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Die Reichsstadt Schwäbisch Hall am Kocher

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Schwäbisch Hall - Stadtansicht vom Kocher
Stadtansicht von Schwäbisch Hall vom Kocher aus

Namensherkunft und historische Entwicklung

Schwäbisch Hall ist eine bedeutende historische Stadt im fränkisch geprägten Nordosten von Baden-Württemberg. Ursprünglich hieß der mittelalterliche Ort schlicht und einfach Hall. Erst im 15. Jahrhundert erhielt er den Zusatz „Schwäbisch“. Dieser verschwand wieder, als die Stadt 1802 an Württemberg gelangte. Erst ab 1934 trägt Schwäbisch Hall wieder seinen spätmittelalterlichen Namen. Seinen Reiz bezieht die ehemalige Reichsstadt aus ihrer Lage im engen Kochertal und der historischen Altstadt, die sich vom Fluss steil die Hänge hinaufzieht. Die Furt im Kocher, an der sich die Stadt entwickelte, ist noch heute erkennbar.

Hall um 1580 (Kupferstich Frans Hogenberg)
Hall um 1580: Kupferstich von Frans Hogenberg

Hall erlangte schon frühzeitig Bedeutung durch eine Salzquelle, auf die möglicherweise auch der Name der Stadt zurückzuführen ist. Von manchen Geisteswissenschaftlern werden Salz oder salzhaltige Stätten mit der mutmaßlich keltischen Bezeichnung „hala“ in Verbindung gebracht. Auch die erste urkundliche Erwähnung von Hall im Jahre 1037 ist nicht gesichert, da sie auf eine vermutlich gefälschte Urkunde – den Öhringer Stiftungsbrief – jüngerer Zeit zurückgeht. 1156 erhielt der Ort unter staufischer Herrschaft Marktrecht und wurde noch im 12. Jahrhundert befestigt. Nach dem Untergang der Staufer konnte Hall seine Selbstständigkeit gegen die Schenken von Limpurg, die eine Burg unweit der Stadt über dem Kochertal besaßen, ebenso bewahren wie gegen die Edelherren von Hohenlohe und die Würzburger Bischöfe. Dadurch wurde sie 1280 zur Reichsstadt, die unmittelbar dem Kaiser unterstellt war. Bis ins ausgehende Mittelalter wurde Hall vom Stadtadel beherrscht, der aus der staufischen Ministerialität hervorging. Der Reichtum von Schwäbisch Hall gründete auf dem Weinhandel und der Saline. Seit dem Hochmittelalter wurden in Hall Münzen geprägt.

Die Stadt entwickelte sich zunächst am östlichen Ufer des Kochers rund um den nach Westen abfallenden Marktplatz mit der bereits 1156 erwähnten Kirche St. Michael. Im 14. Jahrhundert erfolgte eine erhebliche Erweiterung des Stadtgebietes nach Norden (Gelbinger Vorstadt) und auf die westliche Kocherseite (Weiler- und Katharinenvorstadt). Die Unterlimpurger Vorstadt im Süden der Altstadt gehörte dagegen bis 1544 den Herren vom Limpurg. Die Reformation zog in Schwäbisch Hall im Jahre 1525 ein. 1655 wurde ein Gymnasium gegründet. Nach einem Stadtbrand im Jahre 1728, bei dem große Teile der Altstadt zwischen Markt und Kocher zerstört wurden, ist die Neue Straße als Achse zwischen Markt und Henkersbrücke angelegt worden. Das Straßenbild ist seitdem zunehmend von barocken Fassaden geprägt. Daneben sind unzählige Fachwerkbauten des Mittelalters und der Renaissance im Stadtbild vorzufinden.

Schwäbisch Hall - Marktplatz
Barocke Pracht am Marktplatz – links das Rathaus

Stadtrundgang

Der Marktplatz

Mittelalterliche Struktur

Wir beginnen unseren Rundgang durch das historische Schwäbisch Hall am Marktplatz, der guten Stube der Stadt. Das steil ansteigende Areal ist zu den beeindruckendsten Anlagen seiner Art in Süddeutschland zu zählen. Am höchsten Punkt thront die Pfarrkirche St. Michael mit ihrem zum Platz weisenden Turm mit romanischer Gliederung. Davor breitete sich eine gewaltige Freitreppe aus, die den Höhenunterschied zum Marktplatz überwindet. Die eindrucksvolle Architekturkulisse dient alljährlich im Sommer für die Freilichtspiele Schwäbisch Hall als Szenerie.

