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Der Anhalter Bahnhof und das Exilmuseum in Berlin

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Anhalter Bahnhof 1927
Der Anhalter Bahnhof im Jahre 1927

Ein Kopfbahnhof in Kreuzberg

Der Anhalter Bahnhof im Berliner Stadtteil Kreuzberg war einst einer der bedeutendsten Bahnhöfe der Hauptstadt. Das erste Bahnhofsgebäude wurde an dieser Stelle bereits 1841 eröffnet. Der Berliner Architekt Franz Schwechten erhielt schließlich den Auftrag, den Kopfbahnhof grundlegend umzugestalten. Die Bauzeit für das monumentale Bauwerk betrug 6 Jahre, von 1874 bis 1880.

Trotz schwerer Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg galt die Ruine als wiederaufbaufähig. Die Halle des denkmalgeschützten Gebäudes wurde allerdings ungeachtet vielfältiger Proteste 1959 gesprengt. Als Relikt und Mahnmal blieb der imposante Portikus der ehemaligen Fassade stehen.

Planungen für das Exilmuseum

Genau jener Torso soll nun zu einem integralen Bestandteil eines Museumsneubaus werden. Im Fokus des Exilmuseums sollen die Zeit 1933 bis 1945 und die halbe Million Menschen stehen, die vor dem Nationalsozialismus aus Deutschland geflüchtet sind. Träger des Museums ist die Stiftung Exilmuseum Berlin.

Dabei könnte der Ort für eine solche Institution kaum besser gewählt sein, war doch der Anhalter Bahnhof einer der großen Bahnhöfe, wo die Flucht vieler Menschen begann. Inwiefern das neue Haus eine inhaltliche Konkurrenz zum vor kurzem in unmittelbarer Nachbarschaft eröffneten Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung darstellen wird, ist abzuwarten. Wünschenswert wäre eine fruchtbare Symbiose und Partnerschaft, was wiederum entscheidend vom Ausstellungskonzept des Exilmuseums abhängen wird.

Architekturkritik

Die dänische Architektin Dorte Mandrup gewann den Architekturwettbewerb. Ihr Entwurf zeigt einen großen Backsteinbau hinter dem Portikus des alten Bahnhofs. Der Museumsbau verfügt über eine konkav geschwungene Hauptfassade, die dadurch Raum zwischen alter und neuer Bausubstanz schafft. Das Erdgeschoss öffnet sich zu allen Seiten mit einer verglasten bogenförmigen Öffnung. Dadurch scheint das gesamte Gewicht des Baukörpers fast schwerelos auf den vier Eckpunkten zu lasten.

Exilmuseum Berlin - Entwurf Dorte Mandrup
Exilmuseum Berlin – Entwurf Dorte Mandrup

Unter den Preisträgern des Architekturwettbewerbs kann Mandrups Idee überzeugen. Durch die Krümmung der Fassade wird der Portikus in das Bauwerk optisch integriert, wirkt sogar als dessen Eingang und Kulisse. Dazu trägt auch die sich annähernde Materialiät beider Bauteile bei. Die großformatigen Durchbrüche im Erdgeschoss geben dem Bauwerk eine gewisse Leichtigkeit, so dass der Charakter eines Blockes nie die Oberhand gewinnt.

Auch wenn ich ein genereller Befürworter von Stadtbildreparatur in Form von hochwertigen und wissenschaftlich begleiteten Rekonstruktionen bin, so muss ich dem Entwurf von Mandrup eine ähnliche Qualität zusprechen wie dem historistischen Bahnhofbau von Schwechten. Initiativen für eine Rekonstruktion des letzteren hat es dabei durchaus gegeben, aber das Nutzungskonzept als Kongress-, Messe- oder allgemeine Mehrzweckhalle überzeugte wohl nicht ausreichend. Und für das zukünftige Exilmuseum wäre der monumentale Baukörper des Bahnhofs dann doch erheblich überdimensioniert. Dies ist daher eines der wenigen Beispiele, in dem ich eine modernistische Umsetzung mit Verzicht auf eine Rekonstruktion als durchaus gelungen empfinde.

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