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Industriekultur in der Ziegelei Lage

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Ziegelei Lage
Ziegelei Lage

Eine Ziegelei im Familienbesitz

Die stillgelegte Ziegelei nahe der westfälischen Stadt Lage ist weder besonders alt, groß noch innovativ gewesen, doch als LWL-Industriemuseum zeigt sie heute beispielhaft die Ziegelproduktion sowohl als Handstrich- als auch Maschinenziegel. Als Besucher kann man an alter Produktionsstätte Schritt für Schritt den Prozess vom Rohstoff zum fertigen Baumaterial nachvollziehen.

Die Ziegelei Lage wurde 1909 als Sylbacher Dampfziegelei durch den Ziegelarbeiter Gustav Beermann und den Unternehmer Friedrich Bobe gegründet und mit einem Ringofen ausgestattet, der im Gegensatz zu einem Feldbrandofen einen kontinuierlichen Brand der Ziegel gewährleistete. Im Jahre 1910 produzierte die Ziegelei rund 600 Tausend Ziegel. Nach dem Ausscheiden von Bobe blieb der Beitrieb bis zur Einstellung der Produktion 1979 im Besitz der Familie Beermann.

Handstrichziegel

Das Rohmaterial

Die Besucher werden durch fünf Stationen der manuellen Ziegelproduktion, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts fast unverändert erfolgte, geleitet: Rohmaterial, Lehmaufbereitung, Formgebung, Trocknung, Feldbrandofen. Dabei wurden diese bis auf den letzten Punkt auch tatsächlich in Lage praktiziert, da in der Sylbacher Ziegelei die Umstellung vom Handstrichziegel auf maschinelle Fertigung vergleichsweise spät erfolgte.

Am Anfang stand die Förderung des Rohmaterials: Lehm ist eine Mischung aus verschiedenen Tonarten und Sand. Es wurde im Tagebau in Lehmgruben mit Spaten abgestochen und in von Pferden gezogenen Loren abtransportiert. Diese Arbeit war ebenso wie die Aufbereitung des Lehms eine echte Knochenarbeit. Die Versetzung des Rohmaterials in einen weichen, formbaren Zustand wurde daher auch gelegentlich per Pferdegöpel verrichtet, wie er auch in Lage zu sehen ist.

Ziegelei Lage - Göpel und Trockenhorde
Pferdegöpel und Trockenhorde im Hintergrund

Von der Formgebung bis zum Feldbrand

An der Station der Formgebung dürfen sich die Museumsbesucher selber als Ziegelstreicher ausprobieren. In Formen aus Holz oder Metall erhält der Lehm die einheitliche Form, wobei der Einsatz von Wasser das Festkleben des Lehms am Rahmen verhindert. Das Trocknen der Rohlinge – so nennt man den noch nicht gebrannten Backstein – konnte auf einem Sandplatz oder in Trockenhorden erfolgen. Unter letzterem versteht man offene Ständerbauten mit entsprechenden Trockengerüsten für die Lufttrocknung, die mehrere Wochen in Anspruch nahm.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Feldbrandöfen genutzt. Der mobile Ofentyp wurde periodisch betrieben und wurde ausschließlich aus den zu brennenden Rohlingen selbst errichtet. Der Aufbau und der Betrieb eines solchen Meilers mit Schürgassen, die die nötige Luftzuvor gewährleisteten, erforderte entsprechende Erfahrung und wurde daher vom Ziegelbrenner beaufsichtigt. Die Brennphase dauerte je nach Größe des Ofens zwei bis sechs Wochen.

Maschinenziegelei

Die Ziegelei Sylbach stellte die Produktion erst 1922 mit der Anschaffung einer Dampfmaschine auf Maschinenbetrieb um. Der heute präsentierte Zustand der Maschinen resultiert aus der Zeit zwischen 1950 und 1970. Der Transport des Rohmaterials wurde sogar bis in die 1960er Jahre von Pferden vorgenommen, bis diese von Diesellokomotiven ersetzt wurden. Zur gleichen Zeit wurde mit einem Rollenband ein automatisches Transportsystem für die Ziegelrohlinge installiert.