Schwäbisch Hall - St. Michael und Freitreppe
Westfassade St. Michael und monumentale Freitreppe auf dem Marktplatz

Einen weiteren Blickfang stellt der außergewöhnliche Marktbrunnen (auch als Fischbrunnen bezeichnet) mit einer spätmittelalterlichen Reliefwand – geschaffen von Hans Beuscher – dar. Dahinter ist der städtische Pranger zu sehen. Beides sind allerdings Kopien; die Originale können im Hällisch-Fränkischen Museum bewundert werden.

Schwäbisch Hall - Marktbrunnen
Spätgotischer Marktbrunnen

Barocke Pracht

Der Markt wird gesäumt von unzähligen barocken Prachtbauten, allen voran das in der westlichen Zeile stehende Rathaus mit seinem weit sichtbaren Turmbau. Es wurde nach dem Stadtbrand von 1728 an dieser Stelle bis 1735 neu errichtet, während der Vorgängerbau am weiter hangabwärts befindlichen Hafenmarkt stand. Ab 1732 war der württembergische Hofbaumeister Johann Ulrich Heim für den Neubau verantwortlich. Der Architekt war auch für weitere Bauten wie die Spitalkirche zum Heiligen Geist und das Waisenhaus in Schwäbisch Hall zuständig.

Rund um den Durchgang zur Marktstraße entstanden nach dem großen Stadtbrand im Norden und Nordosten des Marktes weitere repräsentative Barockbauten von hoher gestalterischer Qualität. Bei der Nr. 9 (Sibilla-Egen-Haus) und 10 handelt es sich um traufenständige Gebäude mit Mansarddach und reich ornamentierter Fassade. Rechts vom Rathaus findet sich ein Haus mit doppelter Giebelfassade, die Bürgertrinkstube. Links des Rathauses vervollständigen drei weitere Giebelhäuser die bemerkenswerte Rahmung. Sie entstanden durch Umbauten von Teilen des ehemaligen Franziskanerklosters zu Wohnbauten. Prachtvoll zeigen sich die Giebel und die Portalformen aus Renaissance und Barock. Komplettiert wird die Kulisse durch eine Reihe von sehr stattlichen Fachwerkhäusern, insbesondere an der südlichen Marktfront. Allen voran ist das noch in Teilen mittelalterliche Clausnitzer-Haus mit dem Münzmeisterturm als Eckhaus an der Oberen Herrngasse zu nennen. Hier geht der Marktplatz in die Klosterstraße über, die entlang der Südfassade der Michaeliskirche bergauf führt. Sie wird gesäumt von einer Reihe von Bürgerhäusern aus dem Mittelalter und der Renaissance.

Die Pfarrkirche St. Michael

Der imposante Bau der Pfarrkirche St. Michael beherrscht die Silhouette der Stadt und den Marktplatz. Vom 1156 geweihten Erstbau ist der durch Lisenen und Rundbogenfriese gegliederte Westturm mit offener Vorhalle im Erdgeschoss erhalten. An deren Mittelstütze begrüßt die Statue des Kirchenpatrons St. Michael aus dem späten 13. Jahrhundert die durch das romanische Westportal eintretenden Kirchgänger. Am Turm anschließend erhebt sich ein monumentaler dreischiffiger Hallenbau der Spätgotik. Baubeginn des Neubaus war 1427; seine Vollendung zog sich mit dem Chorneubau von 1495 bis 1516 bis ins 16. Jahrhundert hin. Zahlreiche namentlich bekannte Baumeister waren daran beteiligt: Konrad von Nürnberg, Nikolaus Eseler d. Ä., Hans von Urach, Konrad Schaller. Letzterer war auch für den bereits erwähnten Martbrunnen verantwortlich.

Im Innern offenbart sich eine filigrane Raumkomposition aus dünnen Rundpfeilern, die im Langhaus eine frühe Form eines Netzgewölbes tragen und im jüngeren Hallenumgangschor ihre höchste Virtuosität erreichen. Als typischer Vertreter spätgotischer Kirchenbaukunst in Süddeutschland zeigt St. Michael eine stilistische Verwandtschaft mit dem älteren Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd.

Komplettiert wird das harmonische Gesamtbild durch eine reiche Ausstattung, die ein vortreffliches Zeugnis der reichsstädtischen Selbstdarstellung ist. In den zahlreichen Kapellen finden sich meist spätgotische Flügelaltäre. Ein Höhepunkt des Kircheninventars ist der um 1460 geschaffene Hochaltar, der als Importaltar aus den Niederlanden einzustufen ist. Darüber hängt ein 1494 signiertes, qualitätvolles Kruzifix des Ulmer Künstlers Michael Erhart. Weitere spätgotische Ausstattungsstücke sind das Sakramentshaus, die Kanzel, der Taufstein und das Chorgestühl, die als Gesamtkomposition trotz des Einzugs der Reformation in Schwäbisch Hall als bemerkenswertes Exempel einer spätmittelalterlichen Kirchenausstattung bis in unsere Zeit erhalten blieben.

