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Vom Mythos Arminius zum Hermannsdenkmal

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Hermannsdenkmal
Arminius bzw. Hermann als Heldenfigur im Teutoburger Wald

Arminius und die Varusschlacht

Mit einer Gesamthöhe von über 53 Metern ist das Hermannsdenkmal bei Detmold die höchste Kolossalstatue Deutschlands. Entsprechend stark frequentiert ist sie von Touristen, erst recht in diesem Jahr, in dem das Denkmal sein 150-jähriges Bestehen feiert. Aber wieso eigentlich Hermann? Müsste das Denkmal nicht eigentlich Arminiusdenkmal heißen? Und warum steht es hier auf der Grotenburg, einer Erhebung im südlichen Teutoburger Wald? Das sind alles sehr berechtigte Fragen, auf die wir Antworten finden wollen.

Das Hermannsdenkmal erinnert an den Cheruskerfürsten Arminius, der im Jahre 9 nach Christus in der legendären Schlacht am Teutoburger Wald dem Vormarsch der Römer in germanischem Gebiet Einhalt gebot. Dies führte letztlich dazu, dass der Limes entlang des Rheins über Jahrhunderte eine Demarkationslinie zwischen römischem und germanischem Siedlungsgebiet darstellte und die Gegenden noch lange nach dem Untergang Roms unterschiedlich kulturell prägte. Arminius selbst diente als Führer germanischer Verbände im römischen Heer und erwarb das römische Bürgerrecht. Letztlich wandte er sich aber gegen die Besatzer aus dem Süden und bezwang gemeinsam in einem Aufstand germanischer Stammesfürsten den römischen Statthalter Publius Quinctilius Varus und drei Legionen. Die Schlacht in den Wäldern der nördlichen Mittelgebirge, die aufgrund des römischen Widersachers auch als Varusschlacht bezeichnet wird, verortet die jüngere Forschung am Fuß des Wiehengebirges nach Kalkriese nahe Osnabrück. Um die archäologische Ausgrabungsstätte hat sich ein überregional bedeutendes Museum entwickelt.

Caspar Scheuren - Das Hermanns-Denkmal und der Teutoburger Wald
Caspar Scheuren: Das Hermanns-Denkmal und der Teutoburger Wald (1875)

Rezeption: Symbolfigur des Hermann

Aber zurück zum Hermannsdenkmal: Arminius wurde bereits von dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus zum Befreier Germaniens stilisiert. Er stieg seit dem 18. Jahrhundert zu einer Symbolfigur vaterländischer Tugenden, altdeutscher Heldengesinnung und einer deutschen Nationalkultur auf. Insbesondere der nationale Mythos des 19. Jahrhunderts vereinnahmte die Figur des Arminius, der nun aufgrund der Unkenntnis des nicht überlieferten germanischen Namens als Hermann der Cherusker eingedeutscht wurde. In der Politik, Kunst, Literatur und auf der Bühne wurde er gefeiert und rückte in der deutschen Ahnen- und Heldengalerie an vorderste Stelle.

Insbesondere in den Befreiungskriegen gegen die französische Besatzung durch Napoleon wurde Arminius zum Symbol für die deutsche Selbstbehauptung. Die Schlacht wurde von den „Enkeln Hermanns“ ein zweites Mal geführt und gewonnen. Heinrich von Kleist schrieb 1808 unter diesen Eindrücken ein Drama in fünf Akten, das 1821 erschien und 1839 uraufgeführt wurde: die Hermannsschlacht. Wir sehen ein echtes Heldenepos, ein nationales Fest, vor uns, das nach einem adäquaten Denkmal verlangte – ungeachtet der historischen Tatsache, dass ein deutsches Bewusstsein erst rund 1000 Jahre nach dem Tod von Arminius nachweisbar ist.

Dieses Denkmal hatte eine lange Entstehungsgeschichte, die mit den ersten Entwürfen bereits nach den Befreiungskriegen einsetzte. Baubeginn war allerdings erst 1838. Als Architekt und ausführender Bildhauer hatte sich Ernst von Bandel durchgesetzt. Durch nachlassendes nationales Interesse konnte das Denkmal nach langer Unterbrechung aber erst nach der 1871 erfolgten Reichsgründung im Jahre 1875 fertiggestellt werden – ein Jahr bevor der Schöpfer starb. Der Ort der Aufstellung bei Detmold wurde aus praktisch-ästhetischen Erwägungen heraus ohne direkten Bezug zur Varusschlacht gewählt.

Gegenwart

Bis heute ist das Hermannsdenkmal ein Besuchermagnet und kann bestiegen werden – atemberaubende Fernsicht inklusive. Seine Symbolwirkung ist anhaltend, allerdings ist im 21. Jahrhundert darin weniger Nationalromantik oder historische Verklärung, als vielmehr eine regionale Verbundenheit zu Ostwestfalen-Lippe auszumachen. Das zeigte sich zuletzt, als der Hermann mit einem überdimensionierten Trikot von Arminia Bielefeld verhüllt wurde. Der Drittligist stand im Mai 2025 sensationell im Endspiel des DFB-Pokals. Der außergewöhnliche Name des 1905 gegründeten Vereins aus dem Teutoburger Wald geht – wie unschwer zu erkennen – ebenfalls auf Arminius zurück, ist aber, wie in diesem Kontext üblich, vielleicht in Anlehnung an Germania oder Borussia in eine weibliche Form überführt.

Hermanneum
Die Ausstellung zum Denkmal: das Hermanneum

Das Gelände rund um die Grotenburg ist entsprechend mit vielen kulturellen und touristischen Angeboten versehen. Zur Verfügung stehen eine Gastronomie, eine Waldbühne für Musik- und Comedy-Veranstaltungen, ein Kletterpark sowie ein Touristenzentrum. Aufwendige Lasershows lassen die mystische Gestalt des Cheruskers zum Leben erwecken. Pünktlich zur diesjährigen 150-Jahr-Feier eröffnete im letzten Jahr das Hermanneum, eine kleine Ausstellung zur Geschichte und Bedeutung des Denkmals. Mit ihren digitalen Anwendungen versteht es sich als innovative Erlebniswelt. Wir sehen: Die Anziehungskraft des Arminius ist ungebrochen.

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