teile der Altstadt rekonstruiert und kleinteilig bebaut wurden.

Die Ausstellung klärt zudem darüber auf, dass die Debatten über eine Modernisierung und einen Abriss von Altstadtvierteln bereits im späten 19. Jahrhundert geführt worden sind, weil die Lebensbedingungen und hygienischen Zustände in den engen mittelalterlichen Gassen teilweise verheerend waren. Aus den Veduten, Panoramen und Ansichten der Stadt, die als eine lange, chronologisch angeordnete Galerie präsentiert werden, ist Friedrich Wilhelm Hirts „Mainufer am Fahrtor“ von 1757 prominent herausgegriffen, damit die Besucher das Frankfurt des 18. Jahrhunderts mit Unterstützung einer Medienstation bis ins Detail erkunden können.

Objekte und Bürger
Ebenfalls chronologisch ist das folgende Themenfeld „100 x Frankfurt“ angeordnet. Hinterfangen von einem Zeitstrahl wird die Stadtgeschichte anhand von 100 Exponaten schlaglichtartig dargestellt. Das Spektrum reicht von der prähistorischen Zeit über den religiösen Kult, Alltagsgegenstände, Zeugnisse der Industrialisierung bis hin zu Konsumprodukten. Der Reiz dieser Abteilung liegt in ihrer Vielfalt, die sich kaum in wenigen Worten beschreiben lässt und die immer wieder überraschende Einblicke in unterschiedlichste Lebensbereiche offenbart.
Im Mittelpunkt der folgenden Galerie „Bürgerstadt“ steht wiederum eine Porträtwand – hier von Bürgern Frankfurts. Ihre Lebensgeschichten lassen sich an Medienstationen erkunden, wobei schnell deutlich wird, dass es dabei nicht darum geht, bedeutende Persönlichkeiten Frankfurts vorzustellen. Vielmehr liegt das Augenmerk darauf, typische Gesichter und Geschichten der Stadt abzubilden. Bei der Historie des bürgerlichen Frankfurts sind auch die Gesellschaften und Vereine nicht zu vernachlässigen, die seit dem 19. Jahrhundert durch bürgerliches Engagement aufblühten. Die Ausstellung bildet dies anhand der Fahnen der Vereinigungen ab.


Finanzmetropole und Weltstadt
Keine andere Stadt in Deutschland, vielleicht in Europa, ist mit Geld und dem Finanzwesen so sehr verbunden wie Frankfurt, weshalb die vierte Galerie zu Recht den Titel „Geldstadt“ trägt. Diese Tradition geht bis in die karolingische Zeit zurück. Als Ort von Reichsmesse und von Kaiserwahlen war die Mainmetropole bereits im Mittelalter eine Drehscheibe des Warenhandels und Geldumschlages. 1585 wurde die Frankfurter Wechselbörse gegründet. Im „Münzreich“ sind Münzen von der karolingischen Epoche bis zum Euro zu sehen. Frankfurts Geschichte als Finanzplatz mit den dazugehörigen Institutionen und dem heute das Stadtbild prägenden Bankenwesen wird anschließend ausführlich thematisiert.

Damit unmittelbar in Wechselwirkung steht die letzte Galerie „Weltstadt“, die die Rolle der Stadt als internationalen Knotenpunkt aus vielerlei Perspektiven beleuchtet. Es geht um Mobilität sowie Kommunikation, aber im Kontrast dazu auch um die Rolle Frankfurts als Geburtsort der deutschen Demokratie: 1848/49 traf die deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche erstmals zusammen. Nicht zuletzt war Frankfurt auch die Stadt der Kaisermacher. Seit der Goldenen Bulle von 1356 wurden diese von den Kurfürsten hier am Main gewählt und seit 1562 auch gekrönt. Beide Ausstellungsbereiche – die Entwicklung der Frankfurter Kaiserkrönung sowie die Genese des Paulskirchenparlaments – sind vorzüglich in Szene gesetzt. Kreisförmige Kabinette, die nur durch schmale Durchlässe zu betreten sind, schotten die Themenbereiche nach außen ab. Im Zentrum dieser Raumarchitektur wird einerseits der Raum der Kaiserwahl auf einer Drehbühne inszeniert; im anderen Fall empfängt die Besucher ein informativer Medientisch unter dem Modell der Paulskirche. In den zahlreichen eingelassenen Vitrinen werden Schrift- und Bildquellen sowie Relikte der Zeremonien zur Schau gestellt.