Ziegelei Lage - Produktionsgebäude
Produktionsgebäude

Die Besucher werden an neun Stationen durch die Produktionsgebäude geleitet. Die Lehmaufbereitung erfolgte nun in mehreren Schritten: Über den Kippboden und das Leseband ging es zum Kollergang, wo der Lehm zerquetscht wurde. An der Presse, die nach dem Prinzip eines Fleischwolfes arbeitete, wurde die Lehmmasse schließlich mit einem Draht geschnitten. Die Trocknung erfolgte zunächst wie bei Handstrichziegeln in Trockenhorden und wurde erst kurz vor Stilllegung der Ziegelei auf Kammertrocknung umgestellt, bei der die Abwärme des Ringofens die Trockenzeit erheblich verkürzen konnte.

Der Hoffmansche Ringofen

Die Erfindung des Hoffmanschen Ringofens geht auf das Jahr 1858 zurück. Es handelt sich dabei um einen Ringofen, der den immerwährenden Betrieb gewährleistet. Mit seiner Erfindung erfolgte der Wechsel vom periodischen zum kontinuierlichen Brennbetrieb. Dabei stellt der Brenner sicher, dass das Feuer von Kammer zu Kammer weiterzieht sowie gebrannte Ziegel fortwährend ausgefahren bzw. Rohlinge eingesetzt werden.

Mit dem Bau des Ringofens auf der Ziegelei Sylbach begann man 1908. Später wurde er um vier Kammern erweitert, so dass 120 Tausend normalformatige Ziegel darin Platz fanden. Auf diese Weise konnte die Effizienz der Ziegelei erheblich gesteigert werden.

Ziegelei Lage - Ringofen und Villa Beermann
Ringofen und Villa Beermann

Das Leben der Ziegler

Nach diesem Gang durch die technischen Voraussetzungen der Ziegelproduktion nimmt das Museum den Menschen als Ziegler in den Blickpunkt. Die umfangreichste Ausstellung findet sich dabei in der Villa Beermann. Wir erfahren dort alles Wissenswerte über die Familie Beerman, die Firmengeschichte, die verschiedenen Arbeitsbereiche sowie das Leben im Ort Sylbach, der sich nach einem nahen Rittergut benannte und der ohne die Ziegelei gar nicht existieren würde.

In der Zieglerunterkunft wird das Leben lippischer Wanderziegler in den Fokus gerückt, die für die Existenzsicherung der Familie in die Fremde zogen. Hervorgehoben wird das häufig rege Gemeinschaftsleben, das das Zusammengehörigkeitsgefühl der Arbeiter stärkte. Thematisiert werden zudem die hygienischen Zustände, die Wohnverhältnisse und die Verpflegung in der Ziegelei. Aufgrund der Arbeitsprozesse auf einer Ziegelei war die Arbeit des Zieglers in der Regel saisonal von Frühjahr bis Herbst geprägt. In einem Tagelöhnerhaus des 18. Jahrhunderts wird schließlich das Leben der daheim gebliebenen Zieglerfamilien dargestellt.

Fazit

Es ist der Mix aus Industriekultur und den sozialgeschichtlichen Aspekten, die das LWL-Museum in Lage auszeichnet. Vor allem der partizipative Charakter, bei dem sich die Besucher als Ziegler betätigen, ihre eigenen Backsteine formen und schließlich brennen lassen können, macht das Industriemuseum zu einem Erlebnis für Jung und Alt. Das spiegelt sich auch im museumspädagogischen Programm wider, das im Schwerpunkt auf Mitmach-Angebote für die junge Zielgruppe setzt.

Übrigens: Wer sich umfassender über die Geschichte des Ziegels informieren möchte, dem empfehle ich als Einstieg meinen Beitrag über die Kulturgeschichte des Backsteins.

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