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Wandern in den Picos de Europa

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Picos de Europa - Nähe Sotres
Picos de Europa – in der Nähe des Dorfes Sotres in Asturien

Ein nordspanisches Gebirge

Welch ein klangvoller Name: Picos de Europa – die Gipfel Europas! Entsprechende Bezeichnungen sind seit dem 16. Jahrhundert von Seefahrern nach langer Überseereise belegt: Die Gipfel waren die Vorboten des europäischen Festlandes. Dabei ist dieses Gebirgsmassiv im Norden der Iberischen Halbinsel im Gegensatz zu den Pyrenäen noch ein wahrer Geheimtipp. Die Picos de Europa sind Teil des Kantabrischen Gebirges und liegen in den spanischen Regionen Asturien, Kantabrien sowie Kastilien und León. Ein gleichnamiger Nationalpark ist der älteste Spaniens.

Und die Picos de Europa tragen ihren Namen zurecht. Majestätisch erheben sie sich auf über 2600 Meter nur 20 Kilometer von der Atlantikküste entfernt. Das Kontrastprogramm von Hochgebirge und tosender Brandung auf engstem Raum machte auf uns so viel Eindruck, dass wir diese Region Spaniens in den letzten Jahren gleich zwei Mal besuchten. Von den zahlreichen Ausflügen ins Gebirge sind uns zwei besonders spektakuläre Touren in Erinnerung geblieben. Wir möchten sie jedem Nordspanienreisenden wärmstens empfehlen.

Die Ruta del Cares

Es handelt sich um eine Route entlang des Tals des Rio Cares, für die Begriffe wie spektakulär oder atemberaubend fast schon nicht mehr ausreichen. Schon im 18. Jahrhundert trug der Canyon den Namen „Göttliche Schlucht“. Die zwölf Kilometer wird man in aller Regel hin und zurück, also doppelt bezwingen müssen, solange man nicht einen Chauffeur auftut, der bereit ist, mit dem Auto um das komplette Massiv herum zu fahren, um den Wandernden am Endpunkt wieder aufzusammeln.

Wir liefen die Route von Norden aus, von Poncebos nach Caín und wieder zurück. Es empfiehlt sich allerdings, die Strecke in umgekehrter Richtung anzutreten, da der Aufstieg von Poncebos zum Pass Los Collaos geröllig ist und verglichen mit den weiteren Abschnitten weniger für das Auge zu bieten hat. Wir beschreiben die Wanderung dennoch in der von uns angetretenen Reihenfolge.

Man bewegt sich entlang des oberen Randes eines unfassbar steilen Canyons. Der Weg, der streckenweise in den nackten Felsen geschlagen ist, stellte ursprünglich einen Wartungsweg für den Anfang des 20. Jahrhunderts angelegten Wasserkanal für die Versorgung eines Elektrizitätswerkes dar. Wer hier mitteleuropäische Standards in puncto Sicherheit erwartet, wird enttäuscht. Einen Zaun oder Brüstung gibt es weitestgehend nicht. An machen Stellen ist der Weg keine zwei Meter breit, rechts die ausgehöhlte Felswand, links die Abbruchkante zum mehr als hundert Meter tiefen Canyon. Der Rio Cares ist dort unten nur durch sein Rauschen wahrzunehmen. Ich hoffe, ihr seid schwindelfrei!

Picos de Europa - Ruta del Cares - Puente de los Rebecos
Ruta del Cares – Puente de los Rebecos

Der Ziegenpass

Der erste Höhepunkt – im doppelten Sinne – nach dem Aufstieg aus dem Dorf Poncebos stellt die Anhöhe Los Collaos dar, von wo man einen berauschenden Ausblick auf die vor uns liegende Strecke hat. Bei uns tituliert dieser Orientierungspunkt ab diesem Zeitpunkt nur noch als Ziegenpass, weil dort eine Schar Bergziegen zutraulich, ja geradezu aufdringlich auf Fütterung durch alle vorbeiziehenden Wanderer wartet. Lasst euer Proviant nicht einen Augenblick unbeaufsichtigt liegen, wenn ihr den zwischen einigen ruinösen Gebäuden umherschweifenden Ziegen nicht eine Freude bereiten wollt.

Die weitere Strecke ab dem Ziegenpass präsentiert sich erfreulich flach, obwohl man von steilen Felswänden umgeben ist. Immer enger und steiler wird der Canyon mit der Zeit, bis die ersten Passagen des Weges auftauchen, die in den Felsen geschlagen werden mussten. Schließlich geht man immer wieder durch kurze Tunnelabschnitte. Hinter jeder Biegung wir der Ausblick noch imposanter. Auf halber Strecke erreichen wir die verlassene Hirtensiedlung Culiembro und haben ein Déjà-vu. Schon wieder eine Rasselbande Ziegen, die es auf unser Essen abgesehen hat!

Von der Klamm in den Talkessel von Caín und retour

Auf dem letzten Drittel der Passage rücken die Wände des Canyons so eng zusammen, dass man diesen mehrfach auf Brücken überquert. Ein letzter längerer Tunnelabschnitt durch ein schmale Klamm – der Rio Cares kommt uns hier rauschend ganz nah -, dann ein Wehr und plötzlich stehen wir im weiten sonnigen Talkessel von Caín. Wir haben es fast geschafft! Das Dorf selbst liegt sehr hübsch ist allerdings nicht sonderlich beeindruckend. Es ist gemütlich und bietet alle kulinarischen Möglichkeiten, um sich für den Rückweg zu stärken.

Dieser verläuft übrigens deutlich schneller. Zum einen, weil wir nicht ständig zum Fotografieren anhalten, zum anderen, weil uns die allmählich untergehende Sonne im Nacken sitzt. Sich hier bei Dunkelheit aufzuhalten, ist lebensgefährlich! Es beruhigt uns aber ein wenig, dass wir nicht die letzten sind, die aufbrechen. Ungläubig staunen wir, als wir eine ältere Frau überholen, die mit Pilgerstab und einfachen Flip-Flops die steinigen zwölf Kilometer bezwingt. Wir schauen uns noch lange nach ihr um, bis wir wieder den Ziegenpass erreichen und uns sicher sein können, dass sie Poncebos noch vor der Dunkelheit erreicht.

Bergtour bei Fuente Dé

Die Wartezeit an der Seilbahn in Fuente Dé kann in der Hochsaison und bei gutem Wetter schon mal eine Stunde oder mehr betragen, doch das ist es allemal wert! Allein der Blick auf das gewaltige in Sonne getauchte Bergmassiv lässt erahnen, was uns da oben auf fast 2000 Meter Höhe erwartet. 750 Meter davon überwindet man in einer Gondel an einem einzigen Kabel. Oben angekommen verflüchtigen sich die vielen Menschen sehr rasch, so dass man die Natur fast einsam genießen kann. Nach einem fantastischen Ausblick auf das Tal mit den winzigen Dörfern kann der fast 14 Kilometer lange Abstieg von der Bergstation El Cable bei sehr angenehmen 20 Grad Celsius beginnen.

Die ersten Kilometer sind geprägt von einer imposanten, schroffen Hochgebirgslandschaft, an der wir uns bei herrlichem Sonnenschein nicht satt sehen können. Ständig wechselnde Aus- und Einblicke lassen uns immer wieder zur Kamera greifen. Auf dem gut ausgebauten Weg kommen uns gelegentlich Wanderer entgegen. Angesichts ihrer körperlichen Verfassung und der fehlenden Ausrüstung fragen wir uns allerdings mehrfach, ob sie den Aufstieg nicht etwas unterschätzt haben. Und warum geht man die Strecke überhaupt in dieser Richtung an?

Das Chalet Real und das Refugio de Áliva

Nach einer Biegung entdecken wir unter uns das erste Anzeichen menschlicher Zivilisation: das Chalet Real. Der Bau war Anfang des 20. Jahrhunderts die Jagdhütte von König Alfonso XIII. Auf den grenzenlosen Grasflächen unterhalb des Chalets weiden vereinzelt Pferde. Dahinter erkennt man bereits das Refugio de Áliva, ein Berghotel, das jetzt im September angenehm verlassen wirkt. Es diente früher als Unterkunft für die Arbeiter einer nahe gelegenen Miene. Hier legen wir unsere erste Pause ein. Einige sehr zutrauliche und aufdringliche Krähen leisten uns Gesellschaft, als wir unseren Proviant aus dem Rucksack holen.

Von nun an begleiten unseren Weg schier unendlich erscheinende grüne Matten. Die Landschaft bewegt sich zwischen grandiosen Ausblicken auf steile Felsmassive und faszinierender grüner Monotonie. Wir begegnen Schafen, Gämsen und einem mannsgroßen Hirtenhund, der sich dösend mitten auf dem Weg ausbreitet und sich auch nicht aus der Ruhe bringen lässt, als wir unmittelbar vor seiner Nase vorbei schleichen. Eine Gemütsathlet! Ein Bachlauf, in dessen Nähe sich mehrere Brunnen antreffen lassen, wird schließlich zu unserem Begleiter, als sich der Weg deutlich nach unten zu neigen beginnt.

Die Portillas del Boquejón

Recht unvermittelt stehen wir nach einer Wegbiegung vor einer Felsenenge, deren Zugang von einem gemauerten Tor eingeleitet wird. Wir haben die Portillas del Boquejón erreicht! Der Anblick eines solchen Bauwerks hier mitten in der weiten Berglandschaft mutet doch etwas eigentümlich an. Würde nicht die gleißende Sonne die Szenerie in freundliches Licht tauchen, würde man sich vielleicht fühlen, als würde man vor dem Tor von Mordor (Herr der Ringe) stehen. Und in der Tat wartet auf uns eine Überraschung, als wir das Tor durchschreiten. Plötzlich versperrt uns eine Herde Wildpferde den Weg. Menschen sind sie offensichtlich gewohnt, denn sie lassen uns bis auf wenige Meter herantreten. Wir nutzen die Chance und machen an einer Holzbrücke, die hier den Bach überquert, eine Pause. Die Pferde leisten uns Gesellschaft und ziehen erst ihres Weges, als wir wieder aufbrechen.

Picos de Europa - Wildpferde
Wildpferde auf dem Weg ins Tal

Hinter den Portillas wechselt die Landschaft schlagartig. Vor uns breitet sich das liebliche, bewaldete Tal des Río Deva aus. Ab hier kann man zwischen zwei Varianten zurück nach Fuente Dé wählen. Entweder man folgt der Pferdeherde weiter den breiten Weg herunter Richtung des Dorfes Espinama, um dann entlang der Talsohle zu wandern oder man entscheidet sich für den etwas kürzeren, dafür schmaleren und steileren Trampelpfad, der hier an der Holzbrücke beginnt. Wir präferieren aufgrund der fortgeschrittenen Zeit letzteren. Er führt nach einem steilen Abstieg etwas erhöht durch bewaldetes Gelände mit zahlreichen Ausblicken auf die pittoresken im Tal befindlichen Dörfer.

Erschöpft, aber bereichert um einzigartige Eindrücke erreichen wir unser Auto an der Seilbahn-Station in Fuente Dé. Die letzte Gondel des Tages verlässt gerade die Bergstation und gleitet uns langsam entgegen, während das Bergmassiv im rötlichen Licht der untergehenden Sonne erstrahlt. Man, ist das kitschig!

Wandern in Nordspanien

Das Wandern in den Picos de Europa ist ein besonderes Erlebnis. Die beschriebenen zwei Touren mögen vielleicht nicht nur für uns die schönsten von ihnen darstellen. Wir haben aber noch weitere unternommen, die uns immer wieder neue und unvergessliche Momente bescherten. Das einleitende Foto für diesen Beitrag entstand übrigens nicht auf einer der beiden beschriebenen Touren, sondern in der Nähe des Dorfes Sotres, der höchstgelegenen Siedlung Asturiens. Der Ort war bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nur über einen alten Fuß- und Karrenweg entlang einer Steilwand erreichbar. Er flößte uns auf dem Rückweg zu unserem geparkten Auto etwas Respekt ein, zumal auch hier langsam die Dämmerung anbrach.

Wer wenig ausgetretene Pfade abseits des üblichen Massentourismus und der Klischees Spaniens sucht und noch dazu gut zu Fuß unterwegs ist, der wird von den Picos de Europa nicht enttäuscht werden. Reizvoll ist auch die Nähe zum Camino de Santiago, dem Jakobsweg. Wer das Wandern mit einer spirituellen Erfahrung verbinden möchte, der wird dem bekanntesten aller Pilgerwege sicher auch einen Besuch abstatten.

Dieser Beitrag entstand in Rahmen der Blogparade Deine Aktivreise-Geschichte.

2 Kommentare zu “Wandern in den Picos de Europa

  1. Sehr schöner Bericht über die Wanderungen!
    Ich hoffe, die Wege sind gut markiert, damit ich mich nicht verlaufe, dafür bin in Spezialistin.
    Danke!

    1. Verlaufen ist kaum möglich, da man fast die gesamte Strecke entlang des Canyons wandert. Sollte man hier vom Weg abkommen, ist es dann auch eher endgültig.

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