Frankfurts Gegenwart
Ein Stockwerk darüber in „Frankfurt Jetzt!“ ist Partizipation der Leitgedanke. In einem groß dimensionierten Stadtmodell setzte der niederländische Künstler Herman Helle mit künstlerischer Interpretation in Szene, wie die Bewohner ihre Stadt sehen. Dazu wurden im Vorfeld in allen Stadtteilen die Bürger nach ihren Eindrücken befragt. Als Material verwendete Helle Alltagsgegenstände und Fundstücke wie Verpackungen, Lüsterklemmen, Zahnbürsten oder Teppichreste. Damit entstand eine höchst subjektive Sicht auf Frankfurt, die bei jeder Betrachtung neue unerwartete Details offenbart. Die Herangehensweise ähnelt damit der „Schneekugel“ im Untergeschoss des Museums, in der mehrere Künstler mit eigenen Stadtmodellen ihre Perspektiven auf Frankfurt verdinglichen und dabei bestimmte Aspekte wie das Bankenwesen, die Kriminalität oder die Diversität der Stadtgesellschaft thematisieren.

Die „Bibliothek der Generationen“ sammelt die Geschichte der Stadt aus subjektiver Perspektive von Projektteilnehmern – Autoren genannt -, die eigenverantwortlich ohne Vorgabe ihre Gedanken zur Stadt einreichen können. Es entsteht auf diese partizipative Weise nach und nach eine kollektive Erinnerung. Komplettiert wird die Ausstellung durch weitere in den vergangenen Jahren entstandene Projekte, die sich unter dem Begriff Stadtlabor subsumieren lassen. Das Museum ließ auch dabei die Bürgerinnen und Bürger Frankfurts zu Wort kommen. Die Erforschung der Stadt vollzieht sich hier unter dem Grundsatz, dass jeder Frankfurter auf die eine oder andere Weise ein Experte für seine Stadt ist.
Die bürgerlichen Sammler und Stifter
Dass Frankfurt eine ausgeprägte bürgerliche Gesellschaft besaß, erkennt man auch am Sammlungswesen. Es war nicht der Adel, sondern das Bürgertum, das in Frankfurt häufig auch als Stifter in Erscheinung trat – allen voran Johann Christian Senckenberg und Johann Friedrich Städel, auf die zwei bedeutende Museen der Stadt zurückgehen. Das Historische Museum Frankfurt präsentiert zwölf Biografien von Sammlern mit ihren außergewöhnlichen Sammlungen. Darunter sind Bibliothekare, Banker, Kaufleute, Beamte, Maler oder Konditormeister. Ein Zeitraum vom 17. bis zum 20. Jahrhundert wird umrissen.
Aber auch die Objekte dieses Sammlungswesens sind mit Bedacht gewählt, denn sie könnten kaum vielfältiger sein und stammen aus Kunst, Bibliothekswesen, Wissenschaft oder Waffentechnik. Das macht es auch so schwierig, einzelne Exponate oder Sammlungen hervorzuheben. Vielleicht begeistert der Globus aus dem Jahre 1515, auf dem erstmals Amerika zu finden ist? Oder verliert man sich im Miniaturenkabinett des Malers Johann Ludwig Ernst Morgenstein? Auch die Fayencen des Fabrikanten Wilhelm Kratz werden sicherlich den einen oder anderen Besucher begeistern.


Einmal Mittelalter und zurück
In den beiden letzten Abteilungen stehen die Gebäude und ihre Geschichte selbst im Mittelpunkt der Ausstellung. Im Untergrund kann man in die Archäologie des staufischen Saalhofes sowie der erst in jüngster Vergangenheit entdeckten Kaianlagen jener Zeit eintauchen. Im begehbaren Rententurm aus dem 15. Jahrhundert werden die Besucher schließlich in seine Funktion als Wehr- und Zollturm unmittelbar am Hafen eingeführt. An Medienstationen wird das Geschehen an den Hafenanlagen und dem Main lebendig gehalten. Seit 1489 war in dem Bauwerk auch das städtische Rentamt – also die Finanzverwaltung – untergebracht.


Und damit schließt sich auch der Kreis rund um die unterschiedlichen Ausstellungen im Historischen Museum Frankfurt. Die Gebäude, die das Museum beherbergen, sind selbst ein bedeutender Teil der Stadtgeschichte. Es liegt daher nahe, sie als Exponat zu verstehen und entsprechend zu präsentieren. Überhaupt sind es die Vielfalt und die differenzierte räumliche Trennung aller Ausstellungsbereiche, die das Haus auszeichnen. Wohldosierte Medienstationen lassen den einen oder anderen Aspekt vertiefen, während man andere Schwerpunkte nur streifen kann. Das ist angesichts der Größe des Museums auch notwendig. Da trifft es sich gut, dass alle städtischen Museen Frankfurts am letzten Samstag im Monat freien Eintritt bieten und dadurch die Erkundung der Ausstellungen auf mehrere Besuche aufgeteilt werden kann.