In den Altstadtgassen

Das alte Hall kann man primär in den Straßenzügen südlich des Marktes bis zum Schiedgraben entdecken. Hier im Herrngassenviertel sind die Gänge nicht nur schmal und steil abfallend, sondern die Häuser auffällig urtümlich. Das Viertel ist von Stadtbränden weitgehend verschont geblieben, sodass sich vielfach Bausubstanz findet, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Die ältesten erhaltenen Wohnbauten sind in der Regel Steinhäuser. Die meisten Fachwerkbauten stammen dagegen aus der Zeit zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. Es handelt sich überwiegend um Ständerbauten mit einer hohen Halle im Untergeschoss. Besonders in der Oberen Herrngasse stehen zahlreiche großbürgerliche Wohnbauten. Herauszuheben ist zudem das stattliche Beginenhaus im Nonnenhof aus dem frühen 16. Jahrhundert. Lohnenswert ist ein Rundgang über die Untere Herrngasse und den Keckenhof hinunter zum Steinernen Steg über den Kocher. Eindrucksvoll ist ebenfalls der Abgang vom Marktplatz über die Haalstraße hinab zum Fluss.

Über die Obere Herrngasse erreicht man den Schiedgraben, welcher der in diesem Bereich noch existierenden Stadtmauer vorgelagert ist. Der Verlauf der Mauer verdeutlicht eindringlich, wie steil die Stadt in den Hang gebaut wurde. Der Blick fällt hier unvermeidlich auf das mächtige Büchsenhaus, das als Zeughaus Anfang des 16. Jahrhunderts am höchsten Punkt der Stadt errichtet wurde. Das ungegliederte Gebäude mit den farbigen Fensterläden und dem großdimensionierten Satteldach ragt als auffälliger Solitär aus dem Häusermeer heraus und ist als Wahrzeichen von Schwäbisch Hall bereits vom Ufer des Kochers deutlich erkennbar.

Im äußersten Südosten der Altstadt steht eines der zwei erhaltenen mittelalterlichen Stadttore von Hall, das Langefelder oder Crailsheimer Tor. Gemeinsam mit dem wahrlich wehrhaft wirkenden Pechnasenturm und dem hinter der Stadtmauer aufragenden Büchsenhaus ist hier ein beeindruckendes spätmittelalterliches Ensemble vereint, wie es nur selten anzutreffen ist.

Schwäbisch Hall - Stadtbefestigung mit Crailsheimer Tor
Stadtbefestigung mit Crailsheimer Tor

Am Kocher

Der besondere Reiz von Schwäbisch Hall offenbart sich wohl nirgends eindrucksvoller als bei einer Promenade am Kocher. Unkundigen ist zu empfehlen, den Stadtrundgang genau hier am Fluss zu beginnen und sich von Süden durch die Kocherwiesen der Altstadt anzunähern. Die Struktur der Stadt kann vom Flussufer nicht nur am besten erfasst werden, auch die einzigartige Lage der mittelalterlichen Altstadt an einer Furt und den steilen Hängen ist hier ablesbar. Immer wieder ergeben sich malerische Panoramen und Einblicke mit Brücken, Tortürmen und Fachwerkhäusern. Am östlichen Ufer des Kochers liegt die Altstadt mit dem Marktplatz, am westlichen die Weiler- und Katharinenvorstadt.

Schwäbisch Hall - Kocher am Steinernen Steg
Der Kocher fließt entlang der mittelaterlichen Altstadt – im Hintergrund der Steinerne Steg

Der Kocher teilt sich hier in mehrere Arme und bildet dadurch die Flussinseln Unterwöhrd und Grasbödele aus, die mit Brücken und Stegen verbunden sind, die teilweise bis ins Mittelalter nachweisbar sind. Zwei davon – der Rote Steg und der Sulfer Steg – sind als pittoreske überdachte Holzkonstruktionen ausgeführt und verleihen der Szenerie einen besonderen Charme. Über den Steinernen Steg gelangen wir von der Unterwöhrdinsel direkt in die Gassen der Altstadt, die zum Marktplatz ansteigen. Besonders urtümlich wirkt der in den Untergeschossen mittelalterliche Sulfterturm, der eine Pforte unmittelbar auf Niveau der Kocherfurt besitzt. Hier kann man sich gut ausmalen, wie vor der Errichtung der Brücken die Fuhrwerke durch den Fluss fuhren.

Weiter nördlich existiert mit der Henkersbrücke eine weitere steinerne Brücke, die in der Verlängerung der Neuen Straße den altstädtischen Markt mit der Weilervorstadt verbindet. Urkundlich ist sie erstmals 1228 erwähnt. Ihr heutiger baulicher Zustand geht auf eine freie Rekonstruktion des Steinbaus aus dem frühen 16. Jahrhundert zurück.

Mittelalterliche Vorstädte

Wie bereits dargestellt, verfügt Schwäbisch Hall über mehrere mittelalterliche Vorstädte. Westlich des Kochers sind Weiler- und Katharinenvorstadt zusammengewachsen und bilden zum Fluss hin eine beeindruckende Reihung an Fachwerkhäusern und historischen Putzbauten. Zentrum beider Stadtteile ist jeweils ein Kirchenbau. Die St.-Katharinenkirche spiegelt die wachsende Bedeutung der Katharinenevorstadt wider. Sie entstand um 1240 und erhielt Mitte des 14. Jahrhunderts einen gotischen Chor. Die Johanniterkirche in der Weilervorstadt entstand 1385 bis 1402 als einfache Saalkirche mit polygonalem Chor. Sie bildet als bauliche Verlängerung der Henkersbrücke ein beliebtes Fotomotiv am Kocher. Nach Norden hin verlässt bzw. betritt man die Weilervorstadt durch das mittelalterliche Weilertor.

Schwäbisch Hall - Weilervorstadt
Weilervorstadt mit Johanniterkirche an der Henkersbrücke

Die Gelbinger Vorstadt erstreckt sich am östlichen Kocherufer, unmittelbar nördlich an die Altstadt anschließend. Die Bebauung zieht sich auf einem langgestreckten, über dem Fluss liegenden Plateau, das von den Uferregionen nur über den schmalen Durchlass am Badtorweg erreichbar ist. Der Übergang zwischen Altstadt und Gelbinger Vorstadt am Säumarkt ist dagegen nur für das in historischer Stadtentwicklung geübte Auge anhand der klassizistischen Stadtwache auszumachen. Hier beginnt die langgestreckte Gelbinger Gasse, die mit zahlreichen historischen Wohnbauten – Fachwerk und verputzt – gesäumt ist. Diese Stadtbereiche sind vom großen Stadtbrand 1728 verschont geblieben. Herauszuheben ist das reich verzierte Gräterhaus, das im frühen 17. Jahrhundert entstand.

Weit sichtbares Wahrzeichen der Gelbinger Vorstadt ist der Josenturm mit seinem Fachwerkaufsatz des 17. Jahrhunderts. Der steinerne Turm selbst stammt aus dem Mittelalter und diente wahrscheinlich sowohl als Befestigungsbau als auch als Glockenturm der Josenkapelle, die später profaniert wurde und in den benachbarten Wohnbauten aufging. Neben dem Turm führt der Weg durch das kleine Badtörle steil zum Kocherufer hinunter.

Würdigung

Schwäbisch Hall zählt mit seiner mittelalterlichen Altstadt, dem barocken Baubestand nach dem Stadtbrand von 1728 und insbesondere mit den Brückenkonstruktionen über den Kocher zweifelsohne zu den schönsten historischen Altstadtensembles Süddeutschlands. Die Lage am sich hinschlängelnden Kocher und die Topografie an den Talhängen tun ihr Übriges, um unzählige malerische Perspektiven zu gewähren. Neben dem bereits erwähnten Hällisch-Fränkischen Museum kommen Freunde mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kunst und Kultur in der Sammlung Würth in der Johanniterkirche in der Weilervorstadt auf ihre Kosten. Unweit hiervon hat der Kunstmäzen Reinhold Würth zudem der Stadt eine Kunsthalle spendiert, die ebenfalls seinen Namen trägt.

Die Reichsstadt Schwäbisch Hall ist das Zentrum eines reichen kulturellen Erbes im Kochertal. Nur wenige Kilometer flussaufwärts liegen die Klosteranlagen von Großcomburg und Kleincomburg. Speziell erstere stellt einen bemerkenswerten Komplex von historischer und baulicher Bedeutung dar, der weit über die Grenzen der Region Hohenlohe ausstrahlt. Ein Besuch der beeindruckenden Klosterburg sollte jeden Aufenthalt in Schwäbisch Hall abrunden.

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