Home / Alle Artikel / Edward Snowden und das deutsche Asylrecht

Edward Snowden und das deutsche Asylrecht

Posted on
Edward Snowden Asyl

Politische Verfolgung und Auszeichnung

Es ist sehr ruhig geworden um Edward Snowden und die NSA-Affäre. Die Zeiten, in denen die Bürger dieses Landes auf die Straße gegangen sind, um ihren Unmut gegen die herrschenden Eliten und das politische System mit Nachdruck zu demonstrieren, sind schon lange vorbei. „Wie eine träge Herde Kühe schau’n wir kurz auf und grasen dann gemütlich weiter“ beschreibt es Herbert Grönemeyer in einem Songtext bereits in den 80er Jahren ganz trefflich. Heute lassen wir uns mit einem „Abhören von Freunden, das geht gar nicht“ abspeisen.

Dabei muten die Bespitzelungen der Stasi neben den Abhöraktionen der NSA wie amateurhafte Gehversuche an. Ob George Orwell es sich jemals ausgemalt hat, dass ausgerechnet die USA, die selbsternannten Hüter der Menschenrechte und der Demokratie, seinem „1984“ ganz nahe kommen würden? Nun, er kannte da Guantanamo noch nicht, sonst hätte es ihn vielleicht nicht verwundert.

Edward Snowden wird als Whistleblower von den USA politisch verfolgt. Während er in Russland Asyl erhält, wird er von westlichen Organisationen mit zahlreichen Auszeichnungen überhäuft. Darunter finden sich der Internationale Whistleblower-Preis, der Stuttgarter Friedenspreis, der Right Livelihood Award und die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Darüber hinaus wurde er für den Friedensnobelpreis nominiert und sollte die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock erhalten. Letzteres scheiterte vorerst an politischer Einflussnahme

Stigmatisierung auf der einen Seite und Auszeichnungen für gesellschaftliches Engagement auf der anderen: Der Fall Snowden bezeugt eindringlich, dass man vor politischer Verfolgung auch in der westlichen Welt nicht sicher sein kann. Nach deutschem Asylrecht gehören die USA bezeichnenderweise nicht zu den sicheren Herkunftsstaaten.

Asyl in Deutschland

Der eigentliche Skandal offenbart sich allerdings erst im Umgang mit dem Asylantrag Snowdens durch die deutsche Regierung. Er wurde offensichtlich auf Druck der USA abgelehnt. Dabei schreibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Recht auf Asyl nach §16a Grundgesetz:

Das Asylrecht wird in Deutschland nicht nur – wie in vielen anderen Staaten – auf Grund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 gewährt, sondern hat als Grundrecht Verfassungsrang. Es ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländern zusteht.

Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Das Asylrecht dient dem Schutz der Menschenwürde in einem umfassenderen Sinne.

Juristisch ist die Situation gar nicht so einfach, wie es sich die deutsche Regierung machen möchte. Vielmehr wäre Snowdens Aufnahme zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik durchaus möglich. Und wer soll dem nicht mehr dienen als derjenige, der systematische Grundrechtsverletzungen aufgedeckt hat? Die Entscheidung hierüber liegt beim Bundesinnenministerium und das hat wie die gesamte deutsche Regierung bisher das geringste Interesse daran gezeigt, die Affäre aufzuklären. Zu hoch ist wohl die Befürchtung, die Verstrickungen des BND in die Ausspähungen der eigenen Bürger würden noch mehr offenbart werden, als eh schon geschehen.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Flüchtlingskrise zeigt sich also einmal mehr, wie das Asylrecht bis an die Grenzen des Erträglichen politisch opportun zurechtgedeutet wird. Das ist für mich der eigentliche Skandal innerhalb des Skandals. Der heuchlerische Umgang mit Menschenrechten scheint kein Phänomen zu sein, dass allein Diktaturen vorbehalten ist.

Russland als sicherer Hafen?

Vielleicht muss Snowden aber froh sein, niemals deutschen Boden betreten zu haben. Zwar hätte man seine Auslieferung juristisch durchaus ablehnen können, ob dies allerdings politisch gewollt gewesen wäre, darf angezweifelt werden. Noch weniger hätte man in Deutschland für seine Sicherheit vor den Entführungskommandos der CIA garantieren können. Das beweist bereits der Eklat um den Stopp des Flugzeuges des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, in dem die USA Edward Snowden vermutet hatten.

Russland ist – und das ist das paradoxe an der Geschichte –  für Whistleblower, die Werte einer freiheitlichen Gesellschaft verteidigen, ein sicherer Aufenthaltsort als Deutschland. Darüber sollte man nachdenken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